Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung von Ermessensentscheidungen
Leitsatz (amtlich)
1. Anspruch auf Übergangsgeld (§ 12 Nr 1, § 14b Abs 1 Nr 1, § 17ff AVG = § 1235 Nr 1, § 1237b Abs 1 Nr 1, § 1240ff RVO) besteht nicht, solange der Rentenversicherungsträger die "Hauptleistung" zur (hier: medizinischen) Rehabilitation nicht bewilligt hat und durchführt.
2. Dies gilt auch in Fällen "selbstbetriebener" Rehabilitation (hier: Langzeit-Drogenentwöhnung in einer Kur- und Spezialeinrichtung).
3. Zur Zulässigkeit, im Fall selbstbetriebener Rehabilitation den "Anspruch" auf Übergangsgeld mit der Aufhebungs- (Anfechtungs-)klage zu verfolgen und den Rentenversicherungsträger insoweit zur Neubescheidung zu verpflichten.
Orientierungssatz
Nach § 35 Abs 1 S 3 SGB 10 muß die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen der Versicherungsträger bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Da nach § 33 S 2 SGB 1 "den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden ... soll", erstreckt sich bei Ablehnung eines solchen Wunsches die Verpflichtung des Versicherungsträgers, seine Ermessenserwägungen darzulegen, auch hierauf.
Normenkette
AVG § 12 Nr 1, § 14b Abs 1 Nr 1, § 17; RVO § 1235 Nr 1, § 1237b Abs 1 Nr 1, § 1240; AVG § 13 Abs 1 S 1; RVO § 1236 Abs 1 S 1; SGG § 54 Abs 1 S 2; SGG § 54 Abs 2 S 2; SGG § 54 Abs 4; SGB 10 § 35 Abs 1 S 3; SGB 1 § 33 S 2, § 39
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 01.12.1987; Aktenzeichen L 2 An 155/86) |
SG Berlin (Entscheidung vom 24.04.1986; Aktenzeichen S 11 An 3567/83) |
Tatbestand
Streitig ist, ob eine selbstbetriebene Drogenentwöhnung als Maßnahme zur Rehabilitation zu fördern ist.
Die 1957 geborene Klägerin, von Beruf Büroangestellte, hatte sich erstmals in den Jahren 1978 bis 1980 auf Kosten der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einer Langzeittherapie zur Drogenentwöhnung unterzogen. Im November 1981 wurde sie, inzwischen - mit einem ebenfalls Suchtkranken - verheiratet und Mutter eines im Oktober 1980 geborenen Sohnes, krankheitsrückfällig und arbeitsunfähig; ihr Ehemann war schon zuvor rückfällig geworden.
Im Juni 1983 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut stationäre Leistungen zur Rehabilitation. Den Antrag befürwortete der Arbeitskreis Drogenhilfe K e.V. (Drogenhilfe K.) und bat mehrfach dringend, die Klägerin zusammen mit dem zur Zeit stark abhängigen Ehemann und ihrem Sohn in die therapeutische Einrichtung T (T-Hof) der Drogenhilfe T (T) e.V. in B aufzunehmen. Die S (S-Klinik) bei Bad N (N.) scheide bei langen Wartezeiten angesichts der Dringlichkeit des Behandlungsfalles aus. Nachdem auch die Klägerin - über die zu 2) beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) - bei der Beklagten den Wunsch auf Aufnahme in die Einrichtung T-Hof in Berlin geäußert hatte, ließ sich diese von der S-Klinik in Bad N. telefonisch zusagen, daß die Klägerin mit Mann und Kind sofort aufgenommen werden könne. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz stimmte als damals für den Ehemann der Klägerin zuständig zu.
Mit dem streitigen Bescheid vom 27. Juli 1983, der abschriftlich auch der AOK und der Drogenhilfe K. mitgeteilt wurde, bewilligte die Beklagte der Klägerin Heilmaßnahmen in der S-Klinik Bad N. auf die Dauer von zunächst voraussichtlich sechs Monaten mit dem Zusatz, daß das "Haus T. zur Durchführung von Entwöhnungsbehandlungen nicht in Anspruch genommen" werde.
Mit ihrem am 3. August 1983 eingegangenen Widerspruch hiergegen bat die Klägerin, die Therapie im T-Hof Berlin durchzuführen; diese Einrichtung gebe ihr eine größere Chance, ihre Drogenprobleme aufzuarbeiten.
Am 19. August 1983 ließ sich die Klägerin in den T-Hof Berlin aufnehmen; die Kosten (Pflegesatz pro Tag 97,-- DM) hatte vorläufig das zu 1) beigeladene Land Berlin als Trägerin der Sozialhilfe übernommen. Die beigeladene AOK zahlte der Klägerin Krankengeld im Betrag von 24,18 DM kalendertäglich (für 30 Tage pro Monat) "in Höhe des eventuell zu zahlenden Übergangsgelds durch die BfA". Für den gleichfalls in den T-Hof aufgenommenen Ehemann der Klägerin übernahm die LVA Berlin die Kosten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1983 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück und wies nochmals darauf hin, daß der T-Hof von ihr nicht für Entwöhnungsbehandlungen in Anspruch genommen werde und die aufnahmebereite S-Klinik für die Klägerin und ihre Familie optimal geeignet sei; die Kosten für die Maßnahme, die die Klägerin ohne ihre, der BfA, Zustimmung begonnen habe, könnten nicht nachträglich übernommen werden.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und zuletzt beantragt, die von ihr im T-Hof durchgeführte Maßnahme "als Rehabilitationsmaßnahme nach den §§ 13, 14 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zu fördern", hilfsweise "neu zu entscheiden".
Die beigeladene AOK zahlte in der Folge das Krankengeld bis einschließlich 28. März 1984. Ab 1. Juni 1984 nahm die Klägerin in Berlin eine Beschäftigung gegen ein Gehalt von monatlich 1.158,10 DM brutto/1.081,67 DM netto auf. Am 1. November 1984 verließ sie den T-Hof (Umzug in eine Außenwohngruppe).
Das SG hat die Klage am 24. April 1986 abgewiesen. Im angefochtenen Urteil vom 1. Dezember 1987 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen und ausgeführt: Die Beklagte habe nicht ermessensfehlerhaft iS des § 13 Abs 1 Satz 5 AVG gehandelt. Streit bestehe nur über die Rehabilitationsstätte. Bei den erkennbaren und erfolgreichen Bemühungen der Beklagten, die von der Klägerin vorgetragenen sachlichen Erwägungen für die Auswahl der Rehabilitationsstätte - Familientherapie und Eilbedürftigkeit - zu berücksichtigen, könne die Entscheidung der Beklagten nicht beanstandet werden. Zwar solle nach § 33 Satz 2 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB 1) den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Indem die Klägerin die Beklagte vor vollendete Tatsachen gestellt habe, habe sie nicht in angemessener Weise einen Wunsch geäußert. Im übrigen ließen auch die von der BfA angegebenen Gründe - optimale Eignung der Klinik und deren Bereitschaft zur Aufnahme der gesamten Familie - keine Ermessensüberschreitung erkennen. Grundsätzlich stehe es nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsträger zu, die Rehabilitationsstätte zu bestimmen. Eine berufliche Rehabilitation sei von der Klägerin nicht beantragt worden; daher komme es auf eine etwaige Eignung der Rehabilitationsstätte für eine solche berufliche Rehabilitation nicht entscheidend an. T-Hof wie S-Klinik hätten im übrigen etwa zur gleichen Zeit mit Familientherapien begonnen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin. Sie hat auf die Ausführungen in der Begründung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Bezug genommen. Dort heißt es, zur pflichtgemäßen Ermessensausübung gehöre, daß sich die Beklagte mit dem Antrag konkret und detailliert auseinandersetze. Es reiche nicht aus, daß sich die Beklagte entscheide, ihr, Klägerin, eine andere Rehabilitationsmaßnahme in einer anderen Einrichtung zu gewähren. Ihrer Meinung nach habe die Beklagte ein Ermessen nicht nur nicht pflichtgemäß, sondern gar nicht ausgeübt. Sämtliche Fachleute hätten ihr und ihrer Familie ausdrücklich den T-Hof als besonders geeignet empfohlen. Hinzu komme, daß diese Einrichtung in der zweiten und dritten Phase auch "sozialtherapeutisch mit beruflicher Wiedereingliederung" vorgehe, was ihr und ihrem Mann besonders entgegengekommen wäre. Außerdem sei der T-Hof preiswerter als die S-Klinik gewesen. Auch fachliche Gründe hätten für den T-Hof gesprochen. Die Beklagte habe ihr keinen konkreten Weg gewiesen, wie sie in eine andere Einrichtung überwechseln könne. Sie habe die Drogenlangzeittherapie im T-Hof erfolgreich abgeschlossen und sei bis heute nicht rückfällig geworden. Sie arbeite seit Beendigung der Nachsorge als Sekretärin im Büro einer anderen Therapieeinrichtung. Das Recht nach § 33 Satz 2 SGB 1, in bezug auf die Behandlungseinrichtung Wünsche zu äußern, werde sinnlos, wenn der Rentenversicherungsträger sich damit auseinanderzusetzen nicht verpflichtet sei. Die Beklagte habe im übrigen zugegeben, den T-Hof doch zu belegen. Es gebe keine Gründe, die von ihr dort erfolgreich abgeschlossene Therapie nicht zu finanzieren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des SG vom 24. April 1986 und des LSG vom 1. Dezember 1987 sowie unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 27. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 1983 zu verurteilen, die Maßnahme, die sie, Klägerin, im T-Hof in der Zeit vom 19. August 1983 bis zum 31. August 1984 durchgeführt hat, "als Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 13, 14 AVG zu fördern", hilfsweise, über diese Maßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie habe das ihr gemäß §§ 13 und 14 AVG zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Sie habe dem primären Wunsch der Klägerin nach einer Familienentwöhnung Rechnung getragen. Die S-Klinik sei dafür auch geeignet gewesen. Für die mitaufgenommenen Kinder sei eine Kindergärtnerin eingestellt worden. Ein ungestörter Ablauf der Elterntherapie sei voll gewährleistet gewesen. Den Wünschen der Klägerin sei daher in angemessener Form entsprochen worden. Der T-Hof sei entgegen der Meinung der Klägerin also nicht etwa allein geeignet gewesen. Die für eine berufliche Wiedereingliederung Abhängigkeitskranker erforderliche Sozialtherapie und Nachsorge hätte genausogut durch die S-Klinik stattfinden können.
Das zu 1) beigeladene Land - Sozialhilfeträger - hat keinen Antrag gestellt. Es weist aber darauf hin, daß es die streitigen Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der vorläufigen Hilfeleistung gemäß § 44 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gefördert und die Erstattung der vorgeleisteten Aufwendungen gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 10) bei der beklagten BfA angemeldet habe. Für den Fall, daß die Klägerin obsiegen sollte, beantrage das Land von der Beklagten aufgrund der erfolgten Überleitung die Erstattung der Aufwendungen.
Die zu 2) beigeladene AOK stellt ebenfalls keinen Antrag. Sie führt aus, die Klägerin sei während ihrer Rehabilitation im T-Hof vom 19. August 1983 bis zum 31. August 1984 arbeitsunfähig krank gewesen. Sie habe von ihr Krankengeld bis einschließlich 28. März 1984 für insgesamt 220 Tage a 24,18 DM, also einen Betrag von insgesamt 5.319,60 DM erhalten. Soweit dem Antrag der Klägerin entsprochen werden sollte, beantrage sie die Erstattung des gezahlten Krankengeldes aus dem der Klägerin sodann nach § 14b Abs 1 Nr 1 AVG von der Beklagten zustehenden Übergangsgeld. Wenn die Beklagte zur Leistungsgewährung verurteilt werde, ruhe der Anspruch auf Krankengeld nachträglich nach § 183 Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber nur zum kleineren Teil begründet.
Die Klägerin beantragt neben der Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile sowie des angegriffenen Bescheids der Beklagten vom 27. Juli 1983 in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheids, die von ihr selbstbeschaffte und im T-Hof in Berlin - erfolgreich - selbstbetriebene Maßnahme der Drogenentwöhnung "in der Zeit vom 19. August 1983 bis zum 31. August 1984 ... als Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 13, 14 AVG zu fördern."
Zu diesem Antrag ist vorweg festzuhalten, daß sich die Klägerin durch das Selbstbeschaffen und Selbstbetreiben einer medizinischen Rehabilitation keine günstigere Rechtsposition als nach den hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften verschaffen kann. Auf die medizinischen Leistungen zur Drogenentwöhnung besteht kein Rechtsanspruch. Nach § 13 Abs 1 Satz 1 AVG in der ab 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1523) "kann" die beklagte BfA unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen zur - medizinischen oder beruflichen - Rehabilitation erbringen; die Gewährung der Maßnahme steht also in ihrem - pflichtgemäßen - Ermessen (§ 39 SGB 1); eine in bezug auf eine solche "Kannleistung" - mit der Aufhebungsklage verbundene - Leistungsklage (§ 54 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist deshalb unzulässig (vgl dazu BVerfGE 63, 152, 174 = SozR 2200 § 1236 Nr 39 S 80 und BSG SozR 2200 § 1236 Nr 43; BSG SozR 2200 § 1237 Nrn 19, 20 und 21). Die Klage der Klägerin, mit der sie verlangt, die von ihr selbstbetriebene Drogenentwöhnung "als Rehabilitationsmaßnahme nach §§ 13, 14 AVG zu fördern", ist als Leistungsklage unzulässig, das gegen die Abweisung der Klage eingelegte Rechtsmittel daher offensichtlich nicht begründet.
Im übrigen umfaßt die von der Klägerin pauschal geforderte Verurteilung der Beklagten zur "Förderung als Rehabilitationsmaßnahme" nach §§ 9 und 10 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) iVm §§ 12 Nr 1, 13 Abs 1 Satz 1 AVG, ferner iVm §§ 16 und 15 der Richtlinien der Beklagten über die Gewährung von Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation sowie von zusätzlichen Leistungen idF vom 1. Dezember 1987 neben der Entwöhnungsbehandlung in ärztlich geleiteten Kur- und Spezialeinrichtungen (samt ergänzenden Leistungen) nach § 14b Abs 1 Nr 1 AVG die Gewährung von Übergangsgeld, insgesamt also nebeneinander Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 Satz 1 SGB 1). Soweit es sich bei der von der Klägerin beanspruchten "Förderung" um Sach- und Dienstleistungen innerhalb der medizinischen Rehabilitation handelt, sind sie der Klägerin vom Land Berlin in seiner Eigenschaft als Träger der Sozialhilfe bereits erfolgreich erbracht. Ein zweites Mal kann die Klägerin, wie nicht näher erörtert zu werden braucht, diese Dienst- und Sachleistungen, die ihren Zweck bereits erreicht haben, nicht verlangen. Durch die Vorleistung des Sozialhilfeträgers gilt ihr Leistungsanspruch im übrigen insoweit gemäß § 107 iVm § 104 Abs 1 SGB 10 und iVm § 2 BSHG als bereits erfüllt. Da die Klägerin für die ihr im Rahmen der Drogenentwöhnung vom Land Berlin zugewendeten Dienst- und Sachleistungen eigene Mittel nicht eingesetzt hat, scheidet auch ein Kostenerstattungsanspruch aus.
Auch aus diesem Grund ist die Revision der Klägerin in diesem Umfang offensichtlich nicht begründet.
Soweit der von der Klägerin erhobene "Anspruch auf Förderung als Maßnahme zur Rehabilitation" das Begehren auf Übergangsgeld erfaßt, gilt zum überwiegenden Teil im Ergebnis nichts anderes. Zwar besteht unter der Voraussetzung, daß die beklagte BfA von ihrem Ermessen positiv Gebrauch gemacht und eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt hat, nach §§ 12 Nr 1, 14b Abs 1 Nr 1, 17 AVG grundsätzlich ein - einklagbarer - Anspruch auf Übergangsgeld als ergänzende Leistung (vgl BSG SozR 2200 § 1237 Nr 9; zur Problematik des Anspruchs auf Übergangsgeld als Pflichtleistung vgl die Ausführungen weiter unten). Auch kann der Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld dann haben, wenn er eine Rehabilitation selbst betrieben hat, die Gewährung der Maßnahme aber vom Versicherungsträger rechtswidrig abgelehnt worden ist (vgl hierzu mwN BSG in SozR 2200 § 1237 Nr 18; zur einschlägigen Problematik vgl auch die weiter unten gemachten Ausführungen). Indessen braucht an dieser Stelle dem nicht weiter nachgegangen zu werden, soweit die Klägerin innerhalb des streitumfaßten Zeitraums bis einschließlich 28. März 1984 von der beigeladenen AOK Krankengeld in Höhe des von der Beklagten "eventuell" zu gewährenden Übergangsgelds bezogen und soweit sie ferner - ab 1. Juni 1984 - Arbeitsentgelt gehabt hat: Neben Übergangsgeld kann der Klägerin kein Krankengeld zustehen; letzteres ruht in diesem Falle (§ 183 Abs 6 RVO in der damals geltenden Fassung). Deshalb gilt der Anspruch der Klägerin auf Übergangsgeld gegen die Beklagte gemäß § 107 iVm § 103 SGB 10 als erfüllt, soweit die Klägerin von der AOK tatsächlich Krankengeld erhalten hat. Da das Nettoarbeitsentgelt der Klägerin aus ihrer Beschäftigung ab 1. Juni 1984 mit 1.081,67 DM monatlich in jedem Falle höher war als das ihr gegebenenfalls gegen die Beklagte sonst zustehende Übergangsgeld, konnte sie hierauf wegen der in § 18f Abs 1 AVG vorgeschriebenen Kürzung um dieses Entgelt keinen Anspruch haben.
Hiernach verbleibt zu prüfen, ob die Klägerin Anspruch auf Übergangsgeld für die Zeit der selbstbetriebenen Drogenentwöhnung im T-Hof in Berlin ab 29. März 1984, also nach Einstellung der Zahlung von Krankengeld durch die beigeladene AOK, bis zum 31. Mai 1984, dem Tag vor Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung, hatte. Diese Prüfung führt aus folgenden Gründen zu einem Teilerfolg der Revision:
Zunächst ist richtig, daß die Beklagte im streitbefangenen Bescheid vom 27. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 1983 der Klägerin nicht allein eine Drogenentwöhnung in der S-Klinik in Bad N. bewilligt, sondern außerdem die von der Klägerin zur Durchführung im T-Hof in Berlin erbetene Maßnahme unmißverständlich mit der Begründung abgelehnt hat, daß dieses Haus von ihr nicht in Anspruch genommen werde.
Mit diesem die Klägerin belastenden - zweiten - Verfügungssatz, also in bezug auf die damit schlüssig verfügte Ablehnung auch von Übergangsgeld für die selbstbetriebene Drogenentwöhnung im T-Hof, kann der streitige Bescheid nicht Bestand haben.
Übergangsgeld ist nach §§ 14b Abs 1 Nr 1, 12 Nr 1 AVG eine "ergänzende Leistung" zur Rehabilitation. Es handelt sich um eine zu den medizinischen und berufsfördernden Leistungen (§§ 12 Nrn 1, 14 und 14a AVG) hinzutretende, also um eine akzessorische Leistung, die von der Bewilligung und Durchführung der genannten medizinischen und/oder berufsfördernden (Haupt-) Leistung abhängig ist (vgl hierzu zB Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 1237b Anm I). Demgemäß besteht zwar, anders als auf die Hauptleistung selbst (s o), ein - einklagbarer - Rechtsanspruch auf Übergangsgeld (vgl § 17 Abs 1 AVG: "... wird gewährt"), jedoch erst dann, wenn die medizinische oder berufsfördernde Maßnahme, die Hauptleistung also, bewilligt ist und durchgeführt wird. Im Falle der Drogenentwöhnung ist daher die Bewilligung der medizinischen Leistungen für den Anspruch auf Übergangsgeld einerseits präjudiziell. Andererseits kann die von der Beklagten in bezug auf den T-Hof abgelehnte Hauptleistung als "Kannleistung" - wie oben ausgeführt - nicht eingeklagt werden. Der den medizinischen Leistungen der Drogenentwöhnung nachgeordnete, unselbständig-akzessorische Anspruch auf Übergangsgeld ist mithin solange offensichtlich unbegründet, als - wie hier mit dem Verfügungssatz 2 - die Hauptleistung vom Versicherungsträger nicht bewilligt und nicht durchgeführt ist.
Indessen gewinnt bei dieser Rechtslage der Hilfsantrag der Klägerin Bedeutung, die Beklagte nach Aufhebung des streitigen Bescheids zu verurteilen, "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden". Mit diesem Hilfsantrag ist die Revision, soweit sie das Begehren auf Übergangsgeld im Zeitraum zwischen Einstellung von Krankengeld und Zahlung von Arbeitsentgelt betrifft, begründet.
Lehnt der Versicherungsträger die für den Anspruch auf Übergangsgeld präjudizielle Hauptleistung (hier: Drogenentwöhnung im Haus T-Hof in Berlin) ab, kann und muß naturgemäß der von der Ablehnung betroffene Rehabilitationsbewerber zunächst die Versagung der Hauptleistung mit den dagegen gegebenen Rechtsbehelfen angreifen. Nur wenn dieser Angriff im Ergebnis Erfolg hat, entsteht der akzessorische Anspruch auf Übergangsgeld. Daher muß die Klägerin gegen die von der Beklagten abgelehnte Drogenentwöhnung im T-Hof in Berlin mit der Klage (nur) auf Aufhebung dieses Verwaltungsakts (Verfügungssatz 2) nach § 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 SGG vorgehen; denn die Aufhebungsklage (Anfechtungsklage) steht ihr auch gegen die Versagung einer bestimmten Leistung zur Rehabilitation als "Kannleistung" zu (§ 54 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 2 SGG). An der Erhebung dieser Klage ist die Klägerin auch nicht dadurch gehindert, daß sie die Hauptleistung, nämlich medizinische Behandlung in Form einer Drogenentwöhnung - wie oben bereits dargestellt - selbst betrieben und erfolgreich abgeschlossen hat. Denn nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 2200 § 1237 Nr 18 S 18 (mwN) darf die Selbsthilfe, die ein Versicherter nach Ablehnung der von ihm beantragten Rehabilitation zunächst selbst betreibt, diesem in bezug auf die "geldlichen Leistungen" zur Rehabilitation "weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen"; Übergangsgeld sei dem Versicherten nämlich "bei begründetem Rehabilitationsantrag ... noch im nachhinein zu gewähren". Die Interessenlage des (nur noch) Übergangsgeld begehrenden Versicherten, der die abgelehnte Rehabilitation selbst betrieben hat, ähnelt nach Abschluß der Maßnahme der eines Klägers, der das mit der Aufhebungsklage eingeleitete Verfahren trotz Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts mit der "Fortsetzungs-Feststellungsklage" nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG weiter- und zu Ende betreiben darf (vgl hierzu mwN BSGE 56, 45, 50 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 6).
Die Klage auf Aufhebung der eine Drogenentwöhnung im Haus T-Hof versagenden Entscheidung der Beklagten - Verfügungssatz 2 des angefochtenen Bescheids - ist begründet.
Nach § 35 Abs 1 Satz 3 SGB 10 muß - wenn wie hier kein Fall von Abs 2 aaO vorliegt - die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen der Versicherungsträger bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Für den vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß die Klägerin - mit mehrfacher dringlicher Unterstützung durch die Drogenhilfe K. - in Ergänzung ihres Rehabilitations-Antrags nachdrücklich den Wunsch geäußert und begründet hat, im Haus T-Hof behandelt zu werden. Da nach § 33 Satz 2 SGB 1 "den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden ... soll", erstreckt sich bei Ablehnung eines solchen Wunsches die Verpflichtung des Versicherungsträgers, seine Ermessenserwägungen darzulegen, auch hierauf. Dazu reicht die im angefochtenen Bescheid gebrauchte formelhafte Wendung, daß das Haus T-Hof in Berlin zur Drogenentwöhnung "nicht in Anspruch genommen" werde, nicht aus. Dieses "Nichtinanspruchnehmen" unterrichtet allein darüber, wie die Beklagte in diesen Fällen tatsächlich verfährt; nicht mitgeteilt wird, aus welchen Gründen dies geschieht, so daß die Begründung des Bescheids offen läßt, ob sie iS des § 39 Abs 1 SGB 1/§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG dem Zweck der Ermächtigung, Ermessen auszuüben, genügt.
Die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung des Verfügungssatzes 2, die im bestätigenden Widerspruchsbescheid wiederholt worden ist, ermöglicht mithin dem Senat keine Prüfung, ob die Beklagte ermessensfehlerfrei verfahren ist. Damit genügt der Bescheid insoweit nicht dem gesetzlichen Begründungszwang.
Die nicht ordnungsmäßige Begründung einer Ermessensentscheidung bewirkt deren Rechtswidrigkeit, so daß der Bescheid der Beklagten samt den entgegenstehenden Urteilen der Vorinstanzen im betroffenen Umfang aufzuheben war. Zugleich war in entsprechender Anwendung von § 131 Abs 3 SGG die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen, über den Antrag der Klägerin auf Förderung der selbstbeschafften Drogenmaßnahme im Wege der Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit vom 29. März 1984 bis 31. Mai 1984 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen