Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsunfallversicherung. auf mehrere Arbeitsschichten verteilte Gewalteinwirkungen
Leitsatz (amtlich)
Wird ein gegen Unfälle im Ausland Versicherter bei der Erfüllung seiner betrieblichen Aufgaben von ausländischen Behörden verhaftet, die ihm zu Unrecht subversive Tätigkeiten vorwerfen, und kommt er durch ihm in der Haft zugefügte - einmalige oder wiederholte - Verletzungen zu Tode, sind seine Hinterbliebenen vom Träger der Auslandsunfallversicherung zu entschädigen.
Orientierungssatz
1. Unfälle iS der Auslandsunfallversicherung sind, wie sich aus der Subsidiarität des § 762 RVO gegenüber den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt, die von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckten Tatbestände. Der Schutz des § 762 Abs 2 RVO hängt somit von den Voraussetzungen des Arbeitsunfalls iS von § 548 Abs 1 S 1 RVO oder eines der hierzu geschaffenen Ersatztatbestände ab.
2. Der Schutz der Unfallversicherung im Ausland kann sinnvollerweise nicht davon abhängig gemacht werden, daß es sich um Gefahren handelt, die gerade für das Land typisch sind, in dem der Versicherte zu Schaden gekommen ist.
3. Die Gesamtheit der auf mehrere Arbeitsschichten verteilten Gewalteinwirkungen ist kein Unfall im Rechtssinne (vgl BSG 1969-10-31 2 RU 15/69 = SozR Nr 14 zu § 548 RVO und BSG 1973-11-29 8/2 RU 189/71 = SozR Nr 1 zu § 838 RVO). Hebt sich jedoch dabei eine einzelne Gewalteinwirkung aus der Gesamtheit derart hervor, daß sie nicht nur als die letzte von mehreren für den Erfolg gleichwertigen Einwirkungen erscheint, so ist diese Gewalteinwirkung ein Unfall iS der gesetzlichen Unfallversicherung.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 762 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.03.1978; Aktenzeichen L 2 Ua 1296/74) |
SG Ulm (Entscheidung vom 15.08.1974; Aktenzeichen S 8 U 1549/71) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Witwe des Versicherten H S (S) Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.
Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Guinea hatten 1966 vereinbart, in Kankan (Guinea) eine Ausbildungsstätte für Metall- und Holzberufe zu errichten und zu betreiben. Die Bundesrepublik Deutschland hatte bereits 1964 Aufbau und Durchführung dieses Projekts dem Christlichen Jugenddorfwerk (CJD), einem nicht als Träger der Entwicklungshilfe anerkannten gemeinnützigen eingetragenen Verein (eV) zur Durchführung in eigener Verantwortung vertraglich übertragen. Als deutscher Direktor, der nach den deutsch-guineischen Vereinbarungen neben dem für die Verwaltung und den Kontakt mit den guineischen Behörden zuständigen guineischen Direktor für die theoretische und praktische technische Ausbildung sowie für den Lehrkörper zuständig sein sollte, wurde 1965 auf Wunsch des guineischen Präsidenten Sekou Toure der bereits beim CJD tätige S vorgesehen. Als er seine Tätigkeit Ende 1966 aufnahm, meldete ihn das CJD zu der gemäß § 762 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von der Beklagten errichteten freiwilligen Auslandsversicherung.
Die Beschäftigung in Kankan, einem im Inneren Guineas gelegenen Ort, brachte Reisen des S in die Landeshauptstadt Conakry mit sich, wo er Besprechungen mit der deutschen Botschaft und den guineischen Behörden, insbesondere mit dem guineischen Erziehungsministerium zu führen hatte. Hierdurch wurde er schließlich mit zahlreichen Persönlichkeiten des Landes, auch mit Regierungsmitgliedern, gut bekannt. Als guineische Stellen eine drastische Erhöhung der Schülerzahl in Kankan über das vertraglich vereinbarte Ausmaß hinaus durchsetzen und dem Ausbildungszentrum vertraglich nicht vorgesehene Aufgaben übertragen wollten, entstanden Differenzen zwischen S und dem guineischen Erziehungsminister. Im Verlauf des Jahres 1970 kam es zu einer Verschlechterung des politischen Klimas zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Guinea. Als am 22. November 1970 Exilguineer mit portugiesischer Hilfe bei Conakry eine Invasion versuchten, beschuldigte die guineische Regierung die Bundesrepublik Deutschland der Verbindung hiermit und der subversiven Tätigkeit im Lande. Am 21. Dezember 1970 forderte der Präsident Sekou Toure, den deutschen Botschafter wegen Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung dieser Aggression gegen Guinea abzuberufen; am 29. Dezember 1970 brach Guinea die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland ab.
In dieser gespannten Situation kam S am 15. Dezember 1970 nach Conakry. Am 16. und 17. Dezember 1970 führte er Gespräche mit der deutschen Botschaft, einer für Gütertransporte nach Kankan in Frage kommenden deutschen Militärischen Stelle und den guineischen Zollbehörden. Zu den beabsichtigten Verhandlungen im Erziehungsministerium kam S nicht mehr, weil er am 18. Dezember 1970 von den guineischen Behörden unter der persönlichen Leitung Ismael Toures, eines Bruders des Präsidenten, verhaftet wurde. Laut Rundfunkerklärung des guineischen Revolutionsausschusses vom 31. Dezember 1970 wurde S beschuldigt, zusammen mit einem bei der Invasion ums Leben gekommenen anderen Deutschen (G von T) als führende Kraft deutscher Stellen in die Invasion verwickelt gewesen zu sein, einen politischen Umsturz im Lande vorbereitet und eine "fünfte Kolonne" der Bundesrepublik Deutschland in Guinea aufgebaut zu haben. In einem groß angelegten Prozeß gegen zahlreiche Guineer und Ausländer wurde die Vorführung der Beschuldigten durch die Ausstellung von Bildern ersetzt. Dabei war das Bild des S - anders als die übrigen Bilder - nicht nach der Verhaftung aufgenommen worden, sondern stammte aus früherer Zeit. Unter den auf Tonband gesprochenen und abgespielten sogenannten Geständnissen der Beschuldigten fehlte das des S. Am 19. Januar 1971 teilte der als Ankläger auftretende Ismael Toures mit, "unter der Last seines Gewissens und der Beweise" habe S Selbstmord begangen. Seine Leiche wurde nicht freigegeben; sein Tod ist vom Standesamt I in Berlin-West für die Zeit zwischen dem 17. Dezember 1970 und dem 19. Januar 1971 in Guinea/Afrika beurkundet.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 1971 verweigerte die Beklagte der Klägerin die Witwenrente: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des S und seinem Tode könne nicht festgestellt werden, weil die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seinem privaten Bereich zuzurechnen seien. Mit Urteil vom 15. August 1974 hat das Sozialgericht (SG) Ulm die Beklagte unter Aufhebung dieses Bescheides verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. S sei wahrscheinlich durch die Behandlung während der Haft zu Tode gekommen; insoweit sei er von der freiwilligen Auslandsversicherung geschützt gewesen, die auch die Gefahren aus den politischen Gegebenheiten des Landes umfaßt habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Zeugen L und M vernommen, sodann mit Urteil vom 15. März 1978 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob S überhaupt einen Unfall im Sinne des Gesetzes erlitten habe. Selbst wenn man das annehme, sei nämlich der wesentliche ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und somit ein von der Auslandsversicherung geschützter Arbeitsunfall nicht wahrscheinlich. Denn die Vorwürfe gegen S seien nicht wegen seiner beruflichen Tätigkeit erhoben worden. Er sei vielmehr verhaftet worden, weil er zu denjenigen Deutschen gehört habe, die am längsten in Guinea waren und dort eine gesellschaftliche Stellung mit Verbindung zu hohen und höchsten Stellen erreicht hatten. Gegenüber diesen politisch motivierten Verhaftungsgründen aus dem privaten Bereich, die wahrscheinlich auch zum Tode des S geführt hätten, trete die berufliche Tätigkeit des S so weit zurück, daß sie nicht als Mitursache der Verhaftung angesehen werden könne, zumal es sich bei den politischen Vorgängen in Guinea nicht um eine für dieses Land typische Leben und Gesundheit bedrohende Gefahr gehandelt habe, deren Risiko der Beklagten daher nicht aufzubürden sei.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil nach Zulassung der Revision durch Beschluß des Senats vom 25. Januar 1979 Revision eingelegt. Sie erblickt einen Verfahrensverstoß darin, daß das LSG ihrem Beweisantrag nicht gefolgt sei, den Zeugen W G und dessen Ehefrau zu vernehmen. Materiell seien die §§ 548 und 762 Abs 2 RVO verletzt. Der Rechtsauffassung des LSG zum Versicherungsschutz gegen politische Gefahren könne nicht gefolgt werden; entschädigungspflichtig seien auch Verletzungen, die ein Versicherter im Ausland durch politische Unruhen, Rassenkrawalle, Fremdenverfolgungen uä erleide, es sei denn, daß er die Gefahr provoziert oder sich ihr durch betrieblich nicht notwendiges Verweilen am Krisenort ausgesetzt habe. Das treffe aber nach den Feststellungen des LSG auf S nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg vom 15. März 1978 die Berufung
der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Ulm vom 15. August 1974 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die beigeladene Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG ist zurückzuweisen. Der Klägerin steht die Witwenrente zu.
Die Verfahrensrüge, das LSG hätte antragsgemäß W G und dessen Ehefrau als Zeugen vernehmen müssen, geht fehl. Denn das Beweisthema, wann und wo die Zeugen S letztmals lebend sahen, war für die vom LSG verneinte Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Tod des S und seiner beruflichen Tätigkeit unerheblich.
Zutreffend rügt jedoch die Revision eine Verletzung des § 548 RVO.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente ist weder § 539 Abs 1 Nr 1 RVO iVm den Grundsätzen über die Ausstrahlung eines inländischen Betriebes ins Ausland (vgl dazu BSGE 40, 57 sowie § 4 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - -SGB 4-) noch § 539 Abs 1 Nr 16 RVO, sondern § 762 Abs 2 iVm § 548 RVO. Die Beschäftigung des S beim CJD im Ausland war nämlich weder durch ihre Eigenart noch vertraglich auf den Zeitraum von zwei Jahren oder einen anderen Zeitraum begrenzt. S erfüllte auch nicht die Voraussetzungen des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes -EhfG- vom 18. Juni 1969 (BGBl I S 549). Denn er war in Guinea nicht, wie es diese Bestimmung verlangt, ohne Erwerbsabsicht tätig.
Unfälle iS der Auslandsunfallversicherung sind, wie sich aus der Subsidiarität des § 762 RVO gegenüber den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt, die von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckten Tatbestände (vgl Lauterbach, Unfallversicherung, Stand April 1980, § 762 Anm 9b). Der Schutz des § 762 Abs 2 RVO hängt somit von den Voraussetzungen des Arbeitsunfalls iS von § 548 Abs 1 Satz 1 RVO oder eines der hierzu geschaffenen Ersatztatbestände ab. Einen Arbeitsunfall in diesem Sinne hat das LSG rechtsirrig verneint.
Das LSG hat zum Begriff des Arbeitsunfalls zu a) in seinen Entscheidungsgründen Ausführungen gemacht, die rechtlich nicht zu beanstanden sind. Zu c) der Entscheidungsgründe ist es davon ausgegangen, das S an den Folgen der während der Inhaftierung erlittenen Mißhandlungen oder infolge vorsätzlicher Tötung verstorben ist und weder sich selbst getötet hat noch allein infolge der Auswirkung einer inneren Erkrankung verstorben ist. Das LSG hat aber gemeint, diesen Sachverhalt nicht unter den Begriff des Unfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung subsumieren zu müssen, weil jedenfalls der wesentliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Inhaftierung - und damit auch der Behandlung dort - und der versicherten Tätigkeit fehle.
Die Rechtsfragen, ob der Begriff des Unfalls erfüllt ist und ob es sich dabei um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, sind aufgrund der Feststellungen des LSG, an die das BSG gem § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebunden ist, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugänglich.
Ein Unfall ist nach ständiger Rechtsprechung das von außen auf den Menschen einwirkende gesundheitlich schädigende, plötzliche, höchstens auf eine Arbeitsschicht begrenzte schädigende Ereignis (vgl hierzu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand April 1980, S 479 ff mwN). Die Gesamtheit der auf mehrere Arbeitsschichten verteilten Gewalteinwirkungen ist deshalb kein Unfall im Rechtssinne (vgl hierzu BSG SozR Nr 14 zu § 548 RVO und Nr 1 zu § 838 RVO). Hebt sich jedoch dabei eine einzelne Gewalteinwirkung aus der Gesamtheit derart hervor, daß sie nicht nur als die letzte von mehreren für den Erfolg gleichwertigen Einwirkungen erscheint, so ist diese Gewalteinwirkung ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Letzteres ist nur dann rechtserheblich, wenn S nicht infolge vorsätzlicher Tötung, sondern an den Folgen der während der Inhaftierung - möglicherweise mehrfach und auf mehrere Tage verteilt - erlittenen Mißhandlungen verstorben ist, wie das LSG als Alternative zur vorsätzlichen Tötung festgestellt hat. Dann ist diejenige Mißhandlung, welche die dem S nach den vorangegangenen Verletzungen noch verbliebene Lebenskraft völlig aufgebraucht hat, die für seinen Tod wesentliche von außen auf ihn einwirkende plötzliche gesundheitliche Schädigung und damit der Unfall im Rechtssinne.
Sowohl der Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis (haftungsbegründende Kausalität) als auch der Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Körperschädigung (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Kausalitätsnorm zu entscheiden. Insoweit handelt es sich nicht um Beweiswürdigung, sondern um Rechtsanwendung (vgl BSGE 7, 288, 291 = SozR Nr 106 zu § 162 SGG). Entscheidend für den Anspruch der Klägerin ist die Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität. Sie setzt voraus, daß das schädigende Ereignis nicht nur in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung des S, sondern darüber hinaus auch in rechtlich-wesentlichem inneren Zusammenhang mit ihr eingetreten ist (vgl Brackmann, aaO, S 480q II). Der Verletzte muß der Gefahr, der er erlegen ist, durch seine Arbeit ausgesetzt gewesen sein (Lauterbach, aaO, § 548 Anm 8). Dabei genügt es, daß die betriebliche Bedingung des Unfalls zu seiner Entstehung nach der Auffassung des praktischen Lebens wesentlich mitgewirkt hat (vgl BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 246; 38, 127, 129). Weiter genügt es, daß der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich ist, daß also bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; SozR 2200 § 548 Nr 38).
Weitere Beurteilungsgrundlage ist die ständige Rechtsprechung des BSG zum Unfallversicherungsschutz auf Dienstreisen im Ausland (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 548 Nrn 7 und 33). Danach besteht der Unfallversicherungsschutz nicht schon deshalb, weil sich der Reisende im dienstlichen oder betrieblichen Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- oder Wohnorts aufhält und bewegen muß; es kommt vielmehr darauf an, ob die Betätigung, bei der der Unfall eintritt, mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt. An einem auswärtigen Beschäftigungs- oder Aufenthaltsort wird ein solcher Zusammenhang allerdings in der Regel eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort. Er entfällt zwar, wenn und soweit sich der Reisende unterwegs rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr beeinflußten Belangen widmet, ist andererseits aber auch dann zu bejahen, wenn sich der Unfall bei einer dem persönlichen Lebensbereich zugehörenden Tätigkeit ereignet, jedoch einer besonderen dem Aufenthaltsort eigentümlichen Gefahrenquelle entspringt.
Für die Entscheidung gewinnen demnach die Feststellungen des LSG Bedeutung, die zum Zusammenhang der Verhaftung des S mit seinem betrieblichen Aufgabenbereich getroffen worden sind. Das LSG hat festgestellt, daß S, der schon vor der Betrauung mit der Direktorenstellung des Ausbildungszentrums in Kankan für das CJD tätig war, auf Wunsch des guineischen Staatspräsidenten für diese Position ausgewählt wurde. Weiter hat das LSG festgestellt, daß S durch die Tätigkeit als Direktor des Jugenddorfes in Kankan seine Kontakte zu den guineischen Behörden, insbesondere zum guineischen Erziehungsministerium, intensivierte und mit Regierungsmitgliedern, auch mit dem Präsidenten Sekou Toure, gut bekannt war. Diese Beziehungen - namentlich zum Erziehungsministerium - verschlechterten sich zunächst dadurch, daß die guineischen Stellen über das vertraglich vorgesehene Ausmaß hinaus eine drastische Erhöhung der Schülerzahl in Kankan durchzusetzen und außerdem dem Ausbildungszentrum vertraglich nicht vorgesehene Zielsetzungen zu übertragen versuchten, während S diesen Bestrebungen entgegentrat. Weiter hat das LSG festgestellt, daß S am 15. Dezember 1970 nach Conakry gekommen war, dort am 16. und 17. Dezember 1970 mit verschiedenen Stellen über Gütertransporte nach Kankan gesprochen hatte und noch Verhandlungen im Erziehungsministerium beabsichtigte, als er am frühen Morgen des 18. Dezembers 1970 von den guineischen Behörden unter der persönlichen Leitung Ismael Toures verhaftet wurde. Zum Anlaß der Verhaftung und des bis zum Tode des S andauernden Freiheitsentzuges hat das LSG festgestellt, es sei S zu Unrecht eine Beteiligung an den der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der erfolglosen Invasion vom 22. November 1970 von Guinea nachgesagten Staatsstreichvorbereitungen vorgeworfen worden. Seine Verhaftung habe nicht erkennbar mit der beruflichen, sondern mit der allgemeinen gesellschaftlichen Stellung zusammengehangen. S habe zu denjenigen Deutschen gehört, die am längsten im Lande waren; durch seine Beschäftigung habe er Verbindung zu hohen und höchsten Stellen gehabt. Deshalb sei er der guineischen Regierung als ein besonders geeignetes Objekt zur Demonstration ihrer Macht erschienen, obwohl ihm ein Mißbrauch seiner beruflichen Stellung zu subversiver Tätigkeit nicht vorgeworfen worden sei.
Zur Verhaftung des S ist es somit aus zwei Gründen gekommen. Einmal kam es der guineischen Regierung darauf an, mit S einen Deutschen in Haft zu nehmen, der durch seine langjährige Arbeit im Lande sowie durch seine Beziehungen zu hohen und höchsten Stellen eine herausgehobene Gesellschaftliche Stellung erlangt hatte. Hinzu kam, daß S während der Verhaftungswelle nach dem mißglückten Invasionsversuch in Guinea in der Landeshauptstadt Conakry mit den guineischen Behörden verhandelte und deshalb ihrem Zugriff in besonderem Maße ausgesetzt war. Sowohl die gesellschaftliche Stellung des S in Guinea als auch sein Aufenthalt in Conakry am Tage seiner Verhaftung waren aber im wesentlichen betrieblich bedingt. Denn ohne seinen betrieblichen Auftrag hätte S seine möglicherweise schon früher geknüpften Verbindungen zu den guineischen Behörden nicht zu der ihnen von diesen beigemessenen Bedeutung vertiefen können und ohne die vom LSG festgestellten betrieblichen Anlässe wäre S am 18. Dezember 1970 nicht zu Verhandlungen mit den guineischen Behörden in der Hauptstadt anwesend und somit deren Zugriff in besonderem Maße ausgesetzt gewesen. Seine Inhaftierung und der während der Inhaftierung herbeigeführte Tod standen deshalb in rechtlichem wesentlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung, zumal das LSG ausdrücklich festgestellt hat, dem S sei zu Unrecht vorgeworfen worden, Hauptträger der der Bundesrepublik Deutschland nachgesagten Staatsstreichvorbereitungen gewesen zu sein. Denn aufgrund dieser Feststellung ist ausgeschlossen, daß sich S etwa unabhängig von seinen betrieblichen Belangen persönlich damit befaßt haben könnte, Unternehmungen gegen die guineische Regierung durchzuführen oder zu unterstützen.
Der Auffassung des LSG, der Schutz des S durch die Auslandsunfallversicherung scheitere daran, daß es sich in der Gefahr, der er zum Opfer gefallen sei, nicht um eine gerade für Guinea typische Leben und Gesundheit bedrohende Gefahr gehandelt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Gerade bei der relativ jungen, aus Kolonialgebieten entstandenen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent sind gewaltsame Versuche einer Änderung der bestehenden Staatsverwaltung und Staatsregierung vermehrt zu beobachten. Das gewaltsame Staatsstreiche regelmäßig - auch in anderen Ländern - auf das Leben der regierenden Personen ebenso zielen, wie diese den oppositionellen Kräften nach dem Leben trachten, ist keine besondere Eigenart der Verhältnisse in Guinea. Dies ändert jedoch nichts daran, daß im Dezember 1970 die Verhältnisse in Guinea durch Gefahren dieser Art gekennzeichnet waren. Der Schutz der Unfallversicherung im Ausland gegen solche Gefahren kann sinnvollerweise nicht davon abhängig gemacht werden, daß es sich um Gefahren handelt, die gerade für das Land typisch sind, in dem der Versicherte zu Schaden gekommen ist.
Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, die abhängig Beschäftigten und gegebenenfalls auch die Unternehmer selbst vor den wirtschaftlichen Nachteilen der Gefahren zu schützen, welche ihnen bei ihrer betrieblichen Tätigkeit drohen und begegnen. Diese Gefahren müssen weder für den einzelnen Betrieb, noch für den geographischen Bereich besonders typisch sein, in denen sich die betrieblichen Vorgänge vollziehen. Es genügt vielmehr, daß der Betrieb, in dessen Interesse der Versicherte tätig wird, der Anlaß dafür ist, daß er in einen Lebensbereich gerät, in dem entweder die Gefahr, der er später erliegt, schon vorhanden ist oder aber während seines Aufenthalts dort entsteht (vgl hierzu: Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamtes 1915 S 471 Nr 2798). Erstreckt sich nämlich das Weisungsrecht des Unternehmers gegenüber dem Beschäftigten darauf, daß er auch den Ort der Arbeit bestimmen kann, ist es gerechtfertigt, unter dem die Unfallversicherung bestimmenden Gesichtspunkt der Ablösung der Unternehmerhaftung grundsätzlich die am Ort der Arbeit vorhandenen oder im Verlaufe der Beschäftigung entstehenden Gefahren für ebenfalls versichert zu erklären. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann nur dann gelten, wenn nicht eine betriebliche, sondern eine rein private Verrichtung des Versicherten die wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Unfall dadurch wesentlich mitverursacht worden ist, daß der Versicherte aus betrieblichen Gründen einen gefährdeten Bereich aufsuchen oder in einem zuvor von ihm aufgesuchten Bereich auch nach Eintritt der Gefahr verbleiben mußte, der er später erlegen ist.
Wie das LSG festgestellt hat, sind die Vorwürfe der guineischen Stellen gegen S zu Unrecht erhoben worden. Weiter hat nach den Feststellungen des LSG die Gefahr der Verhaftung, Mißhandlung und vorsätzliche Tötung nicht allgemein in Guinea bestanden, sondern nur für Deutsche - und für sonstige dem dortigen Regime unliebsame Ausländer - mit gesellschaftlich besonders herausgehobener Stellung. Auch unter dem Gesichtspunkt der selbstgeschaffenen Gefahr und mit dem Hinweis auf den Ausschluß allgemein wirkender Gefahren vom Unfallversicherungsschutz kann deshalb der Anspruch der Klägerin nicht in Zweifel gezogen werden.
In gleicher Weise hat das BSG im Urteil vom 2. Juni 1959 - 2 RU 221/76 - (SozR Nr 15 zu § 543 aF RVO) bereits den auf politischen Ausschreitungen beruhenden Unfall eines deutschen Arbeitnehmers in der Tschechoslowakei auf dem Weg von der Arbeit zur Wohnung beurteilt. Auch hier ist der für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche ursächliche innere Zusammenhang zwischen dem Heimweg und der Beschäftigung darin erblickt worden, daß der Versicherte wegen seiner Beschäftigung zwangsläufig zur kritischen Zeit am Unfallort anwesend war. Auch in jedem Fall hat es sich nicht um eine für die Tschechoslowakei typische Leben und Gesundheit bedrohende Gefahr gehandelt, weil ähnliche Gefahren für deutsche Staatsbürger nach Kriegsende im Jahre 1945 in nahezu allen während des Krieges von Deutschland besetzten Ländern bestanden. Der politische Ursprung einer Gefahr, der sicherlich ein außerhalb von Beschäftigungsverhältnissen liegendes Moment ist, das geeignet erscheint, den Schutz der Unfallversicherung zu verneinen, ist jedenfalls dann zum Ausschluß von der Versicherung nicht geeignet, wenn die betriebliche Beschäftigung oder der betriebliche Weg den Versicherten in diesen Gefahrenbereich geführt hat. Entsprechendes gilt auch für Unfälle infolge von Kriegshandlungen (vgl hierzu Lauterbach aaO § 548 Anm 37 und 37a sowie § 541 Nr 2 RVO und § 3 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen