Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 1994 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist die Höhe der von der Klägerin für ihre freiwillige Krankenversicherung zu entrichtenden Beiträge.

Die 1934 geborene Klägerin ist die Witwe des am 15. April 1992 verstorbenen Universitätsprofessors Dr. M. Dieser war von 1938 bis zu seinem Tod freiwilliges Mitglied der Beklagten. Bis zum 31. Dezember 1988 hatte er für die Klägerin Familienhilfeansprüche nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Seit dem 1. Januar 1989 war die Klägerin bei der Beklagten nach § 10 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) als Familienmitglied versichert. Nach dem Tode ihres Ehemannes ist die Klägerin freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden und es bis zum 28. Februar 1995 geblieben.

Für den Ehemann der Klägerin wurden die Beiträge zur Krankenversicherung nach seinen Bezügen als Hochschullehrer bzw. als Emeritus bemessen. Die Beklagte hatte bis zum 31. Dezember 1988 der Beitragsbemessung den vollen Beitragssatz zugrunde gelegt. Seit dem 1. Januar 1989 hatte sie nach § 248 Abs. 2 SGB V i.d.F. des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) bzw. § 22 Abs. 14 ihrer Satzung die Beiträge nur nach der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes erhoben und den Ehemann seitdem in die Beitragsklasse 741 eingestuft. Der Monatsbeitrag betrug ab 1. Januar 1992 313, 65 DM. Die Beklagte stufte die Klägerin nach dem Tode des Ehemannes mit Bescheiden vom 10. und 20. Juli 1992 für die Zeit ab 16. April 1992 in die Beitragsklasse 531 ein. Für diese Beitragsklasse ist nicht der halbe allgemeine, sondern der volle ermäßigte Beitragssatz der Beklagten maßgebend. Die Beklagte legte die Versorgungsbezüge der Klägerin als beitragspflichtige Einnahmen zugrunde. Die Klägerin machte mit ihrem Widerspruch geltend, auch sie müsse wie bisher ihr Ehemann in der Beitragsklasse 741 zum halben allgemeinen Beitragssatz versichert werden. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1992).

Klage und Berufung, mit denen die Klägerin beantragt hat, bei der Beitragsbemessung nur den halben allgemeinen Beitragssatz zugrunde zu legen, sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts (SG) Mannheim vom 25. Juni 1993 und des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 22. April 1994).

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG]), wenn nach § 248 Abs. 2 SGB V nur diejenigen die Beiträge nach dem halben allgemeinen Beitragssatz zu entrichten hätten, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten. Für die Beitragsgerechtigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung habe die Beachtung von Art 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs. 1 GG) zur Folge, daß die Beiträge regelmäßig nur nach den Arbeitseinkünften (im weitest verstandenen Sinne) zu bemessen seien, ausnahmsweise zur Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit aber auch alle Einkünfte zugrunde gelegt werden könnten, daß aber nicht einzelne Gruppen zur gesetzlichen Krankenversicherung mit ihren Beiträgen über Gebühr herangezogen werden dürften. Der so verstandenen Beitragsgerechtigkeit werde § 248 Abs. 2 SGB V nicht gerecht, wenn dort in Abkehr von dem für das Solidaritätsprinzip entscheidenden Grundsatz der Leistungsfähigkeit an die Vollendung des 65. Lebensjahres angeknüpft werde. Für die Leistungsfähigkeit sei nämlich die Vollendung des 65. Lebensjahres unerheblich; es komme insoweit nur auf die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes an. § 248 Abs. 2 SGB V habe eine Gleichbehandlung von freiwillig versicherten Mitgliedern mit Rentnern beabsichtigt. Die freiwilligen Mitglieder hätten beitragsmäßig ebenso begünstigt werden sollen wie versicherungspflichtige Rentner mit entsprechender Vorversicherungszeit. Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Frage der Vereinbarkeit mit dem GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Juni 1993 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 1992 zu verpflichten, sie für die Zeit ihrer freiwilligen Mitgliedschaft vom 16. April 1992 bis zum 28. Februar 1995 so einzustufen, daß für sie aus den Versorgungsbezügen die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes nach § 240 Abs. 3a in Verbindung mit § 248 Abs. 2 SGB V gilt.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Die Beklagte hat die Witwenbezüge der Klägerin als beitragspflichtige Einnahmen zugrunde gelegt. Dies entspricht § 240 Abs. 1, 2 SGB V i.V.m. § 22 Abs. 1 ihrer Satzung. Von der Klägerin sind auch gegen die Festsetzung der Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen keine Einwendungen erhoben worden.

Die Klägerin ist auch zutreffend unter Berücksichtigung dieser Einnahmen in die Beitragsklasse 531 eingestuft worden, d.h. eine Beitragsklasse, für die der (volle) ermäßigte Beitragssatz (§ 243 Abs. 1 SGB V) maßgebend ist, und nicht in die Beitragsklasse 741, d.h. die Beitragsklasse, für die die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes (§ 248 SGB V) maßgebend ist. Dies entspricht § 22 Abs. 8 und 9 der Satzung der Beklagten. Das SGB V enthält keine Vorschrift, die die Beklagte verpflichtet oder auch nur berechtigt, abweichend von dem für den Beitragssatz auch der freiwillig Versicherten unmittelbar geltenden § 243 SGB V, für die Beitragsbemessung bei der Klägerin nur den halben allgemeinen Beitragssatz zugrunde zu legen. Die Beitragserhebung nur nach dem halben allgemeinen Beitragssatz aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen sah § 248 Abs. 2 SGB V für freiwillig Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres vor, wenn sie die Neun Zehntel Belegung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit eigenen oder von einem Mitglied abgeleiteten Versicherungszeiten erfüllt hatten (Altersprivileg). Mit der Streichung des § 248 Abs. 2 SGB V zum 1. Januar 1993 durch Art 1 Nr. 138 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 2266) ist dieses Altersprivileg auf die Versicherten beschränkt worden, bei denen am 31. Dezember 1992 § 248 Abs. 2 SGB V anzuwenden war (vgl. § 240 Abs. 3a SGB V i.d.F. durch Art I Nr. 137 GSG). Zu dieser Gruppe gehörte die 1934 geborene Klägerin nicht, denn sie hatte am 31. Dezember 1992 ihr 65. Lebensjahr noch nicht vollendet. Sie gehört deshalb auch nicht zu den durch die Besitzschutzregelung des § 240 Abs. 3a SGB V Begünstigten.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Ausdehnung der in § 248 Abs. 2 SGB V angeordneten Beitragssatzermäßigung allgemein auf Empfänger von Versorgungsbezügen geboten gewesen ist, auch wenn diese das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Er konnte sich nicht davon überzeugen, daß die Nichteinbeziehung der noch nicht 65 Jahre alten Versorgungsempfänger in § 248 Abs. 2 SGB V verfassungswidrig gewesen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die sachliche Berechtigung für die Beitragsermäßigung in § 248 Abs. 2 SGB V von Anfang an zweifelhaft war. Bis zum Inkrafttreten des SGB V hatten freiwillig Versicherte unabhängig von ihrem Alter grundsätzlich auch aus Versorgungsbezügen Beiträge nach dem vollen Beitragssatz zu entrichten. Die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes galt lediglich für die Beiträge aus Versorgungsbezügen der Versicherungspflichtigen (§ 385 Abs. 2a RVO, der nach § 514 Abs. 2 RVO auch für Ersatzkassen galt). Dementsprechend hatte auch der Ehemann der Klägerin bis zum 31. Dezember 1988 Beiträge nach dem vollen Beitragssatz zu zahlen. Mit dem SGB V wurde in § 248 Abs. 2 SGB V erstmals für die Gruppe der freiwillig Versicherten nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Beitragssatzermäßigung eingeführt. Die Voraussetzungen hierfür erfüllte der Ehemann der Klägerin. Seine Beitragsbelastung verminderte sich dementsprechend zum 1. Januar 1989. Mit der Ermäßigung des Beitragssatzes in § 248 Abs. 2 SGB V sollten die freiwillig Versicherten, die keine Rente bezogen, beitragsmäßig ebenso begünstigt werden, wie die versicherungspflichtigen Rentner (vgl. BT-Drucks 11/2237 S. 226 zu § 257 des Gesetzentwurfs zum GRG). Diese Begründung berücksichtigte nicht, daß damit aus der Sicht der Krankenkassen die wesentlichen Einkünfte der versicherungspflichtigen Rentner einerseits und der freiwillig versicherten Versorgungsempfänger andererseits ungleich behandelt wurden. Während bei den Versicherungspflichtigen die Krankenkassen aus dem Arbeitsentgelt und den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, d.h. aus den typischen Haupteinnahmen dieser Versicherten, die Beiträge schon unter Geltung der RVO nach dem vollen Beitragssatz erhalten hatten und auch nach dem SGB V weiter erhielten (vgl. für die Renten § 385 Abs. 2 RVO und § 247 SGB V), bekamen sie nach § 248 Abs. 2 SGB V aus den Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten Beiträge nur nach dem halben allgemeinen Beitragssatz, und zwar selbst dann, wenn diese Versorgungsbezüge die alleinigen Einnahmen des Versicherten waren. Eine Rechtfertigung für diese Einnahmeverkürzung zu Lasten der Krankenkassen, die im Ergebnis eine Subventionierung der durch § 248 Abs. 2 SGB V Begünstigten durch die anderen Versicherten bedeutete, ist nicht zu erkennen. Die begünstigten freiwillig Versicherten hatten aus ihren Einnahmen während des Erwerbslebens, auch aus den Dienstbezügen als Beamte, die Beiträge nach dem vollen Beitragssatz allein zu tragen. Wenn die Krankenkassen aus Versorgungsbezügen, die an die Stelle der Beamtenbezüge getreten waren, nunmehr nur noch Beiträge nach dem halben allgemeinen Beitragssatz erhalten sollten, so ist dieses für den Senat nicht verständlich. Unzutreffend ist die Ansicht der Klägerin, das Altersprivileg des § 248 Abs. 2 SGB V habe den Finanzierungsgrundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprochen. Insbesondere ist der Vergleich zwischen versicherungspflichtigen Rentnern, die aus der Rente, aber auch aus Arbeitseinkommen und Versorgungsbezügen Beiträge nur nach dem halben Beitragssatz selbst tragen (früher § 248 Abs. 1 SGB V; jetzt § 248 SGB V), und freiwillig Versicherten, die Versorgungsbezüge oder Arbeitseinkommen als beitragspflichtige Einnahmen haben, unzutreffend. Insoweit kann nicht geltend gemacht werden, beide Gruppen dürften aus ihren Einkünften nur in gleicher Höhe belastet werden. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 26. Juni 1996 (12 RK 12/94 – zur Veröffentlichung bestimmt) im einzelnen dargelegt. Die Aufhebung des § 248 Abs. 2 SGB V durch Art I Nr. 138 GSG hält der Senat für sachlich gerechtfertigt. Er hat sich nicht davon überzeugen können, daß sie verfassungswidrig ist.

Für eine verfassungsrechtlich, etwa aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 GG), gebotene Ausdehnung der Beitragssatzermäßigung in § 248 Abs. 2 SGB V auf weitere Gruppen von Versicherten sind schon angesichts der dargelegten Zweifel an der sachlichen Berechtigung der Vorschrift keine Gründe ersichtlich. Insbesondere reicht dazu der Hinweis nicht aus, das Rentenzugangsalter sei niedriger als 65 Jahre und die Lage von Versorgungsempfängern, die jünger als 65 Jahre seien, unterscheide sich nicht von solchen, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten. Wenn eine Beitragssatzermäßigung für freiwillig Versicherte in § 248 Abs. 2 SGB V überhaupt eingeführt wurde, war jedenfalls eine enge Brenzung auf diejenigen, die das 65. Lebensjahr vollendet und die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfüllt hatten, gerechtfertigt. Bei diesen Versicherten konnte davon ausgegangen werden, daß sie in der Regel lange Vorversicherungszeiten zurückgelegt und damit schon entsprechend lange zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beigetragen hatten. Die Ermäßigung des Beitragssatzes aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen auch für freiwillig Versicherte vor Vollendung des 65. Lebensjahres hätte im übrigen wiederum zu Gleichbehandlungsproblemen geführt. Versorgungsempfänger, zu denen auch junge Bezieher von Hinterbliebenenbezügen gehören, hätten Arbeitseinkommen in beliebiger Höhe erzielen können, und dennoch sowohl aus Versorgungsbezügen als auch aus Arbeitseinkommen (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) nur den halben Beitrag gezahlt. Eine Beschränkung der Beitragssatzermäßigung etwa auf Versorgungsempfänger, die kein Arbeitseinkommen erzielen, hätte eine Umgestaltung des § 248 Abs. 2 SGB V insgesamt erfordert. Die Forderung der Klägerin, das Altersprivileg des § 248 Abs. 2 SGB V auf alle Versorgungsempfänger und auch auf alle Hinterbliebenen von Versicherten zu erstrecken, wenn diese Versicherten für die eigene Versicherung durch § 248 Abs. 2 SGB V begünstigt gewesen waren, zeigt deshalb nur die Fragwürdigkeit des Altersprivilegs in § 248 Abs. 2 SGB V insgesamt auf. Nachdem der Gesetzgeber § 248 Abs. 2 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 1993 aufgehoben hat, ist um so weniger zu erkennen, weshalb es geboten sein soll, das Altersprivileg des § 248 Abs. 2 SGB V nachträglich auf weitere Versichertengruppen zu erstrecken.

Der Umstand, daß die Klägerin nach dem Tode ihres Ehemannes aus geringeren Einkünften einen höheren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichten muß als ihr Ehemann vorher, ist dabei unerheblich. Die zuletzt niedrigen Beiträge des Ehemannes beruhten auf einer schwer verständlichen Vergünstigung durch den Gesetzgeber. Die von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge entsprechen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sie wird gemessen an ihren Einkünften nicht höher mit Beiträgen belastet als jeder andere vergleichbare freiwillig Versicherte der – gleichgültig aus welcher Quelle – gleich hohe Einnahmen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 605808

SozSi 1997, 158

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