Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 31. März 1971 und des Sozialgerichts Berlin von 12. Dezember 1969 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. November 1968 insoweit aufgehoben, als Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) für die Zeit vom 21. August bis 31. Oktober 1967 festgestellt ist.
Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat den Beigeladenen drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Es ist zu entscheiden, ob der Beigeladene zu 1) bei einer Beschäftigung von wöchentlich 10 Stunden in der Arbeiterrentenversicherung versicherungsfrei war.
Der Beigeladene zu 1), geboren am 5. Oktober 1903, bezog seit November 1957 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Sie wurde mit Bescheid vom 7. Mai 1968 ab November 1967 in das vorzeitige Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit umgewandelt. Der Beigeladene zu 1) war vom 21. August 1967 bis 9. November 1968 als Schokoladenarbeiter 10 Stunden wöchentlich – verteilt auf drei Tage – bei einem Bruttostundenlohn von 3,87 DM bei der Beigeladenen zu 2) – Firma Kascho – beschäftigt.
Die beklagte AOK Berlin stellte mit Bescheid vom 25. November 1968 an die Beigeladene zu 2) fest, daß der Beigeladene zu 1) kranken- und rentenversicherungsfrei nach § 168 Abs. 1 Nr. 2, § 1228 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung – RVO – und in der Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig nach § 56 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sei. Die klagende Landesversicherungsanstalt (LVA) meint dagegen, der Beigeladene zu 1) sei versicherungspflichtig in der Arbeiterrentenversicherung; denn Empfänger eines vorzeitigen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit gehörten nicht zum Kreis derjenigen Personen, die berufsmäßig eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung nicht ausübten.
Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts –SG– Berlin vom 12. Dezember 1969 und des Landessozialgerichts –LSG– Berlin vom 31. März 1971); die Revision wurde zugelassen.
Das LSG hat im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, Arbeitslose könnten zu den sonst nicht berufsmäßigen Arbeitnehmern im Sinne des § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO gehören, wenn bei ihrem Alter, Gesundheitszustand oder sonstigen persönlichen Verhältnissen ausgeschlossen erscheine, daß sie jemals wieder in den Arbeitsprozeß eingeschaltet würden. Dies gelte nicht nur beim Bezug von Altersruhegeld, sondern auch schon, wenn Rente wegen Berufsunfähigkeit bezogen werde. Das Gesetz vermute, daß diese Personen wegen ihres Alters nicht mehr in Arbeit vermittelt werden könnten. Sie gehörten nicht mehr zum Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer. Nach § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO sei entscheidend, daß der Beigeladene zu 1), als er die umstrittene Beschäftigung ausübte, wegen seines Gesundheitszustandes und Alters von fast 65 Jahren kaum mehr Aussicht gehabt habe, in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Gegenüber der Berufsunfähigkeitsrente von zuletzt 311,20 DM und dem Altersruhegeld von 477,– DM sei das Arbeitseinkommen von weit geringerer Bedeutung für seine wirtschaftliche Stellung gewesen; er habe das Höchstmaß der zeitlichen Beanspruchung von 20 Stunden wöchentlich nicht erreicht.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und festzustellen, daß der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 21. August 1967 bis 19. September 1968 zum Kreis der berufsmäßig tätigen Personen gehört habe und der Versicherungspflicht in der Arbeiterrentenversicherung unterlegen habe.
Die Klägerin sieht § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO und § 1248 Abs. 2 RVO als verletzt an. § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO sei durch § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO ausgeschlossen. Nach § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO bleibe nur eine gelegentliche Aushilfe außer Betracht. Satz 4 aaO sei nur dann sinnvoll und notwendig, wenn die Beschäftigung eines Empfängers des vorzeitigen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit als berufsmäßig im Sinne von § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO angesehen werde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind nicht vertreten.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist nur insoweit begründet, als die Klägerin die Aufhebung des Bescheids der Beklagten für die Zeit vom 28. August bis 31. Oktober 1967 begehrt. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
Da nur die LVA die Feststellung der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) durch die Beklagte angreift, ist nur über die Versicherungsfreiheit in der Arbeiterrentenversicherung zu entscheiden.
Die Klage, mit der die Aufhebung des die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) feststellenden Bescheides vom 25. November 1968 begehrt wird, ist eine Aufhebungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG. Die Klägerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis; denn dieser Bescheid, durch den sie beschwert ist, weil danach Versicherungsbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung nicht zu entrichten sind, würde ihr gegenüber nach § 77 SGG bindend, auch wenn sie in einem Bescheid das vorzeitige Altersruhegeld entziehen würde; der Streitgegenstand wäre in beiden Fällen verschieden. Die Klägerin ist daher berechtigt, sich gegen den Bescheid vom 25. November 1968 zu wenden, um den Eintritt der Bindung zu verhindern (vgl. auch BSG 15, 118).
Der Auffassung des LSG, der Beigeladene zu 1) habe während der streitigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) nicht zum Kreis der berufsmäßig Beschäftigten gehört und deshalb nach § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO der Versicherungspflicht in der Arbeiterrentenversicherung nicht unterlegen, kann der Senat, soweit es sich um die Zeit der Beschäftigung vom 21. August bis 31. Oktober 1967 handelt, nicht beitreten.
In dieser Zeit hat der Beigeladene zu 1) eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten. Außerdem war er als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt gemeldet und hat Arbeitslosengeld bezogen. Wie der Senat in einem Urteil vom selben Tag – 12 RJ 352/71 – entschieden hat, übt jemand berufsmäßig eine Beschäftigung oder Tätigkeit aus, wenn er hierdurch seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in solchem Umfang erwirbt, daß seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung oder Tätigkeit beruht. Diesem Personenkreis gehören regelmäßig auch die Arbeitslosen an. Wie das LSG nicht verkannt hat, sind Arbeitslose nicht deshalb, weil sie vorübergehend wegen der Arbeitsmarktlage an der Ausübung einer Beschäftigung gehindert sind, aus dem Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer ausgeschieden; vielmehr beruht, wie das LSG mit Recht gesagt hat, die wirtschaftliche Stellung dieser Personen nach wie vor auf dem durch Erwerbstätigkeit als unselbständig Beschäftigte zu erzielenden Verdienst. Diese Auffassung wird auch in der Literatur vertreten (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S. 314 e des 36. Nachtrags; Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. II D 3 b zu § 1228 RVO). Die laufende oder auch nur gelegentliche „Nebenbeschäftigung” arbeitsloser Personen bewirkt daher, wie schon das frühere Reichsversicherungsamt (RVA) ausgesprochen hat (AN 1936, 17), regelmäßig deren Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung.
Im Anschluß an die genannte Entscheidung des RVA will das LSG jedoch eine Ausnahme für solche Arbeitslose gelten lassen, bei denen wegen ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes oder sonstiger persönlicher Verhältnisse keine Aussicht mehr besteht, daß sie jemals wieder in den Arbeitsprozeß eingeschaltet werden können. Solche Personen will das LSG als aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ansehen und dies auch für den Beigeladenen zu 1) gelten lassen. Es ist indessen schon zweifelhaft, ob mit dem bloßen Hinweis auf Alter, Gesundheit oder „sonstigen persönlichen Verhältnisse” ein brauchbarer Maßstab für die Anwendung des Gesetzes, vor allem für die Möglichkeit einer sicheren Abgrenzung geschaffen wird. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß die Auffassung, die das RVA in einer zu Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Bekanntmachung des Reichskanzlers (betr. die Befreiung von der Invalidenversicherungspflicht) vom 27.12.1899 (AN 1900, 181) ergangenen Entscheidung geäußert hat, entsprechend auch für die Auslegung des § 1228 Abs. 1 Nr. 5 RVO heranzuziehen sei, so kann sie im Fall des Beigeladenen zu 1) nicht dazu führen, ihn als aus dem Erwerbsleben ausgeschieden anzusehen. Der Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit hat ihn nicht daran gehindert, eine weitere Erwerbstätigkeit auszuüben, zumal er einer solchen noch viele Jahre nach der Bewilligung dieser Rente nachgegangen ist. Durch die Meldung als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt und den Bezug von Arbeitslosengeld hat der Beigeladene zu 1) zu erkennen gegeben, daß er damals der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stand und daß er ernstlich bereit war, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben (§§ 75, 76 AVAVG). Schließlich hat der Beigeladene zu 1) den Willen zur Arbeitsleistung dadurch bestätigt, daß er die hier streitige Beschäftigung von 10 Wochenstunden bei der Beigeladenen zu 2) verrichtet hat. Der durch diese Beschäftigung erzielte Verdienst (monatlich bis etwa 150,– DM) kann im Verhältnis zu der Rente wegen Berufsunfähigkeit im Betrage von 311,20 DM nicht als eine bloß unbedeutende, wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallende Einnahme angesehen werden.
Unter Berücksichtigung der gesamten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist daher die Berufsmäßigkeit der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) in der Zeit bis zum 31. Oktober 1967 zu bejahen. Der von einer anderen Rechtsauffassung ausgehende Bescheid der Beklagten kann insoweit nicht bestehen bleiben.
Die Revision der Beklagten ist jedoch im Ergebnis unbegründet, soweit es sich um die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. November 1967 an handelt, während der der Beigeladene zu 1) das vorzeitige Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 2 RVO bezogen hat. Dieses Altersruhegeld ist ihm bisher weder bindend als von Anfang an nicht zustehend (§ 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO, BSG 23, 222, 225, 226) entzogen worden, noch steht dessen späterer Wegfall nach § 1248 Abs. 2 Satz 2 RVO bindend fest. Der Bezug des Altersruhegeldes bewirkt die Versicherungsfreiheit des Beziehers nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Diese Vorschrift erfaßt nicht nur das Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO, sondern gilt nach ihrem Sinn und Wortlaut auch für das vorzeitige Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 2 und 3 RVO – wenn die Ausübung einer Beschäftigung nicht ohnehin schon den Wegfall des vorzeitigen Altersruhegeldes begründet –. Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten, der die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) ausspricht, ist sonach für die hier in Betracht kommende Zeit der Beschäftigung seit 1. November 1967 im Ergebnis richtig.
Der Senat brauchte deshalb nicht zu prüfen, ob Versicherungsfreiheit etwa auch aus anderen Gründen gegeben ist. Ebensowenig brauchte er auf die Frage einzugehen, ob eine Beitragspflicht der Beigeladenen zu 2) nach § 1386 RVO besteht; denn diese Frage ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen