Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Arbeitslose Arbeitslosengeld nach § 117 Abs 4 AFG in Anspruch genommen, bleibt bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft die Dauer des bisherigen Anspruchs auch für einen neuen Leistungsfall maßgebend.
2. Das gilt auch dann, wenn inzwischen feststeht, daß das Arbeitsverhältnis während des Arbeitslosengeldbezuges fortbestanden hat und die Bundesanstalt für Arbeit hinsichtlich des auf sie übergegangenen Anspruchs auf Arbeitsentgelt befriedigt worden ist (Anschluß an BSG vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 = SozR 4100 § 117 Nr 19).
Normenkette
AFG § 104 Abs 2, § 104 Abs 3, § 106 Abs 1 S 1, § 106 Abs 1 S 3, § 117 Abs 4 S 1; SGB 10 § 115
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).
Die Klägerin war, nachdem sie ihre selbständige Tätigkeit Ende 1981 aufgegeben hatte, vom 5. Februar 1982 an als Friseuse beschäftigt. Ihr wurde zum 31. Dezember 1983 gekündigt. Urlaubsabgeltung erhielt sie bis 23. Januar 1984. Sie meldete sich am 10. Januar 1984 arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihr ab 24. Januar 1984 Alg für 156 Wochentage.
Nachdem das Arbeitsgericht B. durch Urteil vom 2. März 1984 - 47 Ca 239/83 - festgestellt hatte, daß die Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weiterbesteht, beschäftigte der Arbeitgeber die Klägerin ab 7. März 1984 weiter, kündigte ihr indessen zum 7. April 1984. Die Klägerin meldete sich daraufhin erneut arbeitslos. Ab 9. April 1984 bewilligte ihr die Beklagte antragsgemäß wieder das Alg, und zwar zunächst für restliche 119 Wochentage, und später, nachdem der Arbeitgeber den in Höhe des gewährten Alg auf die Beklagte übergegangenen Anspruch auf Arbeitsentgelt an diese gezahlt hatte, für 156 Tage (Bescheide vom 30. April 1984 und 29. August 1984). Widerspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, ihr stehe nach zwei Jahren Beschäftigung eine Anspruchsdauer von 208 Wochentagen zu, hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. September 1984, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 13. Juni 1985).
Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30. April 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1984 verurteilt, der Klägerin Alg für weitere 52 Tage zu gewähren (Urteil vom 24. Juni 1986).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das ab 24. Januar 1984 bewilligte Alg habe hinsichtlich seiner Dauer der Rechtslage entsprochen. Allerdings müsse berücksichtigt werden, daß der Klägerin in Anwendung des § 117 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) das Alg gewährt worden sei, weil im Zeitpunkt der Leistungsgewährung wegen der Kündigungsschutzklage nicht habe ausgeschlossen werden können, daß die Klägerin noch Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Zwar zahle die Beklagte in einem solchen Falle kein Arbeitsentgelt, sondern Alg, wenn sie gewissermaßen insoweit in Vorleistung für den Arbeitgeber eintrete. Dennoch handele es sich um einen vorgezogenen Leistungsfall, der in seinen Elementen den Charakter der Vorläufigkeit trage und deshalb zur endgültigen Festlegung der Leistungen für den eigentlichen Versicherungsfall ungeeignet sei. Daher hätten nach Klärung des Endes des Arbeitsverhältnisses die Leistungsvoraussetzungen neu bestimmt werden müssen. Nach Abschluß eines Kündigungsschutzprozesses müsse somit der Anspruch auf Alg nach Dauer und Höhe gegebenenfalls neu berechnet werden. Wenn das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 - demgegenüber annehme, daß während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers das Beschäftigungsverhältnis nicht fortbestehe, so stehe dies im Widerspruch zu § 160 Abs 1 AFG. Wenn während dieser Schwebezeit ein Beschäftigungsverhältnis nicht bestehe, komme auch eine Beitragspflicht des Arbeitgebers nicht in Betracht. Davon gehe aber diese Bestimmung aus. Sie setze voraus, daß der Arbeitgeber für diese Zeit dem Arbeitsamt die von diesem aufgewendeten Beiträge für die Krankenversicherung zu erstatten habe. Daß in dieser Zeit neben der Versicherungspflicht aufgrund des Alg-Bezuges latent die Versicherungspflicht aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses weiter bestehe und gegebenenfalls vom Arbeitgeber Beiträge zu zahlen seien, habe die Rechtsprechung inzwischen anerkannt. Das müsse auch bei der Leistungsgewährung berücksichtigt werden. Andernfalls müßte ein Arbeitnehmer, der eine rechtswidrige Kündigung erfolgreich angegriffen habe, dennoch eine ungerechtfertigte Minderung seines Leistungsanspruches hinnehmen. Hinsichtlich der Anwartschaftszeit sei daher nicht nur die Zeit bis zum 24. Januar 1984, sondern die bis zum 7. April 1984 zugrunde zu legen. Demnach habe die Klägerin mehr als 720 Kalendertage in einer der Beitragspflicht unterliegenden Beschäftigung gestanden, so daß ihr Alg-Anspruch eine Dauer von 208 Tagen habe. Da die Beklagte das bis zum 6. März 1984 bezogene Alg mit Rücksicht auf die Erstattung durch den Arbeitgeber nicht auf die Anspruchsdauer angerechnet habe, sei sie verpflichtet, über das bisherige Ende des Alg-Bezuges (8. Oktober 1984) hinaus noch für weitere 52 Tage Alg zu gewähren.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 104, 106 AFG. Sie macht geltend, das Alg ersetze im Falle des § 117 Abs 4 AFG nicht den wegen Fehlens eines Arbeitsplatzes ausfallenden Lohn, sondern denjenigen Lohn, der ungeachtet eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich nicht gezahlt werde. Diese Regelung zeige, daß das Beitrags- und das Leistungsrecht an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen könne, die sich gegenseitig nicht auszuschließen brauchten. Wenn aber für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit der Eintritt der faktischen Arbeitslosigkeit genüge, dann könne das nach § 117 Abs 4 AFG gewährte Alg nach Grund, Dauer und Höhe zwangsläufig kein anderes sein, als das, auf das der Arbeitslose nach den §§ 100 ff AFG Anspruch habe. Der Klägerin sei das Alg ab 24. Januar 1984 daher nicht vorbehaltlich der Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig gewährt worden. Infolgedessen führe auch der in Anwendung des § 117 Abs 4 AFG entstandene Anspruch auf Alg dazu, daß im Falle einer neuen Arbeitslosigkeit eine neue Rahmenfrist gemäß § 104 Abs 3 AFG nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinreiche, in der der Arbeitslose die zur Gleichwohlgewährung führende Anwartschaftszeit erfüllt habe (vgl BSG Urteil vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 4/85 -). Bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaftszeit bleibe daher entgegen der Auffassung des LSG die Dauer des bisherigen Anspruchs maßgebend. Das LSG sei in seinem Urteil demgegenüber davon ausgegangen, daß eine Rückabwicklung durchzuführen sei. Es habe indessen nicht angegeben, nach welchen rechtlichen Grundlagen dies zu geschehen habe. So habe es nicht berücksichtigt, daß die Klägerin in dem für die Rückabwicklung maßgebenden Bemessungszeitraum (März 1984) nur 1.158,-- DM erzielt habe, ihr das Alg hingegen nach einem monatlichen Arbeitsentgelt von 1.400,-- DM gewährt worden sei, das den Verhältnissen im Bemessungszeitraum Dezember 1983 entspreche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Berlin zurückzuweisen.
Die Klägerin stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg für weitere 52 Tage.
Nach § 106 Abs 1 Satz 1 AFG richtet sich die Dauer des Anspruches auf Alg nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Da Beschäftigungszeiten von insgesamt mindestens 540 Kalendertagen innerhalb der auf vier Jahre erweiterten Rahmenfrist lediglich eine Anspruchsdauer von 156 Tagen begründen, kann die Klägerin mit ihrem Begehren nur durchdringen, wenn sie innerhalb dieser Rahmenfrist Beschäftigungszeiten von insgesamt 720 Kalendertagen zurückgelegt hat (§ 106 Abs 1 Satz 3 Nrn 1 und 2 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 - BGBl I 1857 -). Das könnte nur dann der Fall sein, wenn die Beschäftigungszeiten, die nach dem 23. Januar 1984 liegen, anzurechnen wären. Bis zum 24. Januar 1984, dem Tage, von dem ab die Klägerin erstmals Alg bezog, hatte sie unter Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung lediglich 717 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Aus Rechtsgründen ist es jedoch nicht möglich, die erforderlichen Beschäftigungszeiten durch Zeiten aufzufüllen, die zwischen dem 24. Januar 1984 und dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses am 7. April 1984 lagen. Die Klägerin hat mit der erneuten Antragstellung am 9. April 1984 keinen neuen Anspruch auf Alg erworben. Es verbleibt daher bei der bisherigen Rahmenfrist. Eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen ist, wie der Senat bereits entschieden hat, bei einer Gleichwohlgewährung gemäß § 117 Abs 4 AFG nicht vorgesehen. Daran ändert entgegen der Auffassung des LSG auch der Umstand nichts, daß die Klägerin mit Erfolg gegen die Kündigung zum 31. Dezember 1983 geklagt hat und von ihrem früheren Arbeitgeber so gestellt worden ist, als ob diese Kündigung nicht stattgefunden hätte.
Nach § 104 Abs 2 AFG, der gemäß § 106 Abs 1 Satz 4 entsprechend gilt, geht die Rahmenfrist dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder, was hier nicht einschlägig ist, nach § 105 AFG als erfüllt gelten. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre und wird für Beschäftigungszeiten, die eine Anspruchsdauer von 156 bis 312 Tagen begründen sollen, auf vier Jahre erweitert. Sie reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 104 Abs 3, § 106 Abs 1 Sätze 3 und 4 AFG idF vom 20. Dezember 1982). Diese Verkürzung bewirkt, daß dieselben Beschäftigungszeiten nicht mehrmals zur Erfüllung einer Anwartschaft dienen können. Dies entspricht einem schon immer geltenden Grundsatz der Arbeitslosenversicherung (vgl BSGE 13, 155, 158f = SozR Nr 3 zu § 85 AVAVG; SozR Nr 5 zu § 90 AVAVG; SozR 4100 § 117 Nr 19). Da eine Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte, hat im vorliegenden Falle der Lauf einer der erneuten Arbeitslosigkeit am 7. April 1984 unmittelbar vorausgehenden Rahmenfrist nicht vor dem 24. Januar 1984 beginnen können. Bis zum Vortage lief die vorangegangene Rahmenfrist, in der die Klägerin eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Die Klägerin erfüllte nämlich am 24. Januar 1984 alle Voraussetzungen für den Bezug von Alg gemäß § 100 AFG. Sie war zu diesem Zeitpunkt arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt.
Arbeitslos im Sinne des AFG ist nach § 101 Abs 1 Satz 1 AFG ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Nach der Rechtsprechung des Senats steht ein Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift schon dann nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist. Der Senat hat angenommen, daß ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 101 Abs 1 Satz 1 AFG endet, wenn der Arbeitgeber eine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer nicht mehr beansprucht. Infolgedessen sei ein Arbeitnehmer regelmäßig von dem Zeitpunkt an arbeitslos, zu dem der Arbeitgeber aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung das Arbeitsverhältnis als beendet ansieht und weitere Dienste nicht annimmt, auch wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich weiterbesteht (Urteil des BSG vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 - USK 79268; Urteil des BSG vom 13. Mai 1981 - 7 RAr 39/80 - Dienstblatt -DBl- R der BA Nr 2755a zu § 125 AFG). Diese Rechtsprechung sichert in derartigen Fällen die alsbaldige Zahlung von Alg (oder Alhi) an den plötzlich ohne Arbeitseinkommen dastehenden Arbeitnehmer und ist durch die Regelung des § 117 AFG geboten. In dieser Vorschrift geht das Gesetz nämlich davon aus, daß ein Anspruch auf Alg für eine Zeit bestehen kann, für die der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt hat (§ 117 Abs 1 AFG); es sieht die Gewährung von Alg auch für diese Zeiten vor, soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält (§ 117 Abs 4 AFG). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nrn 16, 18, 19).
Auch die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit ist in Fällen vorliegender Art nicht zweifelhaft. Zwar fehlte es an der nach § 103 Abs 1 Nr 2 AFG für die Verfügbarkeit erforderlichen Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die der Arbeitslose ausüben kann und darf, wenn ein Arbeitsloser kein anderes Beschäftigungsverhältnis eingehen will, solange das Arbeitsgericht über seine Klage gegen die Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht entschieden hat. Indessen schließt allein der Umstand, daß ein Arbeitnehmer durch Kündigungsschutzklage den Bestand seines bisherigen Arbeitsverhältnisses zu wahren sucht, die Verfügbarkeit des gekündigten Arbeitnehmers nicht aus. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber hinsichtlich der Arbeitsleistung in Annahmeverzug gesetzt hat, um seinen Anspruch auf Arbeitsvergütung nicht zu verlieren, wozu in der Regel die Erhebung der Kündigungsschutzklage ausreicht (vgl BAGE 14, 156, 158); denn mit dem Annahmeverzug, der erst endet, wenn der Arbeitgeber wieder bereit ist, die geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen des bisherigen Vertragsverhältnisses entgegenzunehmen, wird der Arbeitnehmer in der Regel von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei (vgl § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Der Arbeitnehmer ist deshalb nicht gehindert, ein anderes Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, was von ihm im übrigen auch erwartet wird; denn er muß sich auf seinen Vergütungsanspruch für die Zeit des Annahmeverzuges anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen (vgl § 615 Satz 2 BGB).
Der Gewährung des Alg ab 24. Januar 1984 stand schließlich nicht entgegen, daß der Anspruch an sich nach § 117 Abs 1 AFG ruhte, da die Klägerin für den Zeitraum vom 24. Januar bis 6. April 1984 Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses hatte; denn die Beklagte war gemäß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG gleichwohl zur Leistung verpflichtet, da die Klägerin das ihr zustehende Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhielt. Die Beklagte tritt zwar bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gewissermaßen in Vorleistung für den Arbeitgeber ein, dennoch zahlt sie kein Arbeitsentgelt, sondern Alg aus der Arbeitslosenversicherung. Auch Tage, für die der Anspruch auf Alg gemäß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG erfüllt wird, mindern die Dauer des Anspruches. Die Vorschrift des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG begründet keinen eigenen, mit dem regulären Alg-Anspruch nicht identischen Anspruch, wie der Senat in BSG SozR 4100 § 117 Nr 16 schon entschieden hat, sondern lediglich eine Ausnahme von § 117 Abs 1 bis 2 AFG. Sie verlegt zugunsten des Arbeitslosen, dessen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Leistungen vom Arbeitgeber nicht erfüllt werden, den Zeitpunkt, von dem an der Anspruch auf Alg zu erfüllen ist, vor. Sie ordnet die Gewährung an und nimmt damit den Anspruch auf Alg insoweit von dem Ruhen aus, das anderenfalls nach § 117 Abs 1 bis 2 AFG eingetreten wäre. Der Arbeitslose wird hierdurch so behandelt, als wenn er keine Entgeltansprüche hätte; er wird vor den Nachteilen der gleichzeitigen Vorenthaltung von Alg und Arbeitsentgelt für diese Zeit geschützt. Das Alg, das dem Arbeitslosen hiernach gewährt wird, ist daher nach Grund, Dauer und Höhe der Leistung kein anderes Alg als das, auf das der Arbeitslose nach den §§ 100 ff AFG Anspruch hat und das an sich nach § 117 Abs 1 bis 2 AFG ruht. Der Arbeitslose erhält in den Fällen des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG das ihm aufgrund seiner Anwartschaft zustehende Alg in der Zeit, für die er das ihm an sich zustehende Arbeitsentgelt nicht erlangt, vorweg. Das Alg wird nicht vorbehaltlich der Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig gewährt. Die Gewährung bleibt rechtmäßig, auch wenn der Empfänger des Alg später das Arbeitsentgelt oder eine nach § 117 AFG an sich zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führende Leistung erhält; denn die Zahlung des Arbeitgebers wirkt nicht auf die Zeit der Gleichwohlleistung zurück. Das Gesetz sieht nicht vor, daß die Alg-Bewilligung rückwirkend aufzuheben ist, sobald sich herausstellt, daß das Arbeitsverhältnis über den Tag hinaus, von dem an nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG Alg gewährt worden ist, Bestand gehabt hat. Auch für den Fall, daß der Arbeitgeber der Beklagten die Aufwendungen für den Versicherungsfall ersetzt hat, ist eine Rückabwicklung des Leistungsfalles, insbesondere die rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung, nicht vorgesehen. Selbst wenn die Beklagte vom Alg-Empfänger Beträge in Höhe des gezahlten Alg erstattet verlangt, weil das Arbeitsentgelt trotz des Überganges des Anspruches auf die Beklagte an den Arbeitslosen gelangt ist, setzt dies nicht die Aufhebung der Alg-Bewilligung voraus, wie der Senat schon zu § 152 Abs 2 AFG (in der ursprünglichen, bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung des Gesetzes) entschieden hat (Urteil vom 20. Juni 1978 - 7/12/7 RAr 126/75 - DBl R der BA Nr 2360a zu § 152 AFG). Nach der Rechtsprechung des Senats hat daher auch der in Anwendung des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG entstandene Anspruch auf Alg zur Folge, daß im Falle einer neuen Arbeitslosigkeit eine neue Rahmenfrist gemäß § 104 Abs 3 AFG nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose die zur Gleichwohlgewährung führende Anwartschaft erfüllt hatte. Bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft bleibt infolgedessen die Dauer des bisherigen Anspruches maßgebend (vgl dazu Urteile des Senats vom 4. September 1979 - 7 RAr 51/78 - USK 79268 - und vom 11. Juni 1987 - (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19).
Allerdings erscheint es unbillig, wenn der Anspruch auf Alg auch um die Tage eines Bezuges gemindert bleibt, wenn die Beklagte für ihre Aufwendungen infolge des Anspruchsüberganges nach § 115 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) Ersatz erlangt. Der Gesetzgeber hat zwar keine Regelung für diese Fallgestaltung getroffen; es ist indes allgemein anerkannt und wird auch von der Beklagten so gehandhabt, wie der Senat in BSG SozR 4100 § 117 Nr 16 dargestellt hat, daß von dem Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt in Höhe des Alg an die Bundesanstalt zahlt oder der Arbeitnehmer das empfangene Alg erstattet oder ein zum Schadensersatz Verpflichteter die Bundesanstalt entschädigt, eine eingetretene Minderung der Dauer des Anspruches auf Alg entfällt. Eine solche "Gutschrift" hat im vorliegenden Falle die Beklagte auch erbracht.
Der im Schrifttum vertretenen Ansicht, das Gesetz enthalte eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Lücke, weil es für den Fall der Gleichwohlgewährung keine Korrektur der Rahmenfrist bzw keine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen vorsehe (Gagel/ Steinmeyer, Kommentar zum AFG, Stand Januar 1986, § 104 Rdzf 30; Gagel/Gagel, aaO, § 117 Rdzf 204 ff), der sich das LSG angeschlossen hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine dem Plan des Gesetzes widersprechende Lücke liegt, wie der Senat in seinem Urteil vom 11. Juni 1987 (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19) dargelegt hat, nicht vor.
Gegen eine spätere Korrektur der Rahmenfrist bzw eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen spricht ferner, daß Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz der Sozialversicherung, nach dem für die Berechnung einer vom Eintritt des Versicherungsfalles abhängigen Leistung die Verhältnisse zur Zeit des Eintritts maßgebend sind, einer ausdrücklichen Vorschrift bedürfen (vgl BSGE 42, 163, 167 = SozR 2200 § 561 Nr 3). Schließlich muß darauf hingewiesen werden, daß eine Korrektur der Rahmenfrist bzw eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen nach endgültiger Klärung des Endes des Arbeitsverhältnisses dann, wenn die Arbeitslosenversicherung ihre Aufwendungen nicht erstattet erhält, zur Folge hätte, daß einem Arbeitslosen für eine längere Dauer Alg zu zahlen wäre, als er hierauf Anspruch hat.
Der Senat verkennt nicht, wie er bereits in seinem Urteil vom 11. Juni 1987 (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19) dargelegt hat, daß der Arbeitnehmer einen Nachteil in der Arbeitslosenversicherung erleiden kann, wenn er vorzeitig gezwungen ist, diese Versicherung in Anspruch zu nehmen. Hinsichtlich der Dauer des Anspruches auf Alg ist es von Nachteil, wenn die bis zu dem ersten Tage der ersten Arbeitslosigkeit zurückgelegten Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nicht ausreichen, um einen Anspruch mit einer längeren Dauer des Anspruches auf Alg entstehen zu lassen. Das gilt in Sonderheit, wenn die nach der Rahmenfrist zurückgelegten Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung, die zur Begründung des Anspruches mit der längeren Dauer fehlten, nicht ausreichen, eine neue Anwartschaft zu begründen und in Ermangelung einer Anschlußbeschäftigung später verfallen. Ebenso kann es hinsichtlich der Höhe des Alg von Nachteil sein, daß es für die Bemessung von Alg auf Lohnabrechnungszeiträume vor der ersten Arbeitslosigkeit ankommt, wenn bei ordnungsgemäßer Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses ein für den Arbeitnehmer günstigerer Bemessungszeitraum zugrunde zu legen wäre, wie der in dem Urteil vom 11. Juni 1987 (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19) entschiedene Fall zeigt.
Indessen kann es sich umgekehrt für den Arbeitnehmer auch als vorteilhaft erweisen, daß der Anspruch auf Alg schon mit der ersten Arbeitslosigkeit entstanden ist. Die Bindung der Rahmenfrist an den Tag der ersten Arbeitslosigkeit, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind, ist von Vorteil, wenn die Rahmenfrist Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung erfaßt, auf die bei einem späteren Beginn der Rahmenfrist nicht zurückgegriffen werden könnte; denn es ist möglich, daß nur durch diese Zeiten die Anwartschaftszeit erfüllt bzw eine längere Dauer des Anspruches auf Alg begründet wird. Die nach der Rahmenfrist zurückgelegten Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigung stehen dann zur Begründung eines späteren Anspruches auf Alg zur Verfügung. Insbesondere kann sich aber hinsichtlich der Höhe des Alg die frühe Entstehung des Anspruches als vorteilhaft erweisen, wenn, wie das hier der Fall ist, der Arbeitnehmer in späteren Lohnabrechnungszeiträumen ein geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat. Daß es im vorliegenden Falle für die Klägerin hinsichtlich der Dauer des Anspruches nachteilig ist, daß nach der Gleichwohlgewährung gemäß § 117 Abs 4 AFG eine Neubestimmung der Leistungsvoraussetzungen nicht vorgesehen ist, gibt dem Senat daher keine Veranlassung, von der gesetzlichen Systematik abzuweichen.
Hat im vorliegenden Falle der Lauf einer der erneuten Arbeitslosigkeit am 7. April 1984 unmittelbar vorausgehenden Rahmenfrist demnach nicht vor dem 24. Januar 1984 begonnen, so hat die Klägerin in dieser Rahmenfrist die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlichen 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 104 Abs 1 AFG) schon deshalb nicht zurücklegen können, weil die Rahmenfrist weniger als 360 Kalendertage umfaßt hat. Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, das Alg für weitere 52 Tage zu gewähren.
Hat hiernach das SG die Klage zu Recht abgewiesen, dann muß auf die Revision der Beklagten die Berufung der Klägerin zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen