Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 25.08.1992) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. August 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten dem Grunde nach um Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) und um die zuständige Versicherungsträgerin.
Die am 28. Januar 1974 geborene Klägerin wohnte in Stade und hatte dort im Reitunterricht reiten gelernt; zum Reiten war sie auf fremde Pferde angewiesen. Im Sommer des Jahres 1989 durfte die Klägerin ihre Schulferien auf dem Hof eines landwirtschaftlichen Unternehmens von ca 80 ha verbringen, das von dem Ehemann ihrer Tante betrieben wurde. In diesem Betrieb hielt der Unternehmer zwei Reitpferde (ein Pony und ein Pferd mit dem Stockmaß 1,58 m) für seine beiden Töchter. Der Unternehmer hatte das größere Reitpferd erst kürzlich erworben und es zwei Wochen zuvor seiner älteren Tochter zum eigenen Gebrauch überlassen.
Während der Ferien wollte die Klägerin die Gelegenheit zum Reiten ausnutzen. Am 28. Juli 1989 holten die Tante der Klägerin und ihr Ehemann die Klägerin von deren Wohnung ab und fuhren sie mit dem Pkw auf ihren Hof. Dort wurden die Angekommenen von den Töchtern des Unternehmers begrüßt. Sie waren gerade von der etwa 4 km entfernten Reitschule zurückgekommen, wo sie Reitunterricht gehabt hatten. Auf dem Weg hatte eine das Pferd geritten und die andere war mit dem Fahrrad nebenher gefahren. Bei der Begrüßung führte die jüngere Tochter das Pferd am Halfter. Es war naßgeschwitzt. Deshalb fragte die Tante die Klägerin, die schon immer den Wunsch geäußert hatte zu reiten, ob sie das Pferd trockenreiten wolle. Dazu erklärte die Klägerin sich bereit. Sie verzichtete darauf, ihre Reitkleidung anzuziehen, lieh sich lediglich von einer Cousine eine Sicherheitskappe, stieg auf das Pferd und bewegte es dann zunächst auf dem Hofplatz im Schritt. Später verließ die Klägerin den Hofplatz und ritt etwa 5 bis 7 Minuten durch die Bauernschaft Stevern. Auf dem Rückweg galoppierte das Pferd auf der Straße und rutschte in den Straßengraben. Die Klägerin stürzte auf die Fahrbahn und erlitt ein Schädelhirntrauma III. Grades. Als Unfallfolge verblieb ein Hirnsubstanzdefekt mit apallischem Syndrom und dauernder Pflegebedürftigkeit.
Die Beklagte lehnte es ab, Unfallentschädigung zu gewähren, weil im Vordergrund der Verrichtung das private Interesse der Klägerin am Reiten gestanden habe (Bescheid vom 8. August 1990, Widerspruchsbescheid vom 20. September 1990).
Das Sozialgericht (SG) Stade hat die Tante der Klägerin als Zeugin vernehmen lassen und sodann die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Januar 1992). Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen ohne weitere Sachaufklärung die Beklagte verurteilt, den Unfall der Klägerin vom 28. Juli 1989 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 25. August 1992). Zur Begründung hat es ausgeführt, zum Unfallzeitpunkt habe die Klägerin eine der Haltung der Reitpferde zuzurechnende Tätigkeit verrichtet. Deshalb sei sie nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen. Das Pferd sei naßgeschwitzt gewesen und habe getrocknet werden müssen. Auf Bitte der Tante habe die Klägerin es übernommen, das Pferd trockenzureiten. Das Trockenreiten sei als eine dem landwirtschaftlichen Unternehmen, in dem das Pferd gehalten worden sei, dienende Tätigkeit zu werten. Ob die Klägerin allein aus eigenem Antrieb oder erst auf Bitten ihrer Tante das Pferd geritten habe, könne unentschieden bleiben. Bei dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO komme es auf die Beweggründe des Handelns nicht entscheidend an. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die unfallbringende Verrichtung nach der Handlungstendenz des Verletzten eindeutig eigenwirtschaftlichen Motiven zuzurechnen sei, die die betrieblichen Notwendigkeiten für das Tun in den Hintergrund drängten. Dafür lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, zumal die Klägerin vernehmungsunfähig sei. Durch den Umstand, daß die Klägerin 5 – 7 Minuten durch die Bauernschaft geritten sei, habe sie ihren Versicherungsschutz nicht verloren. Auch der Umstand, daß kurz vor dem Erreichen der Hofstelle Galopp geritten worden sei, könne daran nichts ändern. Denn bei dem notwendigen Trockenreiten handele es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, der nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden könne. Insoweit schade letztlich auch ein mögliches auftragswidriges Handeln nicht. Zuständig sei die beklagte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (BG) und nicht die beigeladene BG für Fahrzeughaltungen. Auch wenn die besonderen Risiken des Reitsports nicht zu verkennen seien, erscheine es mit dem 11. Senat des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (SozR 5850 § 1 Nr 4) nicht sachgerecht, in der landwirtschaftlichen UV den Versicherungsschutz nur auf die Haltung von Nutztieren mit und ohne Bodenbewirtschaftung zu beschränken und davon Pferde oder sonstige Haustiere auszugliedern. Eine derartige Ausgrenzung widerspreche dem Gedanken der Solidargemeinschaft in der landwirtschaftlichen UV, solange die Tiere in einer engen Wechselbeziehung mit der Bodenbewirtschaftung gehalten und in landwirtschaftlichen Gebäuden untergebracht würden. Der Versicherungsschutz erstrecke sich auf alle mit der Pferdehaltung zusammenhängenden Arbeiten einschließlich des dem Wohlbefinden der Tiere dienenden Bewegens und Reitens.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das LSG habe die nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendige Beiladung der Krankenkasse der Klägerin unterlassen. Es habe ohne die erforderliche Sachaufklärung und zu Unrecht unterstellt, daß zwischen der an sich nicht landwirtschaftlichen Ponyhaltung und dem landwirtschaftlichen Betrieb des Ponyhalters eine ihre Zuständigkeit begründende Beziehung bestehe. Unabhängig davon liege auch kein landwirtschaftlicher Arbeitsunfall vor. Bei Beachtung der mit § 128 SGG vorgegebenen Verfahrensgrundsätze hätte das LSG keine nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO versicherte Tätigkeit bejahen dürfen. Mit dem Besuch bei ihrer Tante habe die Klägerin den Zweck verfolgt, zu ihrem Privatvergnügen zu reiten; das sei eine grundsätzlich unversicherte Verrichtung. Das LSG hätte nach der Aktenlage feststellen müssen, daß die Klägerin diesen Zweck ausschließlich auch bei der unfallbringenden Handlung verfolgt habe. Allein zuverlässig sei das aus dem Ergebnis der Anhörung ihrer Cousine Ute vom 3. August 1989 in der Polizeistation zu entnehmen. Diese alsbald nach dem Unfall erfolgte Anhörung sei nach forensischer Erfahrung am ehesten frei von – bewußt oder unbewußt hinzugekommenen – zielgerichteten Darstellungen oder Überlegungen. Danach habe die Klägerin sofort mit dem Pferd reiten wollen. Nach einigen Runden im Hof habe sie sich in der Lage gefühlt, durch die Bauernschaft zu reiten. Es kennzeichne den damit verfolgten Zweck, daß die Cousine Ute nicht nebenher mitgelaufen sei, sondern sofort ihr Fahrrad genommen habe, um hinterher bzw nebenher zu fahren. Trockenreiten im Schrittempo sei danach von vornherein nicht beabsichtigt gewesen. In diesem Zusammenhang müsse auch das unfallbringende Galoppieren gesehen werden. Schließlich läge auch dann keine versicherte Tätigkeit vor, wenn Trockenreiten und damit eine betriebliche Handlungstendenz unterstellt würde, weil diese Verrichtung dann wegen ihres familienhaften Gepräges unversichert gewesen wäre.
Die Beigeladene vertritt die Meinung, das LSG habe die Zuständigkeit der Beklagten zutreffend entschieden. In landwirtschaftlichen Betrieben müsse die Tierhaltung zu Hobbyzwecken auch regelmäßig dem betreffenden landwirtschaftlichen Unternehmen zugerechnet werden. Dies gelte auch für die Haltung von kleinen Reitpferden für die Töchter des Unternehmers. Denn es sei in der Landwirtschaft üblich, daß solche Hobbytierhaltung im Zusammenhang und in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu dem landwirtschaftlichen Unternehmen stehe, jedenfalls soweit letzteres – wie im vorliegenden Falle – eine Existenzgrundlage iS des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) bilde.
Mit der Beklagten sei aber davon auszugehen, daß die Klägerin keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Die Klägerin sei nicht arbeitnehmerähnlich iS des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 RVO tätig geworden, sondern der Handlungstendenz nach so sehr im eigenen Interesse zur privaten Gestaltung ihrer Freizeit, daß der betriebliche Nutzen für die Tierhaltung und den landwirtschaftlichen Betrieb nur ein unerheblicher Nebeneffekt gewesen sei. Zwar überließen berufsmäßig oder sportlich stark in Anspruch genommene Reiter das Trockenreiten üblicherweise bezahlten Hilfskräften, aber normale Freizeitreiter, die sich aus Liebhaberei ein Reitpferd hielten, besorgten oder ließen das Trockenreiten ausschließlich aus Interesse des Reiters am Reiten zur privaten Freizeitgestaltung besorgen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des LSG, insbesondere auch zur Zuständigkeit der Beklagten, für zutreffend. Die Voraussetzungen des § 75 Abs 2 SGG für eine notwendige Beiladung ihrer Krankenkasse seien nicht erfüllt und auch von der Beklagten nicht dargelegt. Im übrigen erschöpfe sich die Revision und auch die Meinung der Beigeladenen darin, eine von den tatsächlichen Feststellungen des LSG abweichende Beweiswürdigung vorzunehmen, ohne zulässige und begründete Verfahrensrügen zu erheben. Für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO genüge es, daß fremdnützige Motive für die unfallbringende Handlung handlungsursächlich seien. Auf die weitere Motivationslage komme es daneben nicht mehr an. Das LSG habe festgestellt, ausschlaggebend dafür, daß sie das Pferd bestiegen habe, sei ausschließlich der Wunsch ihrer Tante gewesen, ihr und ihren Cousinen die Arbeit des Trockenreitens abzunehmen. Ein Verhalten, das lediglich darauf gezielt habe, dem eigenen Hobby nachzugehen, habe das LSG gerade nicht festgestellt. Die Differenzierungen der Beigeladenen hinsichtlich des Trockenreitens seien nicht nur unzutreffend, sondern auch rechtlich unerheblich. Diese Tätigkeit werde regelmäßig im Rahmen eines dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglichen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt, so wie sie es iS des § 539 Abs 2 RVO getan habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen ist. Es fehlen ausreichende Feststellungen über die tatsächlichen objektiven Umstände, unter denen die Klägerin die unfallbringende Handlung vorgenommen hat. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen zu dem Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO keine Entscheidung darüber zu, in welchem Verhältnis das eigene Freizeitgestaltungsinteresse der Klägerin an dem unfallbringenden Reitvorhaben zu der erforderlichen Handlungstendenz stand, eine betriebsnotwendige Tätigkeit für das landwirtschaftliche Unternehmen auszuführen.
Entgegen der Meinung der Revision liegt allerdings kein Verfahrensfehler darin, daß das LSG die Krankenkasse der Klägerin nicht zum Verfahren beigeladen hat. Es fehlen die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung iS des § 75 Abs 2 SGG. Selbst wenn der Krankenkasse wegen des streitigen Unfalls ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zustünde, wäre sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats an dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, das Gegenstand dieses Rechtsstreits ist, nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann; ein solcher Erstattungsanspruch betrifft einen anderen Streitgegenstand (s die Beschlüsse des Senats vom 2. November 1988 – 2 BU 110/88 – mwN in HV-Info 1989, 105 und vom 25. Februar 1990 – 2 BU 138/89 –).
Zutreffend hat das LSG mit eingehender Begründung entschieden, daß die beklagte landwirtschaftliche BG für Unfälle im Zusammenhang mit der Haltung des in den Unfall verwickelten Reitpferdes die zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist (§§ 790, 776 Abs 1 Nr 1, § 791 iVm § 646 Abs 3 RVO). Dazu reichen die Feststellungen des LSG aus, daß das betreffende landwirtschaftliche Unternehmen, dessen Unternehmer ihr Mitglied ist, einen Vollerwerbsbetrieb von ca 80 ha mit Bodenbewirtschaftung umfaßt, in dessen Rahmen der Unternehmer auch das Reitpferd auf der Weide des Betriebes und in seinen landwirtschaftlichen Gebäuden hält. Eine derartige Haltung von Reitpferden jeglicher Größe ist dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzuordnen, ohne daß es auf die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall ankommt (BSG SozR 5850 § 1 Nr 4).
Ob die Klägerin aber in dem betreffenden Unternehmen einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall erlitten hat, läßt sich aufgrund der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht entscheiden.
Das LSG hat aus dem Kreis der Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO zwar zutreffend herausgestellt, eine danach versicherte Tätigkeit müsse unter Umständen von der Art geleistet werden, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sei.
Dem steht nicht entgegen, daß die verunglückte Klägerin mit dem Unternehmer des als unterstützt geltend gemachten landwirtschaftlichen Betriebes im dritten Grad in der Seitenlinie verschwägert (§ 1590 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) und mit dessen Ehefrau im dritten Grad in der Seitenlinie verwandt ist (§ 1589 BGB). Daraus allein folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats noch keine familienhafte Prägung der geltend gemachten Handlung, die eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausschließt. Diese relativ weitläufigen familiären Beziehungen müssen im Zusammenhang mit dem jungen Alter der Klägerin und der nach Art und Umfang durchzuführenden Verrichtung gesehen werden. Bei dem konkreten, in seiner Gesamtheit zu würdigenden Reitvorhaben auf dem betreffenden Pferd hat es sich, gleichgültig ob die Klägerin es zum „Trockenreiten” oder überwiegend aus privatem Reitvergnügen bestiegen und geritten hatte, jedenfalls nicht um eine Leistung gehandelt hat, die unter Verschwägerten und Verwandten diesen Grades üblich und typisch ist und dementsprechend – auch nicht unter dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt der Gegenleistung für den Ferienaufenthalt – ohne weiteres erwartet werden darf (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 6; BSG Urteil vom 20. April 1993 – 2 RU 38/92 –). Dies ist allerdings nach den allgemeinen für die gesamte Unfallversicherung geltenden Auslegungsmaßstäben zu beurteilen. Die von dem LSG aufgezeigten Besonderheiten der landwirtschaftlichen Unfallversicherung (s S 15 und 16 des Urteils des LSG) rechtfertigen über die tatsächlichen Unterschiede hinaus nur im Rahmen der besonderen Regelungen für den Versicherungsschutz mitarbeitender Familienangehöriger eine abweichende rechtliche Beurteilung (s § 539 Abs 1 Nr 5 RVO).
Die bisher vom LSG festgestellten Tatsachen lassen jedoch keine Entscheidung darüber zu, ob die unfallbringende Handlung entsprechend den allgemeinen, auch für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO geltenden Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung in einem inneren Zusammenhang mit dem in Betracht kommenden landwirtschaftlichen Unternehmen gestanden hat (s das Urteil des Senats vom 25. November 1992 – 2 RU 48/91 – in HV-Info 1993, 305 = BAGUV RdSchr 12/93). Ein solcher anspruchsbegründender innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen liegt schon dann nicht mehr vor, wenn eine Person wesentlich allein im Rahmen und im Interesse ihres eigenen Unternehmens für dieses oder wie eine Unternehmerin tätig wird (s das Urteil des Senats vom 25. November 1992 aaO mwN). Es reicht für einen Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO nicht aus, daß die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist. Somit ist es nicht allein maßgebend, daß das Pferd – worauf sich das LSG wesentlich stützt – sonst von den Cousinen hätte „getrocknet” werden müssen. Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Vielmehr kommt der mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Tun verbundenen Handlungstendenz ausschlaggebende Bedeutung zu (s BSG SozR 2200 § 539 Nr 119). Verfolgt nämlich eine Person mit solchem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 539 Abs 2 RVO wie eine nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift Tätige unter Versicherungsschutz (s das Urteil des Senats vom 25. November 1992 aaO mwN).
Zutreffend hat auch das LSG aus dem Kreis der rechtlichen Beurteilungskriterien hervorgehoben: Wie bei allen Zurechnungsentscheidungen sind die gesamten Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild für die Beurteilung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 2 RVO in Betracht zu ziehen. Das gilt nicht nur für die unmittelbar zum Unfall führende Verrichtung, sondern es ist vielmehr auf das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens abzustellen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 8).
Das LSG hat aber nicht berücksichtigt, daß diese Grundsätze auch für die Feststellung des inneren Zusammenhangs der unfallbringenden Handlung mit dem unterstützten Betrieb und damit für die ausschlaggebende Handlungstendenz gilt. Erst dann, wenn nach einer solchen Gesamtbetrachtung die erforderliche Handlungstendenz durch die festgestellten Umstände derart bestätigt wird, daß diese Handlungstendenz entweder außer jedem Zweifel steht oder zumindest nach einer gesonderten Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (s § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) erwiesen ist, gewinnt der vom LSG angewandte Satz die zutreffende Aussagekraft, daß es auf die sonstigen Beweggründe für das Handeln nicht entscheidend ankommt.
Im vorliegenden Fall hat das LSG keine objektiven Umstände festgestellt, die es außer jeden Zweifel stellen, daß die Klägerin bei der Ausführung ihres unfallbringenden Reitvorhabens mit der erforderlichen Handlungstendenz vorging, die darauf zielte, eine der Pferdehaltung des landwirtschaftlichen Unternehmens zu dienen bestimmte Tätigkeit zu verrichten. Das LSG hat diese Handlungstendenz auch nicht nach einer Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens festgestellt. Aufgrund welchen Motives die Klägerin letztlich das Pferd geritten hat, läßt sich zwar, worauf es das LSG maßgebend abstellt, wegen ihrer Vernehmungsunfähigkeit nicht mehr klären; jedoch ergeben die bisher durchgeführten Beweiserhebungen und die daraus abgeleiteten tatsächlichen Feststellungen nicht, daß alle erreichbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind. So weisen bereits die Feststellungen des LSG einzelne ernsthafte Anhaltspunkte auf, die im Sinne der Beklagten, der Beigeladenen und des SG dafür sprechen können, daß die Klägerin bei der unfallbringenden Verrichtung rechtlich wesentlich allein ihr privates Vergnügen am Reiten verfolgte.
Das LSG hat festgestellt: Die fünfzehnjährige Klägerin hatte in Stade das Reiten gelernt. Im Sommer 1989 wollte sie einen Teil ihrer Schulferien zusammen mit ihren Cousinen auf dem Hof des Ehemannes ihrer Tante verbringen und dort auch die Gelegenheit zum Reiten ausnutzen. Sie hatte immer schon den Wunsch zu reiten geäußert. Als sie auf dem Hof eintraf, kamen ihr ihre Cousinen mit dem naßgeschwitzten größeren der beiden Pferde des Unternehmers entgegen. Die Klägerin wollte – unmittelbar nach ihrer Ankunft auf dem Hof – dieses Pferd reiten. Das Pferd mußte getrocknet werden. Ihre Tante fragte die Klägerin, ob sie das Pferd trockenreiten wolle. Daraufhin lieh sich die Klägerin, deren Reitkleidung noch in ihrem Koffer lag, einen Reithelm aus und ritt zunächst auf dem Hof herum. Danach verließ sie das Hofgelände und ritt 5 bis 7 Minuten durch die Bauernschaft Stevern. Auf dem Rückweg fiel das Pferd auf der Straße in Galopp und rutschte in den Graben. Dabei stürzte die Klägerin auf die Fahrbahn und zog sich schwere Verletzungen zu.
Unter diesen festgestellten Umständen können der dringende Reitwunsch, das Verlassen des Hofgeländes und der Ritt durch die Bauernschaft Stevern mit abschließendem Galopp auch für eine Handlungstendenz sprechen, mit der rechtlich wesentlich allein privates Reitvergnügen im eigenen Interesse verfolgt wird. Die Feststellungen allein, daß das Trockenreiten notwendig gewesen und von der Klägerin auf Anfrage ihrer Tante übernommen worden sei, vermag eine rechtlich allein wesentliche Verfolgung eigener Interessen, zumindest vom Verlassen des Hofgeländes ab, keineswegs auszuschließen. Dazu sind noch zu viele Tatsachen ungeklärt, die unter Umständen weiteren Aufschluß über die fragliche Handlungstendenz geben könnten. Ganz am Anfang dessen steht die Frage, was „Trockenreiten” bedeutet, was konkret mit dem Pferd zu geschehen hatte und was, wo und wie lange im einzelnen von der Klägerin verlangt worden ist. Wenn die Klägerin genügend Reitfähigkeiten hatte, auch ein fremdes Pferd, das erst seit zwei Wochen im Besitz des Unternehmers war, ohne Vorbereitung zu reiten, wenn sie im „Trockenreiten” ausreichend geübt war, um sofort zu wissen, was zu tun ist, und wenn sie schließlich durch die Art und Weise, wie, wo und wie lange sie das Pferd ritt, gezeigt hat, daß sie dem Auftrag entsprechend handeln wollte, dann könnte das zusätzlich für die erforderliche Handlungstendenz sprechen. Andererseits bestätigte es vornehmlich das eigene Privatinteresse, wenn das Reiten auf dem Hof nur als Einübung im Reiten anzusehen wäre, wenn das Verlassen des Hofgeländes und eine – aus den Verwaltungsakten ersichtliche und von der Revision hervorgehobene – Begleitung durch die Cousine mit dem Fahrrad für den Beginn eines ungebundenen kurzen Ausritts spräche und wenn die Art und Weise, wie das Pferd bewegt wurde, wohin genau und wie lange in einer Gesamtbetrachtung nicht als „Trockenreiten”, sondern als beliebiges Reiten zum Privatvergnügen gewertet werden müßte. Hätte das Verlassen des Hofes nicht mehr dem Trockenreiten gedient oder hätte es sogar zu einem erneuten Schwitzen des Pferdes führen können, wäre das Reiten der Klägerin einerseits innerhalb der Grenzen des Hofplatzes und andererseits außerhalb dessen unfallversicherungsrechtlich nicht mehr als zwangsläufig „einheitlicher Lebensvorgang” zu werten, sondern wäre – entgegen der Auffassung des LSG – zwar nicht allein wegen eines gegebenenfalls verbotswidrigen Handels, sondern unter Beachtung aller für die Handlungstendenz noch festzustellenden Umstände möglicherweise doch in zwei selbständige Handlungskomplexe zu zerlegen. Dabei ist dann auch der Reifegrad der jugendlichen Reiterin festzustellen und dahin zu berücksichtigen, ob einzelne auftragswidrige Abschnitte eines festgestellten Gesamtvorhabens geeignet sind, die grundsätzlich vorhandene und durch die übrigen objektiven Umstände bestätigte Handlungstendenz auszuschließen.
Dementsprechend ist es im vorliegenden Fall erforderlich, weitere objektive Umstände des beabsichtigten Reitvorhabens und seiner Ausführung, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz der Klägerin zulassen, festzustellen und sie entsprechend zu würdigen. Dazu gehören die Bedeutung und die sachlichen (reiterlichen) Anforderungen des Auftrages der Tante, die Fähigkeiten der Klägerin zu reiten, insbesondere auch ein fremdes unbekanntes Pferd, ihr Ausbildungsstand nach dem Reitunterricht hinsichtlich der von der Tante übertragenen Aufgabe, die persönliche Entwicklung der Klägerin im Hinblick darauf, den speziellen Anforderungen des Auftrages der Tante bis zum erfolgreichen Abschluß gerecht zu werden oder dem jugendlichen Alter entsprechend nach kurzer Zeit nur noch das eigene Interesse zu verfolgen, die Art und Weise, wie die Klägerin das Pferd auf dem Hofgelände geritten hat, warum sie den Hof verlassen, wie sie nach Verlassen des Hofes das Pferd bewegt hat, der Grund dafür, daß die Cousine Ute die Klägerin vom Verlassen des Hofes ab mit dem Fahrrad begleitet hat, wer ihr dazu den Auftrag gegeben hat und warum sowie welcher Grund vorlag, daß das Pferd galoppierte. Dazu sind ua die Tante der Klägerin, ihre Cousine Ute und ihr Reitlehrer zu befragen.
Das LSG wird diese Ermittlungen nachzuholen und alsdann festzustellen haben, ob die Klägerin bei einer Tätigkeit verunglückte, der die für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO erforderliche Handlungstendenz zugrundelag; dabei ist auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen