Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Leistungsklage zunächst auf § 105 SGB 10, dann aber auf andere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen gestützt, ist mit Ausnahme des Amtshaftungsanspruchs auch hierfür der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.
2. Auch wenn die Fristversäumnis mit der Folge des Untergangs des Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse nach § 111 SGB 10 darauf beruht, daß eine an sich leistungspflichtige Berufsgenossenschaft Informationspflichten verletzt hatte, sind anderweitige Ausgleichsansprüche ausgeschlossen.
Stand: 10. Juli 2000
Beteiligte
Bergbau-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. August 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von DM 18.432,03. Sie hatte diesen Betrag (für stationäre Krankenhausbehandlung, häusliche Krankenpflege, Toilettenhilfe sowie Sterbegeld) für ihren Versicherten aufgewendet, bei dem im Mai 1993 ein Bronchialkarzinom festgestellt worden war; diese Krankheit führte am 28. September 1993 zum Tode des Versicherten. Die Beklagte hatte aufgrund einer am 13. Juli 1993 eingegangenen ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit (BK) ein Feststellungsverfahren eingeleitet und mit Bescheid vom 21. Juli 1995 das Bronchialkarzinom und den Tod des Versicherten als Folgen einer BK nach Nr 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anerkannt.
Entgegen Punkt 4.3 Abs 1 Satz 1 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenversicherung und Unfallversicherung vom 30. November 1990 informierte die Beklagte die Klägerin erst mit Schreiben vom 16. Mai 1995 von der Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der BK. Die daraufhin am 7. Juni 1995 von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsforderung lehnte die Beklagte ab: Die Ausschlußfrist nach § 111 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei abgelaufen. Zudem sei auch der Klägerin der Entlassungsbericht der Klinik vom 20. Juli 1993 übermittelt worden, in dem der Verdacht auf eine berufsbedingte Lungenkrebserkrankung ihres Versicherten geäußert worden sei.
Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat die Leistungsklage der Klägerin mit Urteil vom 20. Mai 1996 abgewiesen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat mit Urteil vom 11. August 1998 die Berufung zurückgewiesen: Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sei der „zulässigerweise” geltend gemachte Erstattungsanspruch, der allein auf § 105 SGB X gestützt werden könne. Wegen der anerkannten BK habe eine Leistungspflicht der Klägerin nach § 11 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von Anfang an nicht bestanden. Der Erstattungsanspruch sei wegen des Ablaufs der Frist von zwölf Monaten nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Maßgeblich für den Beginn der Frist sei allein der Zeitpunkt, zu dem die Leistungen von der Klägerin erbracht worden seien. Auf den Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die BK durch Bescheid festgestellt oder zu dem die Klägerin wenigstens von der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Feststellung einer BK Kenntnis erlangt habe, komme es nicht an. Der Verstoß gegen Punkt 4.3 Abs 1 Satz 1 des Gemeinsamen Rundschreibens vom 30. November 1990, womit das Gebot zur engen Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger (§ 86 SGB X) lediglich konkretisiert worden sei, vermöge – auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs – den Klageanspruch nicht zu begründen. Die Beklagte könne sich auf § 111 SGB X berufen, ohne gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu verstoßen.
Mit der Revision rügt die Klägerin hauptsächlich eine Verletzung des Gebots zur Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) und des § 12 Abs 2 SGB X, da sie nicht zum Verwaltungsverfahren zur Feststellung der BK hinzugezogen worden sei. Beide Vorschriften sähen zwar keine Sanktionen vor, doch ergebe sich ein „Schadensersatzanspruch” aus der Verletzung von Nebenpflichten unter Rückgriff auf zivilrechtliche Grundsätze. Entgegen der Ansicht des LSG sei hierfür der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihr DM 18.432,03 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Schadensersatzbegehren sei eine unzulässige Klageänderung. Im übrigen könnten auch aus einer Verletzung der genannten Normen keine Schadensersatzansprüche hergeleitet werden. Dieses Verhalten sei ihr nicht vorzuwerfen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist auch für die geltend gemachten „Schadensersatzansprüche” eröffnet. Nach § 17 Abs 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) idF des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl I 2809) entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs (dh das primär für Erstattungsansprüche nach dem SGB X zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit, vgl § 114 SGB X iVm § 51 Abs 1 SGG und § 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ≪SGB I≫) den Rechtsstreit unter allen (auch sekundär) in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten, sofern wie hier ein Klagebegehren (Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages) vor dem Hintergrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts (verspätete Anmeldung von Erstattungsansprüchen wegen fehlender Information über die Einleitung eines BK-Verfahrens) vorliegt. Nach § 17 Abs 2 Satz 2 GVG (speziell für den Verwaltungsgerichtsprozeß: § 40 Abs 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫) besteht nur eine Ausnahme: Für Amtshaftungsansprüche im engeren Sinne (Art 14 Abs 3 Satz 4 GG, Art 34 Satz 3 GG, §§ 839 ff BGB) bleibt es beim Rechtsweg zu den Zivilgerichten.
Der Senat vermag deshalb, insbesondere unter Berücksichtigung des § 17 Abs 2 Satz 1 GVG, der Meinung des LSG nicht zu folgen, das im Berufungsverfahren die Geltendmachung der „Schadensersatzansprüche” als Klageänderung iS des § 99 Abs 1 und 2 SGG angesehen und diese nicht für sachdienlich erachtet hat, zumal auch die Gegenseite nicht eingewilligt habe. Verfahrensrechtlich lag insoweit keine Klageänderung vor, denn die Klage blieb darauf gerichtet, die Beklagte zur Zahlung eines Geldbetrages auf der Grundlage eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu verurteilen. Vielmehr hat die Klägerin lediglich ihre rechtlichen Ausführungen ergänzt und weitere mögliche Anspruchsgrundlagen vorgetragen, die das LSG ohnehin von Amts wegen zu prüfen hatte. Dies ist aber keine Klageänderung, worauf klarstellend § 99 Abs 3 Nr 1 SGG hinweist. Nichts anderes gilt für das Revisionsverfahren. Der Senat prüft nach § 170 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGG bei einer zulässigen Revision die Rechtsanwendung durch das LSG vollständig und umfassend. Er hat deshalb auch jene rechtlichen Gesichtspunkte zu würdigen, die das LSG aus seiner prozessualen Sicht bisher unerörtert ließ. § 17a Abs 5 GVG ist nicht einschlägig, denn das LSG hatte korrekt den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für den „primären” Erstattungsanspruch nach dem SGB X bejaht.
Zutreffend haben SG und LSG einen Erstattungsanspruch der Klägerin verneint. Er ist zwar nach § 105 SGB X Ende 1993 entstanden, jedoch mit dem Ablauf der materiellen Ausschlußfrist nach § 111 SGB X erloschen (1). Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus den sonstigen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (2).
Zu 1)
a) Die Klägerin hatte jedenfalls seit Ende 1993 einen (originären, vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 1. Dezember 1983, BSGE 56, 69, 71 = SozR 1300 Art 2 § 21 Nr 1; BT-Drucks 9/95 S 17) Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGB X gegenüber der Beklagten. Er ist mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen entstanden: In der Annahme der eigenen Zuständigkeit, mit der Absicht endgültig und nicht vorläufig iS des § 102 Abs 1 SGB X (zB wegen ungeklärter Zuständigkeit nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 SGB I) zu leisten sowie ohne Kenntnis der Verpflichtung der Beklagten (zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal BSG vom 17. Juli 1985, BSGE 58, 263, 273 f = SozR 2200 § 1237 Nr 20) hatte sie gegenüber dem Versicherten und seinen Rechtsnachfolgern im Jahre 1993 Leistungen mit einem Gesamtwert von DM 18.432,03 „erbracht”. Dafür ist ausreichend, daß die Leistungen nach den Feststellungen des LSG jedenfalls bis Ende 1993 dem Versicherten oder seinen Rechtsnachfolgern zugeflossen sind, sei es aufgrund der tatsächlichen Gewährung der Sachleistung „Krankenhausbehandlung” nach der Einweisung durch den behandelnden Arzt (dazu BSG vom 9. Juni 1998, BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5), sei es aufgrund von Einzelentscheidungen (Toilettenhilfe, Haushaltshilfe, Sterbegeld). Eine Fallgestaltung, bei der hinsichtlich des Zeitpunkts des „Erbringens” ggf weiter zu differenzieren wäre (zB bei nachträglicher Kostenzusage oder Bereitstellung der Leistung, jedoch ohne Bezahlung, dazu mwN BSG vom 23. Februar 1999, SozR 3-1300 § 111 Nr 7), liegt hier nicht vor.
Die Klägerin war nach § 11 Abs 4 SGB V für die erbrachten Leistungen – im Sinne einer materiellen Verpflichtung – von Anfang an der unzuständige Träger. Nur in der Zeit vor Inkrafttreten des Abs 4 aaO (1. Januar 1991) war sie dem Versicherten auch materiell zur Vorleistung verpflichtet (vgl Höfler in Kasseler Komm SGB V § 11 RdNr 11 mwN). Der Leistungsausschluß nach § 11 Abs 4 SGB V ist nicht nachträglich eingetreten, auch wenn das Anerkenntnis der BK erst mit Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 1995 erfolgte. Maßgeblich ist allein der Eintritt des Versicherungsfalles der BK, dh deren erstmalige Behandlungsbedürftigkeit am 27. Mai 1993 (§ 551 Abs 3 Satz 2 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ = § 9 Abs 5 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch ≪SGB VII≫), womit nach Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch die Ansprüche gegenüber der Beklagten auf stationäre Krankenhausbehandlung, Toilettenstuhl, häusliche Krankenpflege und Sterbegeld entstanden sind (vgl §§ 547, 557, 558, 589 Abs 1 Nr 1 RVO iVm § 40 Abs 1 SGB I). Der spätere Bescheid der Beklagten über die Anerkennung einer BK hatte lediglich deklaratorische Bedeutung. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG im Urteil vom 23. September 1997 (BSGE 81, 103, 106 = SozR 3-1300 § 105 Nr 4) an. Gemäß § 105 Abs 2 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den zuständigen Leistungsträger (die Beklagte) geltenden Rechtsvorschriften. Da sich im Recht der Unfallversicherung die Höhe des Sterbegeldes nach dem Jahresarbeitsverdienst richtet, hat das LSG den Erstattungsanspruch der Klägerin zutreffend mit DM 18.231,03 beziffert. Darauf hat das LSG zu Recht hingewiesen.
b) Dieser Erstattungsanspruch der Klägerin ist jedoch durch § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, weil die Klägerin ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend gemacht hat. Sämtliche Leistungen wurden bis Ende 1993 „erbracht”; zur gleichen Zeit war auch der Erstattungsanspruch entstanden (vgl § 111 Satz 2 SGB X). Die Klägerin hat ihn aber erst mit einem bei der Beklagten am 7. Juni 1995 eingegangenen Schreiben geltend gemacht, also nach Ablauf der Frist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist es für den Lauf der Frist unerheblich, ob der Krankenkasse das Bestehen des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X bekannt und sie überhaupt in der Lage war, ihn zu prüfen und geltend zu machen. Ebensowenig spielt es eine Rolle, wann die Berufsgenossenschaft die BK und deren Folgen mit Verwaltungsakt festgestellt und die Krankenkasse davon Kenntnis erhalten hat (BSG vom 25. April 1989, BSGE 65, 31 = SozR 1300 § 111 Nr 6; vom 19. März 1996, SozR 3-1300 § 111 Nr 4; vom 23. September 1997, BSGE 81, 103, 106 = SozR 3-1300 § 105 Nr 4 jeweils mwN).
Der Senat hält trotz der von Heimrich (DRV 1999, 130 ff) geäußerten Bedenken an dieser Rechtsprechung fest. Es handelt sich um eine materielle Ausschlußfrist, dh mit dem Ablauf der Frist, deren Beginn an ein leicht feststellbares Kriterium anknüpft – das Erbringen von Leistungen, für die objektiv ein Erstattungsanspruch besteht –, geht der Erstattungsanspruch unter. Hierfür bestehen nach den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens (BT-Drucks 9/95 S 26 zu § 117 des Entwurfs) und in Fortführung der Rechtsprechung des BSG (vom 25. April 1989, BSGE 65, 31 = SozR 1300 § 111 Nr 6; vom 19. März 1996, SozR 3-1300 § 111 Nr 4) vielfältige Gründe: Der Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X korrespondiert gesetzessystematisch mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs 1 SGB X, die auf das (objektive) „Bestehen” eines Erstattungsanspruchs abstellt. Wäre dieser Zeitpunkt variabel (weil von der späteren Bescheiderteilung des zuständigen Trägers oder der Kenntnisnahme des unzuständigen Trägers abhängig), wäre die Rechtsfigur der „Erfüllungsfiktion” ihres Wertes beraubt. Denn es bestünde stets Ungewißheit über deren Eintritt und Bestand. Die Einjahresfrist dient der schnellen Abwicklung von Erstattungsansprüchen und damit der Rechtssicherheit (BSGE 65, 31, 39). Nach dem „Jährlichkeitsprinzip” der kameralistischen Haushaltsführung, zu dem die Sozialversicherungsträger verpflichtet sind (§§ 67 ff SGB IV), führte die Rückabwicklung von Leistungen über Zeiträume von mehreren Jahren bei zwei Versicherungsträgern zu Haushaltspositionen, die umständlich Jahr für Jahr fortgeschrieben werden müßten. Der erstattungspflichtige Leistungsträger soll dagegen vor Ansprüchen geschützt werden, die weiter zurückliegen und ihn in seinen finanziellen Dispositionen beengen können (s v. Maydell/Schellhorn, GK-SGB X 3, 1984, § 111 RdNr 7; Hauck in Hauck/Haines, SGB X 3, K § 111 RdNr 1). Zudem ist es nach dem Dafürhalten des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt, Erstattungsforderungen gegenüber anderen Sozialversicherungsträgern über die Frist des § 111 SGB X hinaus, die die Erfordernisse der Praxis berücksichtigt (Begründung der Beschlußempfehlung zum Entwurf des SGB X, BT-Drucks 9/1753 S 44 zu § 117), unbegrenzt für die Vergangenheit zuzulassen. Das ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Sozialversicherungsträger sind nicht grundrechtsfähig (vgl Dreier in Dreier ≪Hrsg≫, GG-Kommentar, Art 19 III RdNr 44 mwN; Badura BayVBl 1989, 1, 3).
c) Umstände, die es rechtfertigen, den Lauf der Frist wegen „objektiv fehlender Realisierbarkeit des Erstattungsanspruchs” nicht beginnen zu lassen, sind nicht ersichtlich. Ausnahmsweise nimmt die Rechtsprechung des BSG noch kein „Entstehen” des Erstattungsanspruchs an, wenn dieser an die sogenannte Tatbestandswirkung, die vorgeschaltete Statusentscheidungen haben, anknüpft. Solange der Status, zB des Kindsvaters, wovon dessen Unterhaltspflicht und damit der Erstattungsanspruch abhängt (BSG vom 8. März 1990, BSGE 66, 246, 248 = SozR 3-1300 § 111 Nr 2), nicht festgestellt oder das Versicherungsverhältnis, wovon ebenfalls der Erstattungsanspruch abhängt, zuvor in einem förmlichen Feststellungsverfahren verneint worden war (BSG vom 24. September 1996, SozR 3-1300 § 111 Nr 5 S 15 f), kann auch im Verhältnis der Sozialversicherungsträger untereinander der Erstattungsanspruch nicht entstehen und damit der Lauf der Frist nach § 111 SGB X nicht beginnen. Eine vorgeschaltete Statusentscheidung ist im vorliegenden Fall indes nicht erforderlich.
d) Die Frist nach § 111 SGB X ist als materielle Ausschlußfrist konzipiert, die nach ihrem Zweck und der ihr zugrundeliegenden Interessenabwägung – wie gezeigt – eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zuläßt; (vgl BSG vom 9. Februar 1998 SozR 3-1300 § 27 Nr 3 S 4 mwN; § 27 Abs 5 SGB X). Die Verfallswirkung des Fristablaufs tritt unabhängig davon ein, ob die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (hM, vgl Hauck/Haines, SGB X, § 111 RdNr 10; von Wulffen in Schroeder-Printzen, SGB X § 111 RdNr 8; Kater in Kasseler Komm, SGB X, § 111 RdNr 19; Adami/Schroeter in GesamtKomm-Sozialversicherung, SGB X, § 111 RdNr 7). Aus dem gleichen Grund ist es der Klägerin regelmäßig verwehrt, der Beklagten, die die Fristversäumnis geltend macht, unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten; abgesehen davon gilt, daß der Ablauf der Ausschlußfrist von den Gerichten von Amts wegen und nicht nur (wie bei der Verjährung) auf die Einrede der Beklagten hin zu beachten ist (BSG vom 6. April 1989, BSGE 65, 27, 30 f = SozR 1300 § 111 Nr 4; vom 23. September 1997, aaO). Die analoge Anwendung dieser Grundsätze käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Erstattungsberechtigte absichtlich davon abgehalten wird, den Anspruch rechtzeitig geltend zu machen (so Hauck/Haines, SGB X § 111 RdNr 9). Nach den bindenden Feststellungen des LSG findet sich hierfür indes kein Anhalt.
Zu 2)
Die Klägerin kann anstelle des seit dem Ablauf der materiellen Ausschlußfrist untergegangenen Erstattungsanspruchs nach keiner der in Betracht kommenden sonstigen Anspruchsgrundlagen von der Beklagten vergleichbare Geldleistungen fordern.
a) Die (fahrlässige) Verletzung der Verpflichtung der Beklagten nach Punkt 4.3 Abs 1 Satz 1 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenversicherung und der Unfallversicherung vom 30. November 1990 (abgedruckt bei Beuster/Marburger, Handbuch der Ersatz- und Erstattungsansprüche, Stand März 1999, E 1/II, 205), „bei Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung einer BK die Krankenkasse unaufgefordert zu unterrichten”, damit diese nach Punkt 4.3 Abs 1 Satz 2 des Gemeinsamen Rundschreibens „Gelegenheit hat, einen eventuellen Erstattungsanspruch im Sinne des § 111 SGB X geltend zu machen”, führt zu keinem finanziellen Ausgleichsanspruch der Klägerin. Ein wie auch immer begründeter „Schadensersatzanspruch” der Klägerin wegen Nichterfüllung der Absprache nach dem Gemeinsamen Rundschreiben, zB gemäß den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung (auch positive Vertragsverletzung genannt), aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus dem Recht des Auftrags bzw der Geschäftsführung ohne Auftrag, besteht nicht. Denn bei den §§ 102 ff SGB X handelt es sich nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers um ein geschlossenes Regelungssystem, das abschließend sämtliche Ausgleichsansprüche umfaßt (vgl für den Ausschluß von Aufwendungsersatzansprüchen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung darstellen: BSG vom 3. November 1999 - B 3 KR 4/99 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). In der Begründung zum Entwurf dieser Vorschriften des SGB X (BT-Drucks 9/95, S 24 vor §§ 108 ff des Entwurfs) heißt es dazu: „Mit diesen Vorschriften wird zum erstem Mal eine geschlossene Lösung für die schwierigen Fragen vorgelegt, welche Erstattungsansprüche bestehen und wie ihr Verhältnis untereinander ist ……”. Aufträge zwischen Sozialversicherungsträgern und die dann bestehenden Rechte und Pflichten sind abschließend in den §§ 88-93 SGB X (bezüglich der Erstattungen vgl § 91 SGB X) geregelt. Im Verhältnis der Krankenkassen zu den Unfallversicherungsträgern gilt die Neuregelung in vollem Umfange erst ab dem 1. Januar 1989; bis dahin war noch die eigenständige Regelung des § 1504 Abs 1 RVO in Kraft (vgl Art 5 Nr 36 Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I 2477≫ und mwN BSG vom 6. April 1989, SozR 2200 § 1504 Nr 8).
b) Das Gemeinsame Rundschreiben dient dazu, es der Krankenkasse zu ermöglichen, einen Erstattungsanspruch – und sei es nur vorsorglich – innerhalb der Frist des § 111 SGB X geltend zu machen. Mit ihm wird die „Verpflichtung” zur „engen” Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger (§ 86 SGB X) in der Form eines (koordinationsrechtlichen) öffentlich-rechtlichen Vertrages (§ 53 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X) zwischen den Spitzenverbänden konkretisiert. Die Anwendung des § 111 SGB X ist aber nicht ausgeschlossen worden. Im Gegenteil, Punkt 4.3 Abs 1 Satz 2 der Vereinbarung setzt die Anwendbarkeit der Norm voraus, denn die damit verbundenen Härten sollten durch Vorbeugung vermieden werden. Durch diesen Vertrag konnte auch wegen der Sperre des § 53 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X („soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen”) die Vorschrift des § 111 SGB X weder ausgeschlossen noch umgangen werden. Sie wird von dem Willen des Gesetzgebers getragen, abschließend eine materielle Ausschlußfrist zu setzen. Diese nicht leerlaufen zu lassen, hätte auch für Hilfskonstruktionen gegolten, zB die Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder sonstiger Sanktionen. Solche Klauseln wären wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 53 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X) nach § 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 BGB nichtig. Damit entfallen aber auch alle angesprochenen Ansprüche in ergänzender und entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB (vgl § 61 Satz 2 SGB X), einschließlich der zum Vertragsrecht entwickelten Rechtsgrundsätze (s Engelmann in Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl 1996, § 61 RdNr 4).
c) Auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, daß die Verletzung öffentlich-rechtlich normierter Pflichten Ausgleichsansprüche zur Folge hat, kann die Klägerin ihr Begehren ebenfalls nicht stützen. Alle denkbaren Ansprüche dieser Art scheitern ebenfalls am „geschlossenen Regelungssystem” der §§ 102 ff SGB X. Würde man sie zulassen, wäre § 111 SGB X umgangen. Ebensowenig kann eine wie auch immer geartete Sanktion aus § 86 SGB X entnommen werden, der Folgen aus der Verletzung der dort verankerten Pflicht zur Zusammenarbeit weder ausdrücklich noch seiner Zielsetzung nach normiert. Öffentlich-rechtlich begründete Schadenersatzansprüche im Rahmen der Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger (zB in § 28e SGB IV oder § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V) sieht das Gesetz zwar vor, insbesondere wenn ein Träger treuhänderisch die Rechte eines anderen Trägers wahrnimmt. Im Rahmen der „normalen” Zusammenarbeit bei den laufenden Verwaltungsgeschäften bestehen sie aber nicht (BSG vom 31. März 1998, BSGE 82, 78, 81 = SozR 3-2500 § 4 Nr 1). Aus den gleichen Gründen hätte auch die von der Klägerin vorgebrachte angebliche Verletzung des § 12 Abs 2 SGB X keinerlei ausgleichsrechtliche Konsequenzen.
d) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf den von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Entgegen der Meinung von Seewald (ua Kasseler-Komm SGB X § 86 RdNr 119) ist es nach der Rechtsprechung des BSG in dieser Allgemeinheit und in diesem Zusammenhang nicht anerkannt, ein Träger dürfe nicht auf Kosten des anderen Trägers Fehler machen, und deshalb könne der geschädigte Träger unter Berufung auf § 86 SGB X iS eines Herstellungsanspruches verlangen, so gestellt zu werden, als wäre pflichtgemäß zusammengearbeitet worden. Die von Seewald zitierte Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 13. September 1984 (BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 Nr 2) betrifft die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes im Vorfeld der Regelungen der §§ 102 ff SGB X, damit überhaupt ein Erstattungsanspruch entsteht. In diesem Urteil geht es nicht darum, das Erlöschen eines entstandenen Erstattungsanspruchs aus § 105 Abs 1 SGB X wegen Ablaufs der materiellen Ausschlußfrist des § 111 SGB X ungeschehen zu machen, weil die Pflicht zur Zusammenarbeit verletzt worden ist. Dies würde auch darauf hinauslaufen, unter Mißachtung des in § 111 SGB X enthaltenen Gesetzesbefehls einen objektiv rechtswidrigen Zustand herzustellen, denn mit dem Ablauf der Frist besteht kein Erstattungsanspruch mehr.
e) Wie dargelegt, hat der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob aus der Verletzung des § 86 SGB X Amtshaftungsansprüche nach Art 34 GG iVm den §§ 839 ff BGB abgeleitet werden können. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß derart begründete Ansprüche primär aus dem Verhältnis des „Beamten” oder der „Behörde” zu demjenigen (dem „Dritten” iS des § 839 BGB) erwachsen, dem gegenüber und zu dessen Schutz die Amtspflichten bestehen (BGH vom 26. Januar 1989, BGHZ 106, 323, 332 f). Versicherungsträger sind indessen im Verhältnis zueinander bei der Erfüllung ihrer Aufgaben wie im vorliegenden Falle keine „Dritten”, sondern zu „gleichgesinntem Zusammenwirken verbundene” Körperschaften des öffentlichen Rechts (BGH vom 12. Dezember 1991, BGHZ 116, 312, 315/317). Nichts anderes normiert § 86 SGB X. Mögliche Erstattungsansprüche der Versicherungsträger untereinander regelt – wie ausgeführt – abschließend das SGB X in den §§ 102 ff.
Die Verletzung der Pflicht der Beklagten, die Klägerin über die Einleitung eines BK-Verfahrens nach Punkt 4.3 Abs 1 Satz 1 des Gemeinsamen Rundschreibens rechtzeitig zu informieren, führt also unter keinem rechtlichen Aspekt zu einem finanziellen Ausgleich zwischen den beiden Versicherungsträgern.
Der Klägerin bleibt es unbenommen, sich über die Pflichtverletzung des verantwortlichen Bediensteten bei der Beklagten zu beschweren, das absprachewidrige Verhalten der Beklagten in den Gremien der Verbände zur Sprache zu bringen und notfalls die Rechtsaufsicht der Beklagten wegen Verletzung des Gebots der Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) einzuschalten.
Kosten sind gemäß § 193 Abs 4 SGG nicht zu erstatten.
Fundstellen