Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung überzahlter Rente nach dem Tode des Versicherten vom Geldinstitut mittels Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
Der Rücküberweisungsanspruch einer wegen Todes des Versicherten überzahlten Rente gegenüber der kontoführenden Bank nach § 118 Abs 3 SGB 6 gehört dem öffentlichen Recht an, kann jedoch nicht in der Handlungsform des Verwaltungsaktes geltend gemacht werden.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB VI § 118 Abs. 3; RVO § 620 Abs. 4; BVG § 66 Abs. 2 S. 4; SGB VII § 96 Abs. 3; SGB X §§ 31, 50 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Beklagte das Recht hat, durch Verwaltungsakt die Rücküberweisung einer wegen Todes des Versicherten überzahlten Rente vom kontoführenden Geldinstitut zu verlangen.
Der am 27. August 1992 verstorbene Versicherte unterhielt bei der Klägerin ein Girokonto. Darauf hat die Beklagte auch dessen Altersruhegeld für den Monat September 1992 überwiesen. Der Betrag von DM 2.314,78 wurde dem Konto des Versicherten am 27. August 1992 (mit Wertstellung zum 1. September 1992) ohne weiteren Vorbehalt gutgeschrieben. Am gleichen Tag ist vom Konto ein Betrag von DM 2.315,00 nach Vorlage eines auf den 27. August 1992 datierten, vom Versicherten unterschriebenen Barschecks abgehoben worden.
Mit Schreiben vom 8. September 1992, eingegangen bei der Klägerin am 9. September 1992, forderte die Beklagte von der Klägerin die Rücküberweisung der überzahlten Rente. Dies lehnte die Klägerin ab, weil über diesen Betrag bereits vor Eingang des Rücküberweisungsbegehrens verfügt worden sei.
Mit Bescheid vom 19. März 1993 forderte die Beklagte die Klägerin, gestützt auf § 118 Abs 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI), auf, die Septemberrente rückzuüberweisen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. April 1993).
Mit Urteil vom 14. Juni 1994 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund der Anfechtungsklage stattgegeben und den Bescheid vom 19. März 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1993 aufgehoben; es hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Rechtsweg sei gemäß § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil die Beklagte das Recht für sich in Anspruch genommen habe, ihren Anspruch durch einen Bescheid in Angelegenheiten des Sozialversicherungsrechts geltend zu machen. Diese Befugnis stehe ihr indessen nicht zu. Zwar gehöre der Rückforderungsanspruch, auch wenn es sich um die Abwicklung eines zahlungstechnischen Vorgangs handle, nicht dem Zivil-, sondern – wegen seiner Verankerung im Sozialversicherungsrecht – dem öffentlichen Recht an. Es fehle jedoch am Subordinationsverhältnis zwischen den Beteiligten.
Während des anschließenden Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. November 1996 Widerklage erhoben und in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 1996 (hilfsweise) beantragt, die Klägerin zur Zahlung von DM 2.314,78 zu verurteilen.
Mit Teilurteil vom 21. November 1996 hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beteiligten einander Rechtsverfolgungskosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten haben. Der Erlaß eines Teilurteils sei ungeachtet der Widerklage zulässig, da es sich um zwei selbständige Ansprüche handle. Die vom SG bejahte Zulässigkeit des Rechtswegs sei gemäß § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) iVm § 202 SGG nicht mehr zu prüfen. Im Anschluß an die Ausführungen des SG sei die Beklagte nicht berechtigt, die überzahlte Rente auf der Grundlage des § 118 Abs 3 SGB VI von der Klägerin mittels Verwaltungsakt zurückzufordern.
Die Beklagte rügt mit der Revision die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 118 Abs 3 SGB VI und des § 31 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X). Sie meint, zwischen den Beteiligten bestehe ein Subordinationsverhältnis, da § 118 Abs 3 SGB VI den zivilrechtlichen Grundsatz durchbreche, wonach Mängel im Valutaverhältnis nur in diesem auszugleichen seien. Die Position des Geldinstituts sei durch § 118 Abs 3 SGB VI geschwächt. Unabhängig davon könne sie einen Verwaltungsakt stets dann erlassen, wenn es sich wie bei Rentenüberweisungen und deren Rückforderung um Verwaltungstätigkeiten aus dem eigentlichen Aufgabengebiet des Rentenversicherungsträgers handle und wofür er die nötige Sachkunde besitze. Das LSG hätte deshalb prüfen müssen, ob nach materiellem Recht die Septemberrente des Versicherten zurückgefordert werden könne. Insoweit seien gegebenenfalls weitere Ermittlungen durch das LSG erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Juni 1994 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19. März 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1993 abzuweisen,
hilfsweise,
das Teilurteil vom 21. November 1996 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1996 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend und vertritt im übrigen den Standpunkt, daß der Beklagten auch materiell-rechtlich kein Rücküberweisungsanspruch zustehe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das LSG konnte verfahrensfehlerfrei durch Teilurteil entscheiden und den mit der Widerklage geltend gemachten Leistungsanspruch der Beklagten zunächst offenlassen. Denn es handelt sich um einen gemäß § 301 Zivilprozeßordnung (ZPO), der nach § 202 SGG entsprechend anwendbar ist, selbständigen und abtrennbaren Anspruch der Beklagten. Das gilt jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang, da das LSG einen Anspruch der Beklagten, die Rücküberweisungspflicht der Klägerin durch Verwaltungsakt zu regeln, verneint hat. Auf die Anfechtungsklage hin mußte das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus den Verwaltungsakt aufheben, ohne Rücksicht darauf, ob der Beklagten materiell-rechtlich der geltend gemachte Rücküberweisungsanspruch zusteht. Unter diesen Voraussetzungen führt die im Schrifttum vertretene Ansicht, der Verwaltungsakt werde nur in untrennbarer Verbindung mit dem materiell-rechtlichen Anspruch existent und wirksam (vgl Erichsen in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 1995, S 282), zu einem prozeßökonomisch weniger vertretbaren Ergebnis. Die Meinung des Senats trägt dem Umstand Rechnung, daß der Anspruch, derartige Forderungen durch Verwaltungsakt zu regeln, für eine Behörde selbständigen verwaltungspraktischen Wert hat.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Rücküberweisungsbegehren nach § 118 Abs 3 SGB VI gegenüber der Klägerin in der Handlungsform des Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) geltend zu machen. Zwar ist § 118 Abs 3 SGB VI eine Norm des öffentlichen Rechts (1), jedoch sind die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der Klägerin nicht derart ausgestaltet, daß die Beklagte befugt wäre, durch Verwaltungsakt zu handeln (2).
Zu 1)
Vor Einführung des § 118 Abs 3 SGB VI mit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) wurden wegen Todes überzahlte Renten auf der Grundlage einer Einverständniserklärung des Leistungsberechtigten im Rentenantrag und einer darauf aufbauenden Vereinbarung zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sowie dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften rücküberwiesen (s Terpitz, WM 1992, 2041, 2042; Heinz, BG 1992, 376, 377; Brähler, NachrLVA HE 1996, 51 ff). Diese Regelungen waren in der grundlegenden Struktur der Rechtsbeziehungen zivilrechtlicher Natur; im konkreten Einzelfall traten Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis zwischen dem Versicherungsträger und dem Versicherten hinzu.
Mit der Einführung des § 118 Abs 3 und 4 SGB VI (vgl auch die Verweisung auf diese Regelungen in § 66 Abs 2 Satz 4 Bundesversorgungsgesetz ≪BVG≫ sowie die mit § 118 Abs 3 SGB VI wortgleichen Regelungen in § 620 Abs 4 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ und ab 1. Januar 1997 in § 96 Abs 3 Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch –, Gesetzliche Unfallversicherung ≪SGB VII≫) wurde im oben erörterten Zusammenhang mit Blick auf den Rücküberweisungs- bzw Erstattungsanspruch des Versicherungsträgers eine öffentlich-rechtliche Regelung geschaffen. Für den Ausnahmefall einer wegen Todes überzahlten Rente werden nunmehr bei Kontobewegungen nach dem Tode des Versicherten die Rechtsbeziehungen zwischen den hieran Beteiligten durch den Rücküberweisungsanspruch des Versicherungsträgers teilweise sozialrechtlich ausgestaltet. Damit sollten die rechtlichen Unsicherheiten bei der Anwendung der bisherigen Vereinbarungsregelung beseitigt werden. In der Gesetzesbegründung zu § 118 Abs 3 SGB VI (BT-Drucks 11/4124 S 179 zu § 119 des Entwurfs) heißt es:
„Absatz 3 stellt eine bereits bestehende Praxis, die sich bisher auf eine im Rentenantrag erteilte Einverständniserklärung des Leistungsberechtigten einerseits und eine Vereinbarung zwischen den Rentenversicherungsträgern und den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes andererseits stützt, aus rechtsstaatlichen Erwägungen auf eine gesetzliche Grundlage.”
Diese neue gesetzliche Grundlage ersetzt die bisherigen vertraglichen Konstruktionen, um die Rückforderung der überzahlten Rente zu erleichtern. Die Neuregelung begründet innerhalb der zivilrechtlichen Beziehungen des Geldinstituts zu seinen Kunden das Recht einer Behörde, hier des Versicherungsträgers, zu Unrecht erbrachte Rentenzahlungen (dh Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis) vom Geldinstitut zurückzufordern, und die Verpflichtung des Geldinstituts, unter bestimmten Voraussetzungen die Rücküberweisung vorzunehmen. Es werden neue Rechte und Pflichten begründet, die die vertraglich begründeten Rechtsbeziehungen gesetzlich ausgestalten. Das betrifft nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und seinem Geldinstitut, sondern auch diejenigen zwischen dem Versicherungsträger und dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis. Und schließlich betrifft es die Rechtsbeziehungen zwischen dem Geldinstitut und allen Dritten einschließlich des Versicherungsträgers, die sich auf der Grundlage der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Geldinstituts an Bewegungen auf dem Konto des Versicherten beteiligen. Der Gesetzgeber wollte so im öffentlichen Interesse eine schnelle Rücküberweisung der überzahlten Rentenbeträge ermöglichen, damit die Gelder möglichst bald dem Rentenversicherungsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben wieder zur Verfügung stehen (vgl Kasseler Komm-Polster, § 118 SGB VI RdNr 11; Hauck in Hauck, SGB VI K § 118 RdNrn 9, 11, 12).
Zu 2)
Der Regelungsbereich des § 118 Abs 3 SGB VI geht allerdings nicht soweit, daß er der Beklagten das Recht einräumt, ihren Rücküberweisungsanspruch einseitig in einem vollstreckbaren Bescheid festzustellen.
Verwaltungseingriffe in Freiheit und Eigentum bedürfen der gesetzlichen Ermächtigung. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Verbindung mit den durch die Art 2 ff Grundgesetz (GG) gewährleisteten Grundrechte (vgl BVerwGE 50, 171, 172 f mwN; bestätigt in BVerwGE 89, 345, 349). Die mit dem angefochtenen Bescheid verlangte Rücküberweisung berührt sowohl das Eigentum der Klägerin als auch ihr allgemeines Handlungsfreiheitsrecht auf wirtschaftlichem Gebiet (Art 2 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG). In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Der angefochtene Bescheid greift ohne eine ausreichende gesetzliche Grundlage in diese Rechte der Klägerin ein. Denn er regelt einseitig die Rechtsbeziehungen der Beklagten zur Klägerin in der Weise, daß er ihren Rücküberweisungsanspruch gegen die Klägerin in sofort vollstreckbarer Weise feststellt. Damit macht die Beklagte nicht nur ihren materiell-rechtlichen Rücküberweisungsanspruch geltend, sondern nimmt für sich das Recht in Anspruch, gegen die Klägerin auf dem Wege des Verwaltungsakts vorgehen zu dürfen. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1 SGB X). Das Recht zu einer solchen Maßnahme fehlt der Beklagten im vorliegenden Fall. Die Befugnisse der Behörden zum Erlaß von Verwaltungsakten müssen sich aus den für das jeweilige Sachgebiet einschlägigen Gesetzen ergeben, sei es ausdrücklich oder dem Sinn und Zweck nach (vgl Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl 1994, S 612; vgl auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ auf der Grundlage der früher herrschenden Subordinationstheorie, nach der die Behörde jedenfalls bei befehlenden Verwaltungsakten durch ein Überordnungsverhältnis gegenüber dem Adressaten zum Erlaß eines Verwaltungsaktes legitimiert sein muß, wenn es dafür keine eigene gesetzliche Grundlage gibt; vgl BSGE 49, 291, 294 mwN).
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach die Beklagte berechtigt wäre, die Verpflichtung zur Rücküberweisung der Rente durch Verwaltungsakt auszusprechen, existiert nicht. § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X ist nicht anwendbar. Danach sind zu erstattende Leistungen durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Diese Regelung bezieht sich auf die Erstattung von Leistungen (mit oder ohne Verwaltungsakt, vgl § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X) innerhalb eines auf Sozialleistungen bezogenen Sozialrechtsverhältnisses, sei es eines mit dem Leistungsberechtigten oder mit dessen Rechtsnachfolgern. Der durch Verwaltungsakt geltend zu machende Rückforderungsanspruch ist insoweit nur die Umkehrung des Leistungsaktes. Ausdrücklich bestimmt § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI, daß ein Anspruch gegen die Erben des Berechtigten nach § 50 SGB X unberührt bleibt. Gemeint sind damit die sich unmittelbar aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Erstattungsansprüche. Die Klägerin ist aber nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Beklagten eingetreten; sie ist und bleibt außenstehende Dritte.
Es kann indessen auch nicht festgestellt werden, daß sich aus der Gesamtregelung des Rechtsverhältnisses oder dem betreffenden Anspruch selbst das Recht der Beklagten zur einseitigen Regelung ergibt (vgl dem Sinn nach BSGE 49, 291, 294).
Nach der bereits angeführten Gesetzesbegründung zu § 118 Abs 3 SGB VI sollte eine bestehende zivilrechtliche Regelung auf der Grundlage multilateraler Vereinbarungen durch eine gesetzliche Regelung abgelöst, dh im Ergebnis die bisherige Praxis fortgesetzt werden. Das bestätigen nicht nur der Gesetzeswortlaut, der mit keinem Wort das Recht zum Erlaß eines Verwaltungsakts ausspricht, sondern auch die Gesetzesmaterialien. Auch ihnen kann nicht entnommen werden, daß die bisherigen, vertraglich durch die Spitzenverbände begründeten Beziehungen zwischen Geldinstitut und Rentenversicherungsträger von Grund auf zugunsten eines öffentlichen Rechtsverhältnisses aufgegeben werden sollten, das dem Versicherungsträger nicht nur einen gesetzlichen Rücküberweisungsanspruch einräumt, sondern darüber hinaus auch das weitere Recht, den Sachverhalt einseitig zu regeln. Entgegen der Meinung der Beklagten läßt sich dieses Recht zur einseitigen Regelung auch nicht aus dem Vorbehalt des § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI ableiten. Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Fiktion (Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten auf ein Konto … überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht). Diese Fiktion gilt gegenüber allen Beteiligten. Sie gestaltet die bereits vorhandenen Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und ermöglicht, daß der Versicherungsträger den Rücküberweisungsanspruch ungeachtet eventuell entgegenstehender Regelungen des Zivilrechts (zB §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch) durchsetzen kann. Er kann so erreichen, daß kurzfristig Rückbuchungen nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI erfolgen und Dritte, die mittlerweile die Geldleistungen in Empfang genommen oder darüber verfügt haben, zur Erstattung verpflichtet sind (vgl § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI). Zu einer darüber hinausgehenden Abweichung von der bisherigen Praxis sollte es – im Ergebnis – nicht kommen (vgl die Begründung zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 27. Oktober 1989, BT-Drucks 11/5530 S 46 zu § 119 Abs 3 des Entwurfs). Zur Frage, ob das Rücküberweisungsbegehren nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI in der Handlungsform eines Verwaltungsaktes geltend zu machen ist, gibt die gesetzliche Fiktion für sich genommen keine Antwort.
Zwischen Beklagter und Klägerin besteht auch kein öffentlich-rechtliches Indienstnahmeverhältnis, aufgrund dessen die Beklagte berechtigt (und verpflichtet) wäre, den Rücküberweisungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl zu Schadensersatzansprüchen infolge einer unrichtig ausgefüllten Arbeitsbescheinigung nach den §§ 133, 145 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫, Urteil des 11. Senats des BSG vom 30. Januar 1990 ≪SozR 3-4100 § 145 Nr 1≫ im Gegensatz zur Meinung des 7. Senats des BSG im Urteil vom 12. Februar 1980 ≪BSGE 49, 291≫). Solche Indienstnahmeverhältnisse sind in der Regel tatbestandsmäßig eng umschrieben und bußgeldbewehrt (zur Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG vgl § 230 Abs 1 Nr 5 AFG). Geldinstitute sind nicht einmal verpflichtet, den Rentenempfängern Girokonten für die Rentenzahlungen zu eröffnen. Die Auszahlung der Rente erfolgt nach § 119 SGB VI durch die Deutsche Post AG. Die Auszahlungsmodalitäten regelt die Postrentendienstverordnung (PostRDV) vom 28. Juli 1994 (BGBl I 1867) auf der Ermächtigungsgrundlage des § 120 SGB VI. § 9 Abs 1 PostRDV bestimmt zwar, daß Rentenzahlungen nach Möglichkeit auf Konten der Empfänger erfolgen sollen, legt dem Versicherten aber nicht die Pflicht auf, ein Konto bei einem Geldinstitut einzurichten. Ebensowenig besteht eine Verpflichtung der Geldinstitute, Rentnern die Rentenzahlung auf ein Konto zu ermöglichen. Im übrigen gibt § 34 Abs 1 PostRDV einen Hinweis auf die Art der Einbeziehung der Geldinstitute in die Rentenzahlung. Dem Postrentendienst werden danach die Auslagen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen der Geldinstitute bei Auslandzahlungen und Inlandzahlungen, die nicht auf ein Konto überwiesen werden können, erstattet. Daraus ist einerseits abzuleiten, daß die Geldinstitute als gleichberechtigte Dienstleister der Versicherungsträger tätig werden, andererseits wird hier die Auffassung bestätigt, daß sie noch nicht einmal zur Bereitstellung eines Kontos für die Auszahlung der Rente im Inland verpflichtet sind, weder gegenüber dem Rentner noch gegenüber dem Versicherungsträger.
Der Ansicht der Beklagten, das Recht und die Kompetenz zum Erlaß eines Verwaltungsaktes ergebe sich aus ihrer besonderen Sachkunde (so im Ergebnis auch Kasseler Komm – Polster, § 118 SGB VI RdNr 13), vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beklagte stützt sich zu Unrecht auf das Urteil des 3. Senats des BSG vom 24. November 1987 (BSGE 62, 251, 255). Bei diesem Rechtsstreit ging es um den Schadenersatzanspruch einer Krankenkasse gegen ihr Mitglied wegen einer ungenügenden Auskunft, den die Krankenkasse mit einer Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend gemacht hatte. Das BSG hat hier eine gesetzliche Ermächtigung und Verpflichtung der Kasse zum Erlaß eines Verwaltungsaktes (im Gegensatz zu Schadenersatzansprüchen der Prüfbehörden gegenüber Kassenärzten, vgl BSGE 55, 144, 149 f) verneint, weil insoweit kein Überordnungsverhältnis bestehe. Auch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und dem Versicherungsverhältnis ließen sich solche Sanktionen nicht ableiten. Eine allumfassende Über- und Unterordnung wie bei Soldaten und Beamten liege nicht vor. Schließlich fehle es der Kasse an der notwendigen Sachkunde, um einseitig durch Verwaltungsakt komplizierte zivilrechtliche Sachverhalte zu entscheiden, ein Umstand, dem wegen der Bindungswirkung eines nicht angefochtenen Verwaltungsaktes besondere Bedeutung beizumessen sei.
Die letztgenannte Hilfserwägung des BSG rechtfertigt nicht den Umkehrschluß, daß in allen Fällen, in denen die Behörde die notwendige Sachkunde besitzt, der Verwaltungsakt im Zweifel die vorgeschriebene Handlungsform sei. Im übrigen stützt die Überlegung des BSG das hier gefundene Ergebnis: Sachkunde besitzt der Rentenversicherungsträger hinsichtlich aller Zahlungsvorgänge der Rente (Tag der Überweisung, Wertstellung etc) sowie des Endes seiner Leistungsverpflichtung, dh hinsichtlich der Feststellung, ob die Überweisung zu Unrecht erfolgt ist. Insoweit ist aber im Verhältnis zum Geldinstitut ein Streit ausgeschlossen, denn diese Feststellungen im Rückforderungsschreiben hat das Geldinstitut gemäß § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI ungeprüft zu übernehmen. Streit kann es nur darüber geben, ob über den entsprechenden Geldbetrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig (wirksam) verfügt wurde (§ 118 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 1 SGB VI), ob die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (§ 118 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VI) oder ob das Geldinstitut den überwiesenen Betrag zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet hat (§ 118 Abs 3 Satz 4 SGB VI). Bei allen drei Punkten handelt es sich um bankrechtliche, zivilrechtliche Fragestellungen hoher Komplexität, die außerhalb des eigentlichen Aufgabengebietes des Rentenversicherungsträgers liegen. So ist es auch im vorliegenden Fall: Ob die Verfügung über die Rentengutschrift vor der Wertstellung tatsächlich ein eigenes Kreditgeschäft des Geldinstituts über den vollen Rentenbetrag ist oder nur die Einräumung eines sog Valutakredits (mit der Folge, daß allenfalls die bis zur Wertstellung fälligen Zinsen als „eigene Forderung” der Bank angesehen werden können), ist eine bankrechtliche Frage, die vom LSG bei der Entscheidung über die Widerklage unter Berücksichtigung der Vorbehaltsfiktion des § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu beantworten sein wird.
Der in § 118 Abs 3 SGB VI vorgesehene Verfahrensablauf für den „Rentenrückruf” spricht schließlich ebenso gegen die Befugnis der Beklagten, das Rückforderungs- und Rücküberweisungsbegehren der Rente durch Verwaltungsakt gegenüber dem Geldinstitut geltend zu machen. Das Verfahren ist in der Form eines Dialoges unter Gleichberechtigten aufgebaut. Der Rentenversicherungsträger, der in der Regel vom Standesamt die Mitteilung vom Tode des Versicherten erhält, stellt anhand seiner rentenrechtlichen Sachbearbeitung (intern) eine Überzahlung der Rente fest und fordert diese unverzüglich vom Geldinstitut zurück. Das Geldinstitut kann nun nach Eingang der Rückforderung anhand seiner bankmäßigen Sachbearbeitung gegebenenfalls Einwendungen erheben (anderweitig wirksame Verfügungen, kein Guthaben zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung), denen wiederum Gegeneinwendungen des Rentenversicherungsträgers entgegengesetzt werden können (der überwiesene Betrag wurde zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet). Dieses Verfahren (dem auch eine entsprechende Verteilung der Feststellungslast im anschließenden Klageverfahren folgt) ist nicht typisch für ein Verwaltungsverfahren, das nach Ermittlungen durch die Behörde (ggf unter Beteiligung des Adressaten) mit einem Verwaltungsakt endet. Vielmehr setzen sich solche auf die Feststellungen zweier Beteiligter aufgebauten Verfahren typischerweise in Schieds- oder Klageverfahren unter gleichberechtigten Partnern fort, falls keine Einigung erzielt werden kann. Es wäre außerordentlich und bedürfte einer ausdrücklichen Regelung, wenn am Ende eines derart geordneten Verfahrens der eine Partner sich selbst den Vollstreckungstitel ausstellen dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 Satz 1 SGG.
Fundstellen
NVwZ-RR 1998, 564 |
ZAP 1998, 161 |
NZS 1998, 244 |
SozR 3-2600 § 118, Nr.1 |
SozVers 1998, 220 |
SozSi 1998, 239 |