Leitsatz (redaktionell)
Zur Anwendung des RVO § 183 Abs 5 ist erforderlich, daß das Krankengeld schon bezogen wird, wenn die Berufsunfähigkeitsrente zugebilligt worden ist; sie darf also frühestens 1 Tag nach dem Beginn des Krankengeldes gezahlt werden.
Der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kann der Krankengeldbezugszeit nicht gleichgesetzt werden.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 5 Fassung: 1961-07-12
Tenor
Die Sprungrevision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17. Dezember 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der knappschaftlich versicherte J P wurde am 1. August 1963 krankgeschrieben und erhielt von der klagenden Ortskrankenkasse Krankengeld vom 2. August 1963 an. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die beklagte Knappschaft mit Bescheid vom 27. September 1963 Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1. August 1963 an. Daraufhin begehrte die Klägerin unter Berufung auf § 183 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von der Beklagten Ersatz ihrer Aufwendungen in Höhe von 468,40 DM; maßgebend für den Krankengeldanspruch sei der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit; dieser müsse bei der Anwendung der genannten Vorschrift dem Krankengeldbezug gleichgesetzt werden. Die beklagte Ruhrknappschaft lehnte jedoch diesen Anspruch ab, da die Rente wegen BU schon von einem Zeitpunkt an bewilligt worden sei, der vor dem Bezug des Krankengeldes liege.
Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat sie abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Rentenanspruch des Versicherten sei nicht auf die Klägerin übergegangen, weil dem Versicherten die Rente nicht rückwirkend von einem Zeitpunkt an zugebilligt worden sei, der in die Zeit des Krankengeldbezuges falle. Bei der Auslegung des Begriffs "Zubilligung der Rente" in dieser Vorschrift (§ 183 Abs. 5 RVO) komme es nicht auf den Eintritt des entsprechenden Versicherungsfalles der BU an. Genauso müsse es sich auch hinsichtlich des Krankengeldanspruchs verhalten, zumal in § 183 Abs. 5 RVO ausdrücklich von dem konkreten Bezug von Krankengeld die Rede sei.
Die Klägerin hat gegen das Urteil mit Einwilligung der Beklagten Sprungrevision eingelegt.
Sie trägt vor, die Arbeitsunfähigkeitszeit müsse in § 183 Abs. 5 RVO der Krankengeldbezugszeit gleichgesetzt werden. Dies ergebe sich auch aus § 183 Abs. 2 RVO, wonach die Arbeitsunfähigkeit vom Tage ihres Beginns an bis zur Dauer von 78 Wochen als Zeitraum für die Gewährung des Krankengeldes bestimmt sei. Der Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit sei also, gleichgültig ob für ihn Krankengeld zu zahlen sei oder nicht, stets in die Krankengeldgewährungszeit nach § 183 Abs. 2 RVO einzurechnen. Es sei kein Grund erkennbar, daß mit "während des Bezugs von Krankengeld" in § 183 Abs. 5 RVO etwas anderes gemeint sein könne als mit "Gewährung von Krankengeld" in § 183 Abs. 2 RVO. Wenn es anders wäre, käme man bei der Anwendung des § 183 Abs. 5 RVO zu sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Rechtsfolgen, je nachdem, ob für den Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen sei oder nicht.
Wenn Rente und Krankengeldbezug gleichzeitig beginnen würden, so müßten die Zeitpunkte, die nicht vor dem Krankengeldbezug lägen, als während des Krankengeldbezuges liegend angesehen werden. Da hier vor Rentenbeginn keine Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, gelte das Krankengeld als während des Bezugs der Rente gewährt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 17. Dezember 1965 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, DM 468,48 an die Klägerin zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Sprungrevision ist zulässig; insbesondere reicht die unter Heranziehung einer Fotokopie der Einverständniserklärung der Beklagten gefertigte beglaubigte Ausfertigung zur Erfüllung der Formvorschrift des § 161 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aus, zumal schon die Vorlage der Fotokopie der Einverständniserklärung genügen würde (vgl. BSG vom 13. Februar 1964, SozR SGG § 161 Nr. 17).
In der Sache selbst ist das Rechtsmittel nicht begründet. Nach § 183 Abs. 5 RVO wird, wenn dem Versicherten während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen BU oder Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird, das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt; insoweit geht bei rückwirkender Gewährung der Rente der Rentenanspruch auf die Kasse über. Hierzu hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 18. Dezember 1963 (BSG 20, 135) ausgeführt, daß ein Übergang des Anspruchs auf Rente nach § 183 Abs. 5 RVO nicht stattfindet, wenn die Rente rückwirkend von einem Zeitpunkt an gewährt wird, der vor dem Beginn des Krankengeldes liegt. In den Entscheidungsgründen heißt es, der Gesetzgeber sei offenbar bei dieser Regelung von der Erwägung ausgegangen, daß bei Zubilligung der BU-Rente während des Bezugs von Krankengeld dieses im allgemeinen noch auf Grund des Lohnes berechnet worden sei, den der Versicherte noch vor Eintritt der BU, also meist noch bei ungeminderter Arbeitskraft verdient habe; es sei daher gerechtfertigt, dieses volle Krankengeld bei Hinzutritt der BU-Rente in Höhe dieser Rente zu kürzen, während bei Zubilligung der BU-Rente schon vor dem Bezug des Krankengeldes dieses in der Regel von einem durch die Erwerbsfähigkeit schon geminderten Entgelt berechnet werde und daher eine weitere Minderung wegen der BU-Rente nicht gerechtfertigt sei. Unter Beginn der Rente sei der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an die Rente dem Versicherten zustehe, also bei rückwirkender Bewilligung der Rente von dem Zeitpunkt an, von dem an die Rente zu zahlen sei. Aus den gesetzlichen Materialien könne nicht entnommen werden, daß für die Kürzung des Krankengeldes nach § 183 Abs. 5 RVO nicht der Tag des Rentenbeginns, sondern der Zeitpunkt des Eintritts der BU maßgebend sein solle. Der Sinn des Gesetzes sei nicht darauf gerichtet, das Krankengeld immer dann zu kürzen, wenn Arbeitsunfähigkeit und BU im gleichen Monat eintreten.
Im vorliegenden Fall beginnt das Krankengeld wegen der Vorschrift des § 182 Abs. 3 RVO erst am Tage nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, nämlich am 2. August 1963, während die Rente rückwirkend schon am 1. August 1963 beginnt. Die Rente ist also nicht während des Bezuges von Krankengeld zugebilligt worden.
Selbst wenn man aber der Revision folgen und den Tag des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit (1. August 1963) schon als Bezugszeit von Krankengeld ansehen wollte, könnte dennoch § 183 Abs. 5 RVO nicht angewendet werden. Auch dann wäre die Rente nicht "während des Bezuges von Krankengeld" zugebilligt worden. Es würden allenfalls beide Leistungen an demselben Tage beginnen. Nach dem Sprachgebrauch bedeutet aber "während des Bezuges", daß das Krankengeld schon bezogen wird, wenn die Rente zugebilligt worden ist, diese darf also frühestens einen Tag nach dem Beginn des Krankengeldes gezahlt werden.
Aus § 183 Abs. 2 RVO läßt sich nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Hierdurch wird die Dauer des Krankengeldes für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung auf höchstens 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren begrenzt, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit. Hier wird also ebenso wie in § 183 Abs. 4 RVO ausdrücklich auf den Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf den Bezug von Krankengeld abgestellt.
Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 193 Abs. 4 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen