Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Nachversicherung nach dem Tod eines Ruhestandsbeamten. umfassender Anspruchsverlust. Begründung der Revision. Formerfordernis
Leitsatz (amtlich)
Eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Verlustes des Anspruchs auf beamtenrechtliche Versorgung setzt einen umfassenden Anspruchsverlust voraus. Ein solcher liegt nicht vor, wenn die Witwe eines Beamten lediglich von einzelnen Versorgungsleistungen ausgeschlossen ist.
Orientierungssatz
Die Formstrenge des gerichtlichen Verfahrens und insbesondere des Revisionsverfahrens verlangt unmissverständliche, an den gesetzlichen Vorschriften ausgerichtete Erklärungen. Deshalb muss eindeutig und von den Rechtsausführungen abgrenzbar zum Ausdruck gebracht sein, dass ein Revisionsantrag gemeint ist, aus dem sich der Umfang der Anfechtung bzw das Ziel der Revision ergibt (vgl BSG vom 15.12.1976 - 10 RV 223/75 = SozR 1500 § 164 Nr 6).
Normenkette
SGB 6 § 8 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 1 Alt. 2, S. 3; BeamtVG § 18; SGG § 164 Abs. 2 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger verpflichtet ist, Nachversicherungsbeiträge für den verstorbenen Ehemann der Beigeladenen an die Beklagte zu zahlen.
Der im Jahre 1920 geborene und am 9.3.2000 verstorbene Ehemann der Beigeladenen - nachfolgend Versicherter - zahlte bis Juni 1953 Pflichtbeiträge und danach freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Am 30.6.1985 schied er aus der Beschäftigung als Beamter aus und bezog ab 1.7.1985 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (ab 1992: Regelaltersrente) von der Beklagten und daneben ein Ruhegehalt vom Kläger.
Der Versicherte war in erster Ehe seit 1944 bis zum Tode der Ehefrau am 17.2.1999 verheiratet. Am 25.6.1999 heiratete er die am 1.9.1955 geborene Beigeladene. Nach dem Tode des Versicherten beantragte diese am 21.3.2000 Hinterbliebenenrente, die am 1.4.2000 gewährt wurde (Bescheid der Beklagten vom 9.6.2000).
Nachdem der Kläger einen Anspruch der Beigeladenen auf Hinterbliebenenversorgung in Form von Witwengeld oder Unterhaltsbeitrag nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) abgelehnt hatte, beantragte sie bei der Beklagten die Nachversicherung nach § 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für ihren verstorbenen Ehemann.
Mit Bescheid vom 23.1.2002 forderte die Beklagte den Kläger auf, Nachversicherungsbeiträge für die versicherungsfreien Beschäftigungszeiten des verstorbenen Versicherten bis zum 30.6.1985 zu zahlen.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 16.12.2004 den Bescheid der Beklagten vom 23.1.2002 aufgehoben. Die Berufungen der Beklagten und Beigeladenen hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) mit Urteil vom 30.3.2007 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Zu Recht habe das SG ausgeführt, dass die Voraussetzungen sämtlicher Nachversicherungstatbestände des § 8 Abs 2 SGB VI nicht vorlägen. Aus § 72b des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen (G 131) ergebe sich schon deshalb nichts zu Gunsten der Beigeladenen und der Beklagten, da dieses Gesetz bereits außer Kraft getreten sei.
Sowohl die Beigeladene als auch die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 8 Abs 2 SGB VI. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG ergebe sich aus § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI eine Nachversicherungspflicht zu Gunsten der Beigeladenen. Nach dieser Norm würden ua Personen nachversichert, "die als Beamte versicherungsfrei waren" … sowie "ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben (2. Tatbestandsmerkmal) und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 2 SGB VI) nicht gegeben sind". Diese Voraussetzungen lägen vor. § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI sei nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich der Versorgungsverlust allein auf den Versorgungsempfänger oder auch auf Hinterbliebene beziehe. Mangels Klarheit der Norm sei daher anhand der Gesetzesmaterialien zu ergründen, welches Ziel der Gesetzgeber verfolgt habe. Nachweislich sei dieser davon ausgegangen, dass der Begriff des Versorgungsverlustes sich auch auf die Hinterbliebenen beziehe. In der amtlichen Begründung zu § 8 SGB VI (BT-Drucks 11/4124 S 152) heiße es wörtlich: "Ein Verlust des Anspruchs auf Versorgung liegt auch vor, wenn der Anspruch tatsächlich nicht erfüllt wird. Der Begriff der Versorgung umfasst auch die Versorgung etwaiger Hinterbliebener." Die weiteren Voraussetzungen der Nachversicherung, insbesondere der fehlende Aufschub einer Beitragszahlung gemäß § 184 Abs 2 SGB VI, seien ebenfalls erfüllt. Bei der Auslegung des § 8 Abs 2 SGB VI habe das LSG zudem nicht beachtet, dass die Hinterbliebenenrenten der gesetzlichen Rentenversicherung Unterhaltsersatzfunktion hätten. Insoweit orientiere sich das Recht der Nachversicherung nicht am BeamtVG, sondern am Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus beziehe sich die beamtenrechtliche Versorgung nicht ausschließlich auf den Beamten, sondern berücksichtige auch die Unterhaltspflicht des Ruhestandsbeamten. Durch die Eheschließung eines Ruhestandsbeamten erhöhe sich nach § 50 BeamtVG seine Versorgung um den Ehegattenanteil im Familienzuschlag. Über ihren Unterhaltsanspruch partizipiere die Ehefrau eines Ruhestandsbeamten an dessen Versorgung, sodass ihr im Ergebnis ein Teil dieser Versorgung gebühre. Wenn dann der Witwe auf Grund der Vorschriften des BeamtVG nach dem Tod ihres Ehemannes keine laufende Hinterbliebenenversorgung zustehe, sei ihre Versorgung weggefallen, was nach § 8 Abs 2 SGB VI den Nachversicherungstatbestand begründe. Des Weiteren spreche auch die Regelung über die fiktive Nachversicherung von Personen, die zum Personenkreis des Art 131 GG gehörten, für die dargelegte Auslegung. Nach § 72b Abs 2 Satz 2 G 131 finde die fiktive Nachversicherung (§ 72 G 131) Anwendung, wenn ein durch Wiederverwendung begründetes Dienstverhältnis ende, ohne dass aus ihm Hinterbliebenenversorgung zu gewähren sei, bei deren Bemessung die für die Nachversicherung erheblichen Zeiten berücksichtigt würden. Entgegen der Ansicht des LSG seien die Regelungen der Nachversicherung im G 131 gemäß § 2 Abs 2 des Dienstrechtlichen Kriegsfolgen-Abschlussgesetzes (DKfAG) weiterhin anwendbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30.3.2007 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16.12.2004 aufzuheben.
Die Beigeladene hat sich zur Begründung ihrer Revision mit Schriftsatz vom 16.7.2007 der Begründung der Beklagten vom 6.7.2007 angeschlossen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
Er hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) .
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet; die Revision der Beigeladenen ist bereits unzulässig.
Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das den Bescheid vom 23.1.2002 aufhebende Urteil des SG zurückgewiesen.
Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig (§ 78 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGG; s auch BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 13 S 62 mwN) . Das SG hat die Klage zutreffend nicht schon deshalb für begründet gehalten, weil die Beklagte zum Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts nicht befugt gewesen wäre. Die Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung ist auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften in ihrer Funktion als Arbeitgeber durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl BSG SozR 3-2600 § 181 Nr 1 S 2; BSGE 45, 296, 297 f = SozR 2200 § 381 Nr 26 S 65; BSGE 75, 298, 299 = SozR 3-2400 § 26 Nr 6 S 24 f mwN) . Die Beklagte durfte daher - wie geschehen - in der Form des Verwaltungsaktes Nachversicherungsbeiträge vom Kläger anfordern.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist allerdings rechtswidrig, weil weder die Voraussetzungen der Nachversicherung gemäß § 233 SGB VI noch diejenigen gemäß § 8 SGB VI vorliegen.
Gemäß § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI werden Personen, die vor dem 1.1.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils geltenden, dem § 5 Abs 1, § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 230 Abs 1 Nr 1 und 3 oder § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. Gemäß Satz 2 gilt dies entsprechend für Personen, die ihren Anspruch auf Versorgung vor dem 1.1.1992 verloren haben. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Ehemann der Beigeladenen ist nicht ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden. Er hat vielmehr seit seinem Ausscheiden als Beamter aus den Diensten des Klägers am 30.6.1985 ein Ruhegehalt bezogen. Angesichts seines Todes am 9.3.2000 ist auch ein Fall des Anspruchsverlustes vor dem 1.1.1992 ausgeschlossen. Die sonstigen Alternativen des § 233 SGB VI (Abs 1 Satz 3 und Abs 2) kommen von vornherein nicht in Betracht.
Nach § 8 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI werden Personen, die als Beamte auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind (Alternative 1) oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben (Alternative 2) und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs 2 SGB VI) nicht gegeben sind.
Die Voraussetzungen der Alternative 1 sind nicht erfüllt.
Der Ehemann der Beigeladenen, der als Beamter auf Lebenszeit gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungsfrei war, ist nicht ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden. Vielmehr hat er - wie bereits dargelegt - seit seiner Pensionierung am 30.6.1985 ein Ruhegehalt vom Kläger erhalten.
Ebenso wenig liegt ein Nachversicherungstatbestand iS der Alternative 2 vor. Sowohl der im Wenn-Satz verwendete Begriff "sie" als auch das dazugehörende Possessivpronomen "ihren" beziehen sich unter Berücksichtigung grammatischer Regeln unzweifelhaft und ausschließlich auf die Subjekte des Satzes und damit die dort genannten Personenkreise. Ob ein Nachversicherungstatbestand vorliegt, hängt somit allein davon ab, ob diese, dh hier der verstorbene Ehemann der Beigeladenen als Beamter auf Lebenszeit, ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben.
Der Anspruch auf Versorgung der Beamten ergibt sich ausschließlich aus dem Gesetz (§ 3 Abs 1 BeamtVG, der gemäß § 1 Abs 1 auch für die Beamten der Länder gilt; vgl auch BVerwGE 117, 305, 306; BVerwG NVwZ 1998, 76, 77; BVerfGE 8, 28, 35; 81, 363, 386) . Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daher bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs 2 SGB VI erfüllt sind, auf die entsprechenden beamtenrechtlichen Vorschriften abzustellen. Welche Arten der Versorgung das Gesetz vorsieht, beschreibt § 2 BeamtVG; hierzu zählen ua das Ruhegehalt (Abs 1 Nr 1) und die Hinterbliebenenversorgung (Abs 1 Nr 2) . Seinen Anspruch auf Ruhegehalt (§ 4 BeamtVG) hat der verstorbene Ehemann der Beigeladenen nicht verloren. Er hat dieses vielmehr bis zu seinem Tod am 9.3.2000 erhalten.
Ob ihm nach dem Gesetz auch ein eigener Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zugestanden hat, ist hingegen fraglich. Aus § 2 Abs 1 Nr 2 BeamtVG kann dieser nicht hergeleitet werden, da die Vorschrift keine subjektiven Rechte begründet (Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Komm zum Bundesbeamtengesetz -BBG- mit BeamtVG, § 2 BeamtVG RdNr 5 Stand: März 2008) . Ebenso wenig ergeben sich Ansprüche des Beamten aus §§ 17, 18, 19, 21, 22, 23, 26 und 28 BeamtVG, die einzelne Leistungen der Hinterbliebenenversorgung aufführen. Diese Vorschriften begründen entsprechend der zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art 33 Abs 5 GG) gehörenden Alimentationspflicht des Dienstherrn eigene Rechte der Hinterbliebenen, die mit dem Tod des Beamten selbstständig in ihrer Person entstehen (vgl BVerfGE 70, 69, 80 mwN; BVerfG ZBR 2004, 323; s auch BVerwGE 21, 214, 215; 38, 346, 348) . Solange der Beamte lebt, soll ihm allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Anspruch der Witwe (auf Witwengeld) als "bedingter Anspruch" zustehen (vgl hierzu BVerwGE 21, 214, 215; 38, 346, 348) . Ob dem zu folgen ist und insbesondere ein "bedingter Anspruch" auf Hinterbliebenenversorgung ein Anspruch iS des § 8 Abs 2 Satz 1 SGB VI sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn dies unterstellt wird, wäre jedenfalls ein Nachversicherungstatbestand zu Gunsten der Beigeladenen nicht gegeben. Sollte ein solcher Anspruch bestanden haben (wovon im Folgenden ausgegangen wird), wäre er nämlich nicht verloren gegangen.
Da die Versorgungsansprüche eines Beamten ausschließlich durch Gesetz begründet werden, kann auch der Verlust von Versorgungsansprüchen als actus contrarius allein auf Grund gesetzlicher Regelung erfolgen. In der Person des verstorbenen Ehemanns der Beigeladenen ist jedoch keiner der gesetzlichen Verlusttatbestände erfüllt.
Gemäß § 59 Abs 1 Satz 1 BeamtVG verliert ein Ruhestandsbeamter, gegen den wegen einer vor Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat eine Entscheidung ergangen ist, die nach § 48 BBG oder entsprechendem Landesrecht zum Verlust der Beamtenrechte geführt hätte (Nr 1) , oder der wegen einer nach Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes im ordentlichen Strafverfahren wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (Nr 2 Buchst a) oder wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zur Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten (Nr 2 Buchst b) verurteilt worden ist, mit der Rechtskraft der Entscheidung seine Rechte als Ruhestandsbeamter. Gemäß Satz 2 gilt Entsprechendes, wenn der Ruhestandsbeamte auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art 18 GG ein Grundrecht verwirkt hat. Wie durch Ziffer 59.1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 59 BeamtVG bestätigt wird, bedeutet der Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamter auch den Verlust des Anspruchs auf Versorgungsbezüge einschließlich der Hinterbliebenenversorgung (s auch Plog/Wiedow/Lemhöfer/ Bayer aaO § 59 RdNr 9) , die sich aus dem Status des Beamten herleitet (vgl BVerwGE 120, 154, 164) . Gemäß § 11 Abs 2 der bis zum 31.7.2004 geltenden Landesdisziplinarordnung Berlins (ab 1.8.2004: § 12 Abs 1 Disziplinargesetz des Landes Berlin) bewirkt die Aberkennung des Ruhegehalts, die eine Disziplinarmaßnahme gegen den Ruhestandsbeamten ist, auch den Verlust des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung.
Ein von den genannten Vorschriften erfasster Tatbestand hat hier nicht vorgelegen. Ebenso wenig ist der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung auf Grund sonstiger gesetzlicher Vorschriften verloren gegangen.
Dementsprechend hat der Kläger der Beigeladenen Sterbegeld gemäß § 18 BeamtVG bewilligt. Das Sterbegeld gehört gemäß § 16 Abs 2 BeamtVG zur Hinterbliebenenversorgung. Die Versagung von Witwengeld gemäß § 19 Satz 1 BeamtVG und eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 22 Abs 1 BeamtVG ist hier mithin nicht auf den (generellen) Verlust des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung zurückzuführen. Vielmehr stehen auf Grund der bei der Beigeladenen vorliegenden individuellen Umstände diesen beiden Versorgungsleistungen lediglich Ausschlusstatbestände entgegen. Dass der fehlende Anspruch auf Witwengeld und Unterhaltsbeitrag in einem Fall wie dem vorliegenden nicht mit dem generellen Verlust des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gleichzusetzen ist, zeigt auch eine Betrachtung der Ansprüche möglicher weiterer Hinterbliebener. Denn die Versagung von Witwengeld und eines Unterhaltsbeitrags an die Witwe lässt sowohl den Anspruch einer früheren Ehefrau auf einen Unterhaltsbeitrag als auch den Anspruch auf Waisengeld unberührt (§ 22 Abs 2 und Abs 3, § 23, § 24 Abs 2 BeamtVG) . Infolgedessen führt auch der Hinweis der Beklagten auf die Gesetzesbegründung nicht weiter, wonach ein Verlust des Anspruchs auch dann vorliegen könne, wenn er tatsächlich nicht erfüllt werde. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, was damit genau gemeint ist und ob dieses weite Verständnis des Begriffs "Verlust" im Gesetzeswortlaut hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist. Jedenfalls könnte auch der "tatsächliche Verlust" nur dann zur Nachversicherung führen, wenn er umfassend eintreten würde; das Scheitern einzelner Ansprüche gehört keinesfalls dazu (Gürtner in Kasseler Komm, § 8 SGB VI RdNr 17, Stand 8/2008) .
Ein Anspruch auf Nachversicherung des verstorbenen Ehemannes der Beigeladenen ergibt sich ebenso wenig aus § 8 Abs 2 Satz 3 SGB VI, wonach bei einem Ausscheiden durch Tod eine Nachversicherung nur erfolgt, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann. Diese Vorschrift bezieht sich unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen ebenfalls auf die in Satz 1 genannten Personen und lässt eine Nachversicherung für den Fall ihres Ausscheidens aus der Beschäftigung durch Tod nur zu, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann. Die Voraussetzungen der Norm liegen hier nicht vor, da der Ehemann der Beigeladenen nicht durch Tod aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist.
Eine Nachversicherung des verstorbenen Ehemanns der Beigeladenen rechtfertigt sich des Weiteren nicht unter Berücksichtigung von § 72b Abs 2 Satz 2 iVm § 72 G 131, der unter bestimmten Voraussetzungen eine fiktive Nachversicherung zu Gunsten einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung vorsieht.
Art 131 GG enthält einen Gesetzgebungsauftrag und gibt dem Bund eine ausschließliche Sonderkompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse eines bestimmten Personenkreises. Hiermit sollte nach dem Zusammenbruch von 1945 für Flüchtlinge und Vertriebene, für Berufssoldaten, für aus politischen Gründen aus dem Amt bzw vom Arbeitsplatz entfernte oder von der Versorgung ausgenommene Angehörige des öffentlichen Dienstes eine Neuregelung ihrer Dienstverhältnisse gefunden werden. Diesem Verfassungsauftrag ist der Gesetzgeber mit Erlass des G 131 nachgekommen (Kunig in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 5. Aufl 2003, Art 131 RdNr 1) . Einer derartigen historisch bedingten Sonderregelung können keine Erkenntnisse für das heutige Nachversicherungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung entnommen werden.
Abgesehen davon ist mit Art 3 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20.9.1994 (BGBl I 2442, 2452) das DKfAG erlassen worden, dessen § 1 Nr 1 das G 131 aufhebt. § 2 DKfAG, auf den sich die Beklagte beruft, ist lediglich eine Durchführungsregelung für Nachversicherungen in Fällen, in denen Ansprüche vor der Aufhebung des G 131 geltend gemacht worden sind.
Die Revision der Beigeladenen ist unzulässig. Sie erfüllt nicht die Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG.
Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Das Urteil des LSG ist der Beigeladenen ausweislich des von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 12.4.2007 zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist lief damit für die Beigeladene am 12.6.2007 ab. Zwar ist gemäß § 164 Abs 2 Satz 2 SGG die Begründungsfrist auf Antrag der Beklagten bis zum 13.8.2007 verlängert worden. Die Verlängerung wirkt jedoch lediglich zu Gunsten des Beteiligten, der sie beantragt hat, es sei denn, das Gericht bestimmt, dass die Fristverlängerung auch für andere Beteiligte gilt ( vgl BSGE 32, 169 = SozR Nr 56 zu § 164 SGG). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr hat der Vorsitzende des erkennenden Senats mit Verfügung vom 27.4.2007 ausdrücklich nur die Frist zur Begründung der Revision der Beklagten verlängert. Bis zu dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt vom 12.6.2007 hat die Beigeladene keine Begründung ihrer Revision vorgelegt. Erst mit Schriftsatz vom 16.7.2007 hat sie sich "inhaltlich und voll umfänglich der Begründung der Beklagten … vom 6.7.2007" angeschlossen.
Abgesehen davon, dass dieser Schriftsatz verspätet beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, wird er auch nicht den Formerfordernissen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG gerecht. Hiernach muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Diesen Anforderungen ist nicht genügt. Zwar ist die Bezugnahme auf die Revisionsbegründung eines anderen Beteiligten möglich, wenn es - wie hier - um dieselben Angriffe gegen das Berufungsurteil geht (BSGE 78, 98, 100 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 35 f; BGH - Urteil vom 29.9.1993 - NJW 1993, 3333, 3334) . Mit dieser Vorgehensweise können jedoch die Voraussetzungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG nur dann erfüllt werden, wenn der in Bezug genommene Schriftsatz des anderen Beteiligten seinerseits alle gesetzlich vorgeschriebenen Begründungselemente enthält. Dies ist hier nicht der Fall. Im Schriftsatz vom 6.7.2007 hat die Beklagte lediglich die ihrer Ansicht nach verletzte Norm bezeichnet, sich mit der Rechtsauffassung des LSG auseinandergesetzt und einen hiervon unterschiedlichen Rechtsstandpunkt eingenommen. Ein besonderer Revisionsantrag ist in der Begründung dagegen nicht enthalten. Zwar ist das Erfordernis des "bestimmten Antrags" weit auszulegen. Allgemeine Rechtsausführungen in der Revisionsbegründung sind jedoch nicht geeignet, den Revisionsantrag zu ersetzen. Die Formstrenge des gerichtlichen Verfahrens und insbesondere des Revisionsverfahrens verlangt vielmehr unmissverständliche, an den gesetzlichen Vorschriften ausgerichtete Erklärungen. Deshalb muss eindeutig und von den Rechtsausführungen abgrenzbar zum Ausdruck gebracht sein, dass ein Revisionsantrag gemeint ist, aus dem sich der Umfang der Anfechtung bzw das Ziel der Revision ergibt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 6 mwN) . Ein solcher Aussagegehalt lässt sich dem Schriftsatz der Beklagten vom 6.7.2007 nicht entnehmen. Das gilt umso mehr, als diese einen Revisionsantrag zulässigerweise bereits mit der Revisionsschrift vom 25.4.2007 gestellt hatte (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 2) .
Einen eigenen Revisionsantrag hat die Beigeladene in ihrer Revisionsschrift vom 17.4.2007 nicht gestellt; insbesondere kann in der dortigen Erklärung, gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.3.2007 - L 1 R 188/05 - Revision einzulegen, nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht zugleich ein Revisionsantrag erblickt werden (BSG SozR 1500 § 164 Nr 6 mwN) .
Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren, das nach dem 1.1.2002 rechtshängig geworden ist, richtet sich nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung, § 197a Abs 2 Satz 2 iVm § 183 SGG.
Die Kostenentscheidung für das Berufungs- und Revisionsverfahren beruht auf § 193 Abs 1, Abs 4, § 184 Abs 3 SGG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Legen mehrere Beteiligte Rechtsmittel ein, von denen einer zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer nicht, so richtet sich die Kostenentscheidung in dem Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG (BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 3) . Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Beigeladene, die neben der Beklagten Berufung und Revision ein-
gelegt hat, als Hinterbliebenenleistungsempfängerin zum privilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 2114905 |
NZS 2009, 509 |