2.3.1 Branchenübergreifend, altersunbegrenzt, geschlechtsneutral
Zwar gibt es das Burnout-Syndrom schon seit Jahrzehnten, verändert hat sich jedoch der Kreis der Betroffenen. Während zunächst v. a. die helfenden Berufe wie Ärzte, Pflegepersonal oder Feuerwehr betroffen waren, machte sich das Krankheitsbild in den 1990er-Jahren in den Führungsetagen breit. Auch bei Lehrern und Pädagogen wurde die krank machende Erschöpfung schon lange bemerkt. Inzwischen tritt Burnout völlig unabhängig von der beruflichen Stellung, von Alter oder Geschlecht in allen Branchen und Berufen auf: Heute lassen sich Schüler, Studenten, Auszubildende deshalb ebenso behandeln wie Dienstleistende, Selbstständige oder Manager.
Laut verdi sind vor allem Menschen in Sozialberufen, wie u. a. Sozialarbeiter, Krankenpfleger, Ärzte, im beruflichen Alltag anhaltendem Stress und emotionaler Belastung ausgesetzt. Doch treffen diese Risikofaktoren auch für viele andere Beschäftigte in Dienstleistungsbereichen mit hohem Kundenkontakt und hohem Verantwortungsdruck zu.
Die Ursachen für Burnout liegen auf der einen Seite in den Arbeitsstrukturen, die durch steigenden Kostendruck, Personalmangel und starke Hierarchien geprägt sind. Auf der anderen Seite spielt aber auch das Individuum eine Rolle. So sind engagierte Arbeitnehmer, die einen hohen Anspruch an ihre Arbeit haben, z. B. öfter gefährdet.
2.3.2 Pädagogen und Computerfachkräfte
Bisher gehen nur wenige Berufszweige das Thema Burnout offensiv an, evaluieren und dokumentieren Krankheitsfälle. So etwa der Bildungsbereich bzw. die IT-Branche.
- 2014 kommt der Aktionsrat Bildung bei einer Studie im Auftrag der bayerischen Wirtschaft zum Ergebnis, dass 30 % der Beschäftigten im Bildungswesen unter psychischen Problemen leiden.
- Der Anteil krankheitsbedingter Frühpensionierungen bei den Lehrern ist seit 2001 von über 60 % rückläufig. Zurzeit beträgt sie 19 % bei verbeamteten Lehrern mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren. Als Hauptgründe für Frühpensionierungen werden allerdings in 32 bis 50 % der Fälle psychische und psychosomatische Erkrankungen angegeben.
- Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) belegt für 2021, dass fast ein Drittel der Lehrkräfte innerhalb der ersten 5 Berufsjahre die Schule wieder verlässt. Rund 25 % der Studierenden leidet schon vor dem Start ins Berufsleben unter Burnout-Symptomen, wie emotionaler Erschöpfung, Zynismus und Leistungsmangel.
- Auch die IT-Branche ist besonders gefährlich für die psychische Gesundheit der Beschäftigten und birgt ein hohes Burnout-Risiko. Eine Studie an der Donau-Universität Krems belegt beispielsweise 2012, dass 53 % der IT-Beschäftigten Burnout-gefährdet sind und 13 % bereits kritische Symptome aufweisen.
Da Lehrer und IT-Beschäftigte sehr unterschiedliche Aufgabenbereiche mit völlig anderen Belastungsfaktoren bewältigen müssen, lässt sich vermuten, dass auch Angehörige anderer Berufsgruppen zu Burnout neigen, wenn die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Denn berufliche Stressoren können dazu führen, dass die Krankheit ausbricht oder Symptome verstärkt werden.
Burnout als Berufskrankheit
In der deutschen Rechtsgeschichte wurde Burnout erst einmal als Berufskrankheit anerkannt. Der Fall betraf einen Manager, der 20 Jahre lang täglich 10 Std. gearbeitet hatte, auch am Wochenende. Dann hielt er dem Druck nicht mehr stand. Er begann Kunden zu verwechseln und wurde alkoholabhängig. Nach einem Zusammenbruch rieten ihm die Fachärzte, seinen Beruf aufzugeben. Seine Berufsunfähigkeitsversicherung lehnte eine Rentenzahlung ab. Mithilfe mehrerer medizinischer Gutachten gab ihm 2006 das Landgericht München jedoch Recht. (Landgericht München I, Urteil v. 22.3.2006, 5 O 19798/03)
2019 erging vom Bundesverwaltungsgericht der Schweiz ein Urteil, das auch in Deutschland für Aufsehen sorgte: Eine Beamtin hatte von ihrem Dienstherren Schadensersatz und Schmerzensgeld gefordert, weil übermäßige Belastung am Arbeitsplatz sie krank gemacht habe. Ihr Dienstherr sei trotz wiederholter Hinweise untätig geblieben und habe damit seine Fürsorgepflicht verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde teilweise statt und wies den Fall zur abschließenden Prüfung an die Vorinstanz zurück. Inzwischen hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber in Kauf genommen habe, dass die Arbeitnehmerin weitere gesundheitliche Probleme entwickelt, was zu einem Burnout und einer hundertprozentigen Arbeitsunfähigkeit führte. Weil die Fürsorgepflicht verletzt wurde, muss er nun seiner ehemaligen Arbeitnehmerin eine Genugtuung sowie Schadensersatz zahlen. (Urteil v. 16.12.2019, A-6750/2018).
2.3.3 Familie und Beruf
Besonders betroffen von psychischen Belastungen sind Berufstätige zwischen 30 und 44 Jahren. Sie stehen voll in der Arbeit und gelten als äußerst leistungsfähig. Viele von ihnen sind allerdings durch berufliche und familiäre Verpflic...