Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darum, wer für die Unfallentschädigung des Klägers zuständig ist.
Der Kläger, damals Soldat auf Zeit, erlitt einen Unfall, als er am 15. Februar 1976 auf der Rückfahrt von seiner Familienwohnung in W., wo er einen Wochenendurlaub verbracht hatte, zu seinem Dienstort in S. war. Ein vor ihm auf der Autobahn fahrendes Kraftfahrzeug war verunglückt auf der Fahrbahn liegengeblieben. Der Fahrer hatte die Warnblinkanlage eingeschaltet, war ausgestiegen und warnte mit Armbewegungen die nachfolgenden Pkw-Fahrer. Die Unfallstelle war im übrigen noch nicht abgesichert. Als der Kläger, der mit seinem Kameraden seinen Pkw verlassen hatte, den unfallbeschädigten Wagen von der Fahrbahn auf den Seitenstreifen schieben wollte, wurde er von einem nachfolgenden Wagen angefahren und erlitt erhebliche Verletzungen.
Den Antrag des Klägers, ihm Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) zu gewähren, lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) Mainz ab (Bescheid vom 19, April 1977); der Kläger habe den versorgungsrechtlich geschützten Heimweg unterbrochen, als er seinen Pkw verlassen habe.
Das Sozialgericht (SG) Mainz hat das beklagte Land Rheinland-Pfalz verurteilt, den Unfall als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen (Urteil vom 3. Januar 1978). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt, die versorgungsrechtlich geschützte Fahrt sei durch die Hilfeleistung nicht unterbrochen worden. Die Hilfeleistung erscheine bei natürlicher Betrachtungsweise als Teil des versicherten Weges (Urteil vom 28. November 1978).
Der Beklagte hat die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 81 SVG. Der Kläger habe wie jeder andere zivile Autobahnbenutzer Hilfe geleistet. Die Hilfeleistung hänge mit der Rückfahrt zum Dienst nur zufällig äußerlich und zeitlich zusammen und sei daher nicht wehrdiensteigentümlich.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 28. November 1978 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid des VersorgA Mainz vom 19. April 1977 abzuweisen.
Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Das beigeladene Land Baden-Württemberg und der Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts abweichendes bestimmt ist. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zum Wehrdienst im Sinne dieser Vorschrift gehört das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle. Das gilt auch für den Weg von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn der Geschädigte wegen der Entfernung dieser Wohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat (§ 81 Abs. 3 Satz 2 SVG in der zur Unfallzeit geltenden Fassung vom 5. März 1976 - BGBl. I 457 und § 81 Abs. 4 Satz 3 SVG i.d.F. vom 18. Februar 1977 - BGBl. I 337)
Auf einem solchen Weg hat sich der Kläger befunden, als er am 15. Februar 1976 auf der Autobahn auf dem Wege von seiner Familienwohnung in W. zu seinem Dienstort in S. verunglückte. Der Versorgungsschutz nach dem SVG war zur Zeit des Unfalls nicht unterbrochen.
Bei versorgungsrechtlich geschützten Wegen sind die Grundsätze entsprechend anzuwenden, welche die Rechtsprechung für den Weg von und nach der Arbeitsstelle im Unfallversicherungsrecht herausgearbeitet hat (vgl. BSG SozR § 81 SVG 1964 Nr. 3; SozR 3200 § 81 Nr. 5 und Nr. 10). Danach wird der Versicherungsschutz auf den Wegen von und nach der Arbeitsstätte durch eigenwirtschaftliche Tätigkeiten des Versicherten unterbrochen (vgl. Hinweise bei Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Stand: September 1979, Anm. 17 zu § 550).
Die Hilfeleistung war keine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Denn sie wäre, wenn man den Versorgungsschutz außer acht läßt, als solche versicherungsrechtlich geschützt. Hierbei kann dahinstehen, ob der Versicherungsschutz, wie die Beteiligten übereinstimmend meinen, aus § 539 Abs. 1 Nr. 9 Buchst a) der Reichsversicherungsordnung -RVO-' (Hilfeleistung bei Unglücksfällen) oder aus § 539 Abs. 2 RVO (Pannenhilfe, vgl. BSGE 35, 140) folgen würde.
Ob der Versorgungsschutz auf einem Dienstweg auch durch eine Tätigkeit unterbrochen werden kann, die zwar nicht eigenwirtschaftlich zu nennen ist, aber als solche kraft Versicherungsrechts geschützt ist, muß hier nicht entschieden werden. Denn aus den unangegriffenen Feststellungen des LSG folgt, daß die Hilfeleistung den Dienstweg nicht unterbrochen hat. Die Schilderung des Unfallhergangs zeigt, daß der Kläger in der Zeit der Hilfeleistung nicht von dem Dienstweg Abstand genommen hat, daß die Hilfeleistung vielmehr zugleich dazu diente, die Fahrbahn in Richtung zum Dienstort freizumachen, damit der Kläger und nachfolgende Kraftfahrer die Unglücksstelle gefahrlos passieren konnten. Die Hilfeleistung sollte darin bestehen, den verunglückten Pkw auf die Seite zu schieben. Sie war eine kurzfristige Tätigkeit und führte nicht zum Verlassen der Fahrbahn.
Gehört aber die Hilfeleistung, bei der der Kläger den Unfall erlitt, zum Dienstweg und ist sie zugleich ihrer Art nach eine versicherungsrechtlich geschützte Tätigkeit, so ist nur zu prüfen, ob infolge der Hilfeleistung der Versorgungsschutz durch den Versicherungsschutz verdrängt wird. Das ist aber keine Frage der Unterbrechung des Dienstwegs, sondern eine Frage des Verhältnisses von Versorgungs- und Versicherungsschutz. Dieses Verhältnis - die Konkurrenz zweier Schutzsysteme - ist nicht, wie das beklagte Land und die Bundesrepublik offenbar meinen, derart, daß ein Arbeitsunfall immer einem Wegeunfall vorzugehen hat. Das Verhältnis von Versorgungs- und Versicherungsschutz ist vielmehr für den hier zu beurteilenden Sachverhalt in § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO in besonderer Weise geregelt. Danach sind versicherungsfrei "Personen, hinsichtlich der Arbeitsunfälle, für die ihnen Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder solchen Gesetzen gewährt wird, die das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, es sei denn, daß der Arbeitsunfall zugleich die Folge einer Schädigung im Sinne dieser Gesetze ist". Hier werden zwei Fallgruppen unterschieden: Im ersten Halbsatz sind die Fälle geregelt, in denen - wie hier - ein Unfall geschieht, bei dem zugleich die Voraussetzungen des Versorgungsschutzes und des Versicherungsschutzes erfüllt sind. Dafür ist bestimmt, daß der Versorgungsschutz vorgeht, daß also kein Versicherungsschutz besteht. Daher hat der Beklagte kraft Versorgungsschutzes für die Unfallfolgen des Klägers einzustehen.
Anderer Art sind die im zweiten Halbsatz geregelten Fälle. Sie betreffen einen Unfall, der die Folge einer Schädigung ist, den der Versicherte früher erlitten hat (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: August 1979, Bd. II, S. 478k; Lauterbach, a.a.O., § 541 Anm. 11). In diesen Fällen wird der Versicherungsschutz nicht dadurch berührt, daß die Unfallverletzung zugleich eine mittelbare Schädigungsfolge im Sinne des Versorgungsrechts ist. Wegen des Versorgungsschutzes ist allerdings § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG zu beachten, wonach der Versorgungsschutz nicht ausgeschlossen ist, aber in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung ruht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
BSGE, 80 |
Breith. 1981, 242 |