Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung bei notwendiger Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren
Leitsatz (amtlich)
Es verstieß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, daß dem vor den Finanzgerichten obsiegenden Steuerpflichtigen die Kosten für die notwendige Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht erstattet wurden (§ 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F.).
Normenkette
AO § 316 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Beschluss vom 25.06.1968; Aktenzeichen VI 33/65 A) |
FG Rheinland-Pfalz (Vorlegungsbeschluss vom 08.05.1968; Aktenzeichen II 123/65) |
FG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 02.05.1968; Aktenzeichen VI 33/65 A) |
Gründe
I.
1. Nach § 316 Abs. 2 Satz 1 der Reichsabgabenordnung in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 11. Juli 1953 (im folgenden: AO a.F.) waren dem im Rechtsmittelverfahren obsiegenden Beteiligten, der nicht Finanzbehörde war, seine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten. Nicht erstattet wurden jedoch nach § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. die Kosten, die durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Verfahren vor den Finanzbehörden entstanden waren. § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. lautete:
Wird ein Bevollmächtigter oder Beistand zugezogen, so sind die dadurch entstehenden Kosten nur zu erstatten, soweit sie für Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, im Verfahren vor den Finanzgerichten entstehen.
Diese Bestimmung wurde durch § 162 Nr. 40 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6. Oktober 1965 (BGBl. I S. 1477 [1500]) aufgehoben.
Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17), die seit dem 1. April 1960 in Kraft ist, sieht in § 162 Abs. 2 Satz 2 vor, daß die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu erstatten sind, wenn das Gericht seine Zuziehung im Vorverfahren für notwendig erklärt. Die seit dem 1. Januar 1966 geltende Finanzgerichtsordnung enthält in § 139 Abs. 3 Satz 3 eine dem § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO entsprechende Regelung.
2. Den Ausgangsverfahren liegen die folgenden Sachverhalte zugrunde:
- Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren vor der Finanzbehörde und im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Finanzgericht vertreten. Durch das am 22. März 1965 rechtskräftig gewordene Urteil des Finanzgerichts waren die Kosten des Einspruchs und der Berufung der Staatskasse auferlegt worden. Der Kläger, dem seine Mandanten den Kostenerstattungsanspruch abgetreten haben, beantragte, auch die Kosten seiner Zuziehung im Einspruchsverfahren zu erstatten. Dies lehnte die Finanzbehörde unter Hinweis auf § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. ab. Die Erinnerung des Klägers wies die Finanzbehörde als unbegründet zurück. Gegen die Erinnerungsentscheidung legte der Kläger fristgerecht Berufung ein.
- Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte gegen die Finanzbehörde einen Finanzrechtsstreit geführt, der durch das am 22. März 1965 rechtskräftig gewordene Urteil des Finanzgerichts abgeschlossen worden war. Die Kosten des Verfahrens waren zu 7/10 der Staatskasse auferlegt worden. Mit der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Finanzbehörde eingelegten Erinnerung begehrte der Kläger die Erstattung der Kosten, welche ihm durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren entstanden waren. Gegen den ablehnenden Erinnerungsbescheid der Finanzbehörde legte der Kläger fristgerecht Berufung ein.
3. Beide Finanzgerichte haben die Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war, als er die Erstattung von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ausschloß. Zur Begründung der Vorlagen haben die Gerichte im einzelnen ausgeführt, daß § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. den im finanzgerichtlichen Verfahren obsiegenden Steuerpflichtigen hinsichtlich der Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Vertretungskosten ohne sachlichen Grund schlechter gestellt habe als § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO den vor dem Verwaltungsgericht obsiegenden Kläger.
4. Der Bundesminister der Finanzen hat namens der Bundesregierung vorgetragen, § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. sei verfassungsgemäß gewesen.
Im steuerlichen Rechtsbehelfsverfahren nach der Reichsabgabenordnung a.F. sei der Steuerpflichtige bezüglich der Kostentragung gegenüber der Finanzbehörde begünstigt worden. Die Finanzbehörde habe als Verfahrensbeteiligte in keinem Fall Vertretungskosten oder sonstige zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Auslagen vom unterliegenden Steuerpflichtigen ersetzt verlangen können. Dem obsiegenden Steuerpflichtigen seien jedoch mit Ausnahme der Vertretungskosten des außergerichtlichen Verfahrens alle notwendigen Auslagen erstattet worden. Diese Begünstigung des Steuerpflichtigen sei auch nicht dadurch entfallen, daß er im Einspruchsverfahren für den Fall des Unterliegens eine Rechtsmittelgebühr (§ 310 Ziff. 1 i.V.m. § 311 AO a.F.) habe zahlen müssen. Die Vertretungskosten und die Rechtsmittelgebühr seien nicht vergleichbar. Im Einspruchsverfahren sei die Finanzbehörde sowohl Verfahrensbeteiligte als auch Rechtsmittelbehörde. Die Rechtsmittelgebühr und der Auslagenersatz stünden der Finanzbehörde aber nicht als Verfahrensbeteiligter, sondern ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Rechtsmittelbehörde zu. Zudem habe die Rechtsmittelgebühr im Unterschied zu den begehrten Vertretungskosten nicht den tatsächlichen Aufwand der Behörde abgegolten.
Das steuerliche Einspruchsverfahren sei mit dem Vorverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht vergleichbar. Die Finanzbehörden hätten jährlich Millionen von Veranlagungen zu bewältigen, wobei sich zwangsläufig in nicht geringem Umfang Fehler ergäben. Das Einspruchsverfahren sei daher ein verlängertes Veranlagungsverfahren. Der Gesetzgeber habe die Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Vertretungskosten bewußt ausgeschlossen, um zu verhindern, daß die Bevollmächtigten der Steuerpflichtigen den in vielen Fällen zweckmäßigen Abschluß des Einspruchsverfahrens durch eine Berichtigung nach § 94 AO nur deshalb erschweren, um die Gebühr zu erhalten. Die Regelung unterscheide sich auch dadurch von der der Verwaltungsgerichtsordnung, daß der Steuerpflichtige – anders als der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – die außergerichtlichen Aufwendungen der Behörde nicht zu tragen habe. Die Regelung des § 162 Abs. 2 VwGO sei schließlich auch nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips; so sei im sozialgerichtlichen Verfahren die Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Vertretungskosten ebenfalls nicht vorgesehen.
5. Der zuständige 7. Senat des Bundesfinanzhofs ist in Übereinstimmung mit den vorlegenden Gerichten der Auffassung, daß seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen habe. Er hat weiter ausgeführt, es sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar gewesen, daß der Staat bei einer Zurückweisung des Einspruchs eine Rechtsmittelgebühr (§ 311 AO a.F.) und die Erstattung gewisser Auslagen (§§ 312, 313 AO a.F.) habe verlangen können, während im Fall der Begründetheit des Einspruchs dem Bürger die Kosten des im Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten nicht erstattet worden seien.
II.
1. § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. verstieß insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als er dem im finanzgerichtlichen Verfahren obsiegenden Steuerpflichtigen die Kostenerstattung für die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes im Vorverfahren auch dann versagte, wenn die Zuziehung notwendig war. Diese Regelung stellte den Staatsbürger schlechter als die Finanzbehörde. Denn die Finanzbehörde konnte den erfolglosen Einspruchsführer nicht nur zur Erstattung von Auslagen (§§ 312 f. AO a.F.), sondern auch zu einer Rechtsmittelgebühr (§ 311 AO a.F.) heranziehen. Diese Gebühr betrug für das Einspruchsverfahren das Einfache einer Gerichtsgebühr nach § 10 GKG (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F.). Der Steuerfiskus erhielt damit einen wesentlichen Teil der Kosten erstattet, die der Steuerpflichtige durch seinen unbegründeten Einspruch verursacht hatte. Demgegenüber wurden dem Steuerpflichtigen, dessen Einspruch begründet war, zwar seine sonstigen Auslagen, nicht aber die Vertretungskosten ersetzt. Diese sind im Einspruchsverfahren jedoch seine wesentlichen Aufwendungen.
Die verschiedene Behandlung des obsiegenden Steuerfiskus einerseits und des obsiegenden Steuerpflichtigen andererseits verstieß gegen den Gleichheitssatz, weil ein sachlicher Grund für sie nicht gegeben war. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß in den hier in Betracht kommenden Verfahren die Finanzbehörde und der Steuerpflichtige sich nicht als Gleichgeordnete gegenüberstehen.
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Bevollmächtigten gehören zwar nicht in jedem Fall zu den unvermeidbaren Kosten. Jedoch kann bei der Kompliziertheit vieler Teile des Steuerrechts nicht davon ausgegangen werden, daß der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren regelmäßig ohne Vertretung durch einen Fachmann auskommen kann. Das Gleichheitsgebot verbietet die kostenrechtliche Schlechterstellung des Steuerpflichtigen in Fällen, in denen die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
2. Die im einzelnen vorgebrachten Gründe für die verschiedene Behandlung von Steuerpflichtigem und Behörde vermögen die Differenzierung nicht zu rechtfertigen:
- Der Hinweis darauf, daß die Rechtsmittelgebühr und der Auslagenersatzanspruch der Finanzbehörde nicht in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte, sondern in ihrer Eigenschaft als Rechtsmittelbehörde zugestanden hätten, greift nicht durch. Es kommt nicht darauf an, ob Gebühr und Auslagenersatz von der Behörde als Rechtsbehelfs- oder Ausgangsbehörde erhoben wurden; denn stets flossen sie dem Steuerfiskus zu. In beiden Eigenschaften handelte die Behörde als Organ des Staates, hier des Steuerfiskus, der dem Steuerpflichtigen als Einheit gegenübertritt.
Durch den Kostenanspruch des Staates bei erfolglosem Einspruch sollte eine nicht zu vertretende Vermehrung von Rechtsbehelfen verhindert werden (vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit vom 10. Januar 1958, BTDrucks. III Nr. 127, S. 56). Diese Abwehrfunktion ist aber kein sachlicher Grund dafür, daß dem obsiegenden Steuerpflichtigen seinerseits der Ersatz seiner notwendigen Aufwendungen versagt wurde; denn die Abwehrfunktion wurde durch die Zuerkennung eines solchen Kostenersatzanspruchs nicht gefährdet.
Im übrigen zeigt die Entstehungsgeschichte der zur Prüfung gestellten Norm, daß die verschiedene Behandlung von Steuerpflichtigem und Behörde auf fiskalischen Erwägungen beruht. Die Erstattung aller notwendigen Auslagen der obsiegenden Partei hatte § 288 AO in der Fassung von 1919 für sämtliche Rechtsmittelinstanzen, zu denen auch das Einspruchsverfahren gehörte, vorgesehen. Diese Bestimmung wurde durch die Änderung der Reichsabgabenordnung in der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I S. 517) außer Kraft gesetzt. Das geschah aus Ersparnisgründen. Bei dieser Regelung blieb es bis zu der Gesetzesänderung im Jahre 1953, welche die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten zugunsten des obsiegenden Steuerpflichtigen für das gerichtliche Verfahren einführte, die Rechtslage für das Einspruchsverfahren aber unverändert ließ (§ 316 Abs. 2 AO a.F.). Fiskalische Erwägungen, die darauf abzielen, dem Staat Ausgaben zu ersparen, sind aber hier nicht als sachliche Gründe für eine differenzierende Behandlung anzusehen (vgl. BVerfGE 14, 42 [54]).
Die Erwägung, daß Besteuerungsverfahren Massenverfahren sind, bei denen sich fehlerhafte Entscheidungen nicht vermeiden lassen, vermag die Differenzierung nicht zu rechtfertigen.
Wenn das Einspruchsverfahren ein verlängertes Besteuerungsverfahren ist, so hätte es ebenso kostenfrei gestaltet werden können wie das Besteuerungsverfahren selbst. Hierzu bestand um so mehr Anlaß, wenn wegen der Massenarbeit der Finanzbehörden die Zahl der fehlerhaften Entscheidungen höher ist als in anderen Verwaltungszweigen. So sollte auch nach dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit vom 10. Januar 1958 (BTDrucks. III Nr. 127, Art. II Nr. 26, § 234 Abs. 3; Begründung S. 49) das Einspruchsverfahren kostenfrei bleiben, weil es lediglich die Fortsetzung des Veranlagungsverfahrens sei. Dann wäre der Steuerpflichtige gegenüber der Behörde nicht benachteiligt gewesen; denn jede Seite hätte ihre eigenen Aufwendungen selbst tragen müssen. Wenn demgegenüber nach der Reichsabgabenordnung a.F. der Staat für sich das Recht in Anspruch nahm, dem Steuerpflichtigen die Kosten aufzuerlegen, welche dieser durch einen unbegründeten Einspruch verursacht hatte, mußte dem Steuerpflichtigen auch das Recht eingeräumt werden, vom Staat die Aufwendungen ersetzt zu verlangen, die ihm durch fehlerhaftes Handeln der Behörde notwendigerweise entstanden.
- Der befürchtete Mißbrauch eines solchen Ersatzanspruchs hätte schon nach § 316 Abs. 3 AO a.F. verhindert werden können; nach dieser Vorschrift fand § 91 ZPO entsprechende Anwendung mit der Folge, daß nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten waren. Diese Regelung hätte es erlaubt, in einfachen Fällen die Kosten für einen Bevollmächtigten nicht zu ersetzen. Außerdem konnten dem Steuerpflichtigen nach § 307 Abs. 3 Satz 1 AO a.F. die Kosten des Rechtsmittels auch dann auferlegt werden, wenn er zwar Erfolg hatte, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruhte, die er früher hätte vorbringen können und müssen. Ebenso konnten ihm die Kosten auferlegt werden, die er durch unbegründete Anträge und Einwendungen verschuldet hatte (§ 307 Abs. 3 Satz 2 AO a.F.). Es bestanden also genügend Möglichkeiten, den Steuerfiskus vor einer mißbräuchlichen Geltendmachung von Kostenansprüchen zu schützen.
- Die Befürchtung, ein Bevollmächtigter werde bei Einräumung eines Erstattungsanspruchs die Erledigung des Einspruchs durch eine Berichtigung des Steuerbescheids nur deshalb verhindern, um die Gebühr zu erhalten, ist ebenfalls nicht geeignet, die Benachteiligung des Steuerpflichtigen zu rechtfertigen. Der Erlaß eines Berichtigungsbescheides war auch im Einspruchsverfahren möglich, ohne daß der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter dies verhindern konnte (§ 94 Abs. 2 AO a.F.). Die Behörde hatte in einem solchen Fall nur noch eine Entscheidung über die Kosten des Einspruchsverfahrens zu treffen. Auch das erübrigte sich, wenn der Einspruch in vollem Umfang Erfolg hatte und die Finanzbehörde die Übernahme der Kosten durch den Staat erklärte (§ 94 Abs. 2 Satz 2 AO a.F.). Nur wo dies nicht geschah, mußte nach §§ 307 ff. AO a.F. eine Kostenentscheidung nebst Streitwert- und Kostenfestsetzung ergehen. Diese Entscheidung machte die angegriffene Vorschrift allerdings vielfach entbehrlich, weil der Steuerpflichtige mit einer Berichtigung ohne Kostenentscheidung einverstanden war; denn er konnte seine wesentlichen Kosten, nämlich die für seine Vertretung, ohnehin nicht ersetzt verlangen und seine übrigen Auslagen fielen kaum ins Gewicht. Um diese Behördenpraxis nicht zu erschweren, wurde der Erstattungsanspruch nicht wieder eingeführt. Das konnte aber die Differenzierung nicht rechtfertigen.
3. Da für die verschiedene Behandlung des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde demnach sachliche Gründe nicht ersichtlich waren, verstieß § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. gegen den Gleichheitssatz. Deshalb bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. etwa auch unter Berücksichtigung der Kostenregelung in § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar war.
Wegen dieses Verfassungsverstoßes mußte die zur Prüfung gestellte Vorschrift in dem genannten Umfang für nichtig erklärt werden. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Rücksicht auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eine Nichtigerklärung dann nicht möglich, wenn der Gleichheitsverstoß auf verschiedene Weise geheilt werden kann (vgl. BVerfGE 22, 349 [361 f.]). Das Bundesverfassungsgericht darf eine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßende Regelung aber dann für nichtig erklären, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber bei Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG die nach der teilweisen Nichtigerklärung verbleibende Fassung der Norm wählen würde. Das ist hier der Fall. Denn der Gesetzgeber hat in § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO bereits zu erkennen gegeben, wie er die in § 316 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. verletzte Gleichheit wiederherstellen würde, nämlich dadurch, daß er dem obsiegenden Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes dann gewährt, wenn das Gericht die Zuziehung für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Fundstellen