Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Beiträge zu erstatten hat, die dieser als freiwillig weiterversichertes Mitglied in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1976 an sie entrichtet hat.
Der Kläger war bis zum 31. Juli 1974 bei der Firma S… als Ladenmetzger beschäftigt und Pflichtmitglied der Beklagten. Seit dem 1. August 1974 ist er in der Metzgerei des Beigeladenen beschäftigt; dieser gehört mit dem Betrieb einer Innung an, für die die Innungskrankenkasse (IKK) F… zuständig ist. Vom selben Tage an (1. August 1974) wurde der Kläger, weil er die Versicherungspflichtgrenze zunächst überschritt, auf seinen Antrag vom 31. Juli 1974 bei der Beklagten gemäß § 313 der Reichsversicherungsordnung (RVO) weiterversichert. Ihm oder Angehörigen seiner Familie wurden am 7. Mai und 9. September 1975 ärztliche Behandlung sowie am 5. Januar, 23. März/21. Mai, 15. Juni/22. Juli und 22. Juni/2. Juli 1976 Heil- und Hilfsmittel in Höhe von insgesamt 185,20 DM gewährt; für Krankenhauspflege in der Zeit vom 20. Bis 24. April 1976 entstandenen Kosten in Höhe von 941,- DM.
Bei einer Lohnbuch- und Betriebskontrolle seitens der genannten IKK am 1. Februar 1977 wurde festgestellt, daß der Kläger ab 1. Januar 1976 mit einem Bruttogehalt von damals 2.170,44 DM (infolge der Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung von 2.100,- DM auf 2.325,- DM monatlich) wieder der Krankenversicherungspflicht unterlag. Die IKK stellte dem Kläger deshalb unter dem 1. Februar 1977 eine Bescheinigung über seine Mitgliedschaft gemäß §§ 165 Abs. 1 Nr. 2, 250 Abs. 2 RVO ab 1. Januar 1976 aus und forderte vom Arbeitgeber für die zurückliegende Zeit Pflichtbeiträge in Höhe von 3.210,26 DM nach. Am 10. Februar 1977 beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten die Rückzahlung der von ihm ab 1. Januar 1976 gezahlten freiwilligen Beiträge. Die Beklagte gab dem Antrag mit formlosem Bescheid vom 23. Juni 1978 für die Zeit ab Januar 1977 statt. Für die vorausgegangene Zeit lehnte sie hingegen eine Erstattung unter Hinweis auf Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes (RVA) ab, weil bis zur schriftlichen Verweisung an die zuständige IKK eine Formalmitgliedschaft gemäß § 315 RVO bei ihr bestanden habe und danach ihr und nicht der an sich zuständigen IKK die Beiträge zugestanden hätten. Außerdem sei dem Kläger kein Schaden entstanden, da er zu den geleisteten freiwilligen Beiträgen gemäß § 405 RVO einen Zuschuß vom Arbeitgeber erhalten habe und die nachträgliche Entrichtung der Pflichtbeiträge an die IKK allein dem Arbeitgeber obliege.
Auf die gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. April 1979 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main die Beklagte verurteilt, dem Kläger die seit 1. Januar 1976 wegen erloschener Mitgliedschaft zu Unrecht entrichteten Beiträge gegen Verrechnung der vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen zu erstatten (Urteil vom 28. November 1980).
Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Klägers das Urteil des SG insoweit aufgehoben, als darin eine Verrechnung von Beiträgen gegen Leistungen vorgesehen war (Urteil vom 9. Dezember 1981). Das LSG hat die Entrichtung der streitigen Beiträge für rechtswidrig gehalten, weil in der fraglichen Zeit eine Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als Grundlage einer Beitragspflicht nicht mehr bestanden habe. Ab 1. Januar 1976 sei der Kläger gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO versicherungspflichtig und Pflichtmitglied der IKK gewesen. Eine Pflichtversicherung und damit die Mitgliedschaft bei der Pflichtkasse trete mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein und werde durch eine freiwillige Versicherung nicht gehindert. Es habe ab 1. Januar 1976 weder eine formale Versicherung gemäß § 213 RVO bestanden noch eine formale Mitgliedschaft gemäß § 315 RVO fortbestanden. Die Vorschrift des § 315 RVO könne auch nicht entsprechend angewendet werden. Sie regele nur die Kassenzuständigkeit im Falle einer Pflichtversicherung auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses, sie lasse jedoch keine formale freiwillige Mitgliedschaft entstehen und begründe weder eine eigenständige Versicherung noch diene sie der Lösung von Konkurrenzproblemen zwischen verschiedenen Versicherungen. Die Beklagte habe die mangels einer Mitgliedschaft ihr nicht zustehenden Beiträge dem Kläger auch zurückzuerstatten. Das LSG hat dahinstehen lassen, ob dies auf der Grundlage des ab 1. Juli 1977 in Kraft getretenen § 26 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - (SGB 4) oder noch unter Anwendung des schon zuvor im Krankenversicherungsrecht anerkannten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu geschehen habe. Dem Anspruch auf Rückerstattung der Beiträge könnten selbst bei bindend gewordenen Beitragsbescheiden weder Gründe der Rechtssicherheit noch das Argument entgegengehalten werden, daß ein abgeschlossenes, in der Vergangenheit liegendes Versicherungsverhältnis nicht rückwirkend umgestaltet werden dürfe. Denn mit Eintritt der Versicherungspflicht und Mitgliedschaft des Klägers bei der Pflichtkasse sei kraft Gesetzes eine "nicht abdingbare" Beitragspflicht und der Anspruch auf die gesetzlich vorgesehenen Leistungen begründet worden. Die zur Leistung nicht verpflichtete Beklagte habe gegenüber der zuständigen Kasse einen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Leistungen, wogegen sich diese nicht auf das Rückabwicklungsverbot berufen könne. Mit Rücksicht auf diese Ausgleichsmöglichkeit stehe die Tatsache, daß dem Kläger von der Beklagten Leistungen gewährt wurden, einer Beitragsrückerstattung nicht entgegen. Die Beiträge könne der Kläger in voller Höhe verlangen, da er sie allein getragen habe. Daß ein Anspruch auf Beitragszuschuß gegen den Arbeitgeber bestanden habe, ändere daran nichts. Hierbei handele es sich nur um das Zuführen einer gesetzlich vorgesehenen Leistung in das Vermögen des freiwillig Versicherten, die allein das Innenverhältnis zum Arbeitgeber betreffe.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision vertritt die Beklagte die Auffassung, daß die Beitragszahlungen für das Jahr 1976 nicht ohne Rechtsgrund erfolgt seien und deshalb ein Erstattungsanspruch ausscheide. Der Rechtsgrund für die Beitragszahlungen liege in der Formalmitgliedschaft gemäß §§ 213, 315 RVO. Die Versicherungspflicht bei der IKK verdränge diese Formalmitgliedschaft nicht. Selbst wenn die Bestimmungen dem Wortlaut nach auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar wären, müßten sie zumindest analog angewendet werden. Im übrigen seien nach § 26 Abs. 1 SGB 4 zu Unrecht entrichtete Beiträge nicht zu erstatten, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge bzw. für den Beitragszeitraum Leistungen erbracht habe. Das entspreche einem auch sonst in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, wonach eine rückwirkende Abwicklung in der Vergangenheit liegender Versicherungsverhältnisse zu vermeiden sei. Die Beklagte rügt außerdem, das LSG habe die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich der vom Arbeitgeber aufgebrachten Beitragszahlungen zu Unrecht angenommen. Das LSG habe ferner nicht geprüft, ob der Kläger überhaupt einen Schaden durch Zahlung der Pflichtbeiträge gehabt habe. Schließlich habe das LSG unzutreffend eine Verrechnung der dem Kläger gewährten Leistungen mit dem Beitragsrückerstattungsanspruch abgelehnt.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß), die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die seit dem 1. Januar 1976 wegen erloschener Mitgliedschaft zu Unrecht entrichteten Beiträge gegen Verrechnung der vom 1. Januar 1976 bis 8. Februar 1977 gewährten Leistungen zu erstatten.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen. Das LSG hat zu Recht den Anspruch des Klägers auf Erstattung der in dem streitigen Zeitraum an die Beklagte entrichteten Beiträge in vollem Umfang, d.h. ohne die noch vom SG gemachte Einschränkung der Verrechnung von Beiträgen und Leistungen, bejaht.
Unbegründet ist zunächst die Rüge der Beklagten, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation hinsichtlich der Rückforderung des vom Arbeitgeber aufgebrachten Beitragsteils. Als freiwillig Versicherter war der Kläger allein zur Entrichtung der Beiträge verpflichtet (nach § 381 Abs. 3 Satz 1 RVO hatte er die Beiträge "allein zu tragen". Er allein ist daher auch Inhaber des Erstattungsanspruchs; das gilt jedenfalls nach dem - hier noch anzuwendenden alten - Recht, das bis zum Inkrafttreten des SGB 4 am 1. Juli 1977 galt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 46. Nachtrag, S. 376c; zum neuen Recht vgl. Brackmann aaO S. 377 und v. Maydell in GK-SGB 4 § 26 Rz. 15 f.). Der vom Arbeitgeber gemäß § 405 RVO gezahlte Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag ist anders als der Arbeitgeberanteil beim Pflichtversicherungsbeitrag - kein Bestandteil des vom Versicherten an die Krankenkasse im "Außenverhältnis" zu entrichtenden Beitrags, sondern betrifft nur das "Innenverhältnis" des Angestellten gegenüber seinem zuschußpflichtigen Arbeitgeber.
Ebensowenig greift der Einwand der Beklagten durch, ein Schaden des Klägers sei nicht nachgewiesen. Für einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge genügt es, daß sie ohne Rechtsgrund entrichtet worden sind; der Anspruch setzt nicht voraus, daß dem Kläger außerdem durch einen Rückgriff des - nachträglich anstelle des Klägers beitragspflichtig gewordenen - Arbeitgebers und damit im Ergebnis durch doppelte Beitragszahlung ein Schaden entstanden ist oder droht.
Dem LSG ist auch insoweit zu folgen, als es für den streitigen Zeitraum das Bestehen einer Formalversicherung nach § 213 RVO bzw. das Fortbestehen einer Mitgliedschaft nach § 315 RVO verneint hat. § 213 RVO betrifft nur Personen, die in dem fraglichen Zeitraum weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt gewesen sind. Beim Kläger ist ab 1. Januar 1976 Versicherungspflicht bei der IKK F… eingetreten, neben der kein Raum mehr für eine Formalversicherung bei der Beklagten war. Auch § 315 RVO kann hier nicht Platz greifen. Diese Vorschrift gilt nur für Fälle, in denen sich nachträglich herausstellt, daß für einen vorschriftsmäßig angemeldeten Versicherungspflichtigen eine andere Pflichtkasse zuständig ist. Zwar hatte das frühere RVA in einem Urteil vom 12. April 1915 (EuM 7, 119) zunächst die Ansicht vertreten, daß auch die Anmeldung eines - später versicherungspflichtig gewordenen - Versicherungsberechtigten die Anwendung des § 315 RVO rechtfertigen könne. Diese Auffassung hat das RVA aber später wieder aufgegeben und entschieden, daß Versicherungsberechtigte durch Anmeldung und Beitragszahlung bei einer unzuständigen Kasse die Mitgliedschaft nach § 315 RVO nicht erlangen (GE Nr. 4955 vom 15. Februar 1936 - AN 1936 IV S. 111 - und GE Nr. 5460 vom 18. Dezember 1941 - AN 1942 II S. 108).
Da für den Kläger somit die Rechtswirkungen der §§ 213 und 315 RVO nicht eintreten konnten, entfiel für ihn ab 1. Januar 1976 auch ein Rechtsgrund für die - irrtümlich - an die Beklagte entrichteten Beiträge, so daß diese nach den hier noch anzuwendenden Regeln des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu erstatten sind. Dem steht nicht entgegen, daß die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge nach erfolgter Gewährung von Leistungen Einschränkungen unterliegt, wie es nunmehr in § 26 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB 4 für alle Bereiche der Sozialversicherung ausdrücklich vorgeschrieben ist. Hiernach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge nicht zu erstatten, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Dieser Regelung liegt zwar das im Sozialversicherungsrecht seit jeher geltende Prinzip zugrunde, daß ein abgeschlossen in der Vergangenheit liegendes Versicherungsverhältnis nicht rückwirkend umgestaltet werden darf (vgl. hierzu BSG SozR 2600 § 121 Nr. 2). Dieses Prinzip hat aber im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gerade in den Vorschriften der §§ 213 und 315 RVO eine besondere Ausgestaltung erfahren, aus der die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des § 26 SGB 4 gefolgert hat, daß es sich insoweit um eine abschließende, keiner Erweiterung fähige Regelung handele. So hat auch das Bundessozialgericht (BSG) - wie schon das RVA in den genannten Entscheidungen von und 1936 1941 - in einem (allerdings nicht die genannten Vorschriften betreffenden) Fall von zu Unrecht entrichteten Beiträgen die nachträgliche Korrektur sowohl der Beiträge als auch der etwa bereits gewährten Leistungen für zulässig und geboten gehalten (BSGE 26, 120, 123). Der Senat sieht keine Veranlassung, im vorliegenden, noch nach altem Recht zu entscheidenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Ob bei Anwendung des neuen Rechts § 26 Abs. 1 SGB 4 der Beitragserstattung entgegenstehen würde, läßt der Senat als nicht entscheidungserheblich offen. Er hält aber den Hinweis für angezeigt, daß die am 1. Juli 1983 in Kraft getretene Vorschrift des § 105 Abs. 1 SGB 10 die Erstattung der von dem unzuständigen Versicherungsträger erbrachten Leistungen durch den zuständigen Versicherungsträger vorsieht. Dies wirft die Frage auf, ob nach durchgeführter Abwicklung auf der Leistungsseite überhaupt noch von "erbrachten" Leistungen i.S. des § 26 Abs. 1 SGB 4 gesprochen werden kann (vgl. dazu auch Hauck/Haines SGB 4, K § 26, Rz. 12). Ob und inwieweit auch im vorliegenden, noch nach altem Recht zu beurteilenden Fall der Beklagten die von ihr dem Kläger gewährten Leistungen von der an sich zuständig gewesenen IKK zu erstatten sind (zur Ersatzpflicht der zuständigen Krankenkasse vgl. die schon genannte Entscheidung des RVA vom 18. Dezember 1941 aaO am Ende), ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits; eine "Verrechnung" der Leistungen gegenüber dem Beitragserstattungsanspruch des Klägers kommt jedenfalls nicht in Betracht, wie das LSG auch insoweit zutreffend entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen