BMF, Schreiben v. 30.12.2008, IV C 5 - S 2351/08/10005, BStBl I 2009, 28
Zur Rechtslage nach dem BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 (2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08) zur Entfernungspauschale und seinen Auswirkungen auf die Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG für Fahrtkostenzuschüsse und geldwerte Vorteile aus Sachleistungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nehme ich im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.12.2008 entfällt auch für die Pauschalbesteuerung von Fahrtkostenzuschüssen und geldwerten Vorteilen aus Sachleistungen im Zusammenhang mit den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die gesetzliche Einschränkung, nach der die Pauschalbesteuerung für Arbeitgeberleistungen im Zusammenhang mit den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die ersten 20 km nicht zulässig war.
Für alle nach dem 31.12.2006 beginnenden Lohnzahlungszeiträume kann der Arbeitgeber nun grundsätzlich eine Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG bereits ab dem ersten Entfernungskilometer vornehmen. Dies gilt auch, wenn die Lohnsteuerbescheinigung (§ 41b EStG) für das Jahr 2007 oder 2008 bereits übermittelt oder erteilt worden ist. Macht der Arbeitgeber von der Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch, so ist die bereits übermittelte oder erteilte Lohnsteuerbescheinigung nicht zu ändern (§ 41c Abs. 3 Satz 1 EStG).
Zum Zweck einer möglichen Änderung der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach durchgeführter Pauschalierung zu bescheinigen, dass er einen bisher im Kalenderjahr 2007 (und ggf. 2008 gesondert) in Höhe von …… Euro individuell besteuerten und bescheinigten Arbeitslohn nunmehr (in dieser Höhe) nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschal besteuert hat. Zur Aufzeichnung pauschal besteuerter Bezüge im Lohnkonto siehe § 4 Abs. 2 Nr. 8 LStDV; es ist nicht zu beanstanden, wenn für 2007 und ggf. 2008 die Möglichkeit zur Nachprüfung in anderer Weise sichergestellt wird.
Bei der Festsetzung der durch Abzug vom Arbeitslohn erhobenen individuellen Lohnsteuer (§§ 38 ff. EStG) und der Festsetzung der pauschalen Lohnsteuer (§§ 40 ff. EStG) handelt es sich verfahrensrechtlich um zwei selbstständige Festsetzungen, so dass eine (rückwirkende) Änderung der Pauschalbesteuerung im Rahmen der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung möglich ist, auch wenn eine Änderung des individuellen Lohnsteuerabzug nach Übermittlung oder Erteilung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr zulässig ist. § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG hindert die (rückwirkende) Pauschalierung nicht, da durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Pauschalierungsmöglichkeit erstmals eröffnet wurde.
Die übermittelte oder erteilte Lohnsteuerbescheinigung sowie die Bescheinigung des Arbeitgebers über die rückwirkend durchgeführte Pauschalbesteuerung sind keine Grundlagenbescheide für die Einkommensteuerfestsetzung beim Arbeitnehmer, sondern lediglich Beweismittel.
Der Arbeitnehmer kann mit der Bescheinigung des Arbeitgebers über die rückwirkend durchgeführte Pauschalbesteuerung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2007 (und ggf. 2008) eine entsprechende Korrektur des Arbeitslohns geltend machen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Die (rückwirkend) nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschal versteuerten Fahrtkostenzuschüsse und geldwerten Vorteile bleiben bei der Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz (§ 40 Abs. 3 Satz 3 EStG); sie mindern aber die Entfernungspauschale (§ 40 Abs. 2 Satz 3 EStG). Bei der Korrektur des Arbeitslohns ist daher eine ggf. zwischenzeitlich erfolgte (vorläufige) Anerkennung wie Werbungskosten rückgängig zu machen.
Die infolge der (rückwirkenden) Pauschalierung erstatteten Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) sind grundsätzlich in der Lohnsteuerbescheinigung des Jahres der Erstattung der Beiträge zu berücksichtigen. Ist die Lohnsteuerbescheinigung für 2008 noch änderbar, kann die Erstattung in dieser Lohnsteuerbescheinigung berücksichtigt werden.
Sofern der Arbeitgeber seine Leistungen für die ersten (bis zu 20) Entfernungskilometer in 2007 und 2008 individuell lohnversteuert hat und keine rückwirkende Pauschalierung vornimmt, steht dem Arbeitnehmer für jeden vollen Kilometer der Entfernung die Entfernungspauschale von 0,30 Euro je Entfernungskilometer zu. Ist für den Veranlagungszeitraum 2007 der Einkommensteuerbescheid bereits ergangen, erfolgt dies durch eine Änderung nach § 165 Abs. 2 AO, wenn sich durch den Ansatz der Entfernungspauschale eine steuerliche Auswirkung ergibt (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 15.12.2008, IV A 3 – S 0338/07/10010-02).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 2
EStG § 40 Abs. 2 Satz 2;
AO 1977 § 165 Abs. 2
Fundstellen
BStBl I, 2009, 28