1 Begriff
Der Begriff der Candidate Journey leitet sich aus dem Begriff der "Customer Journey" ab, welcher aus dem Marketing stammt und eine zielgruppenorientierte Sichtweise einnimmt. Dabei wird der Recruiting-Prozess bereits vor der eigentlichen Bewerbung der jeweiligen Person betrachtet und jegliche Berührungspunkte bis hin zum Vertragsabschluss berücksichtigt.
In Abgrenzung zur Candidate Experience beschreibt die Candidate Journey den gesamten Prozess, wohingegen die Candidate Experience die jeweiligen Empfindungen und Erfahrungen an sensiblen Punkten der Candidate Journey widerspiegelt.
2 Bedeutung
Entlang der Candidate Journey gibt es einige sensible und ausschlaggebende Kontaktpunkte, welche über das Interesse des Bewerbers und den Verlauf des Prozesses entscheiden. Diese Betrachtungsweise stellt einen wesentlichen Steuerungshebel im Recruiting dar, um das Recruiting sowie das dazugehörige Employer Branding auszubauen und zu professionalisieren. Sie ist entscheidend für die Reputation des Unternehmens und wirkt sich maßgeblich auf dessen Außenwirkung (z. B. Arbeitgeberbewertungsportale) aus. In Anbetracht des Fachkräftemangels ist die Betrachtung und Professionalisierung der Candidate Journey relevant, um ein erfolgreiches und zielwirksames Recruiting betreiben zu können. Sie bildet demnach die Grundlage für sämtliche Recruiting-Maßnahmen.
3 Verbesserung
Um Optimierungspotenziale aufzuzeigen, sollte zunächst analysiert werden, wie der gesamte Prozess aktuell gestaltet ist und welche sensiblen Punkte es gibt. Beginnend bei der Wahrnehmung des Unternehmens als potenzieller Arbeitgeber, über die Interessensphase mit dem Einreichen der Bewerbung, dem Auswahl- und Interviewprozess sowie abschließend dem Vertragsabschluss und dem Onboarding, gibt es über die gesamte Candidate Journey verschiedene Phasen, welche zahlreiche Kontaktpunkte beinhalten. Hierzu lohnt es sich, auch die gegenwärtige Candidate Experience ausführlich zu erarbeiten. Zu den kritischen Punkten zählen beispielsweise die Ausgestaltung der Stellenanzeige, prägende Bewertungen auf Arbeitgeberbewertungsportalen, das Design des Bewerbungsformulars, die Dauer der Rückmeldungen, die Gesprächsatmosphäre sowie die Zustellung des Arbeitsvertrags.
Zur besseren Einschätzung der Situation lohnt es sich, einen Blick auf die Daten des Recruitingprozesses zu werfen: Wie lange dauert der gesamte Bewerbungsprozess? Wie lange warten Bewerbende auf eine Rückmeldung? Wer ist am Prozess beteiligt und wie viele Beteiligte gibt es insgesamt? Wie viele Absprünge gibt es?
Um das Feedback direkt an der Quelle abzugreifen, sollte an dieser Stelle auch ein Blick auf Arbeitgeberbewertungsportale beherzigt werden: Welche Punkte werden besonders häufig kritisiert oder gelobt? Indem die Kommentarfunktionen genutzt und das Feedback an interne Beteiligte weitergeben wird, kann das Interesse und die Gewichtung dieser Feedbackform zur Geltung gebracht werden. Hierdurch kann wiederum eine Wertschätzung gegenüber Interessenten und Bewerbern nach außen getragen werden.
Eine weitere wichtige Quelle für Feedback stellen Bewerberumfragen dar. Diese können am Abschluss des Bewerbungsprozesses an alle Bewerbenden gesendet werden – unabhängig davon, ob sie eingestellt oder abgesagt wurden. Eine möglichst einfache Variante ist, eine Skalenfrage mit Antwortmöglichkeiten von 1–10 einzufügen und so den Gesamteindruck der Bewerbenden abzufragen. Insbesondere bei abgesagten Bewerbern kann hiermit zum Abschluss des Prozesses nochmal ein wertschätzender Eindruck hinterlassen werden. Es empfiehlt sich, diesen Prozess regelmäßig auf eventuelle Veränderungen und Anpassungen zu überprüfen und so Optimierungspotenziale der Candidate Journey aufzudecken.
Einbeziehung aller am Recruiting-Prozess Beteiligten
Indem auch die Beteiligten des Recruiting-Prozesses aus den Fachbereichen zielgerichtet involviert werden, kann die Qualität des Prozesses und damit die Qualität der gesamten Candidate Journey gesteigert werden. Gemeinsam können so Maßnahmen abgeleitet und das Bewusstsein für die Candidate Experience geschärft werden. Interviewschulungen sowie Trainings zum Feedbackgeben können hierbei als konkrete Maßnahme herangezogen werden. Generell ist es empfehlenswert, in regelmäßigen Abständen mit den Ansprechpartnern aus den Fachbereichen einen Blick auf den Recruiting-Prozess und dessen Gesamtdauer, Conversion Rates, Bewerbungseingänge, Feedbackdauer und Absagegründe zu werfen. Hiermit können Frustration und Desinformation auf allen Seiten, auch hinsichtlich der Bewerber, vermieden werden.
4 Verantwortlichkeit
In der heutigen Zeit, in der sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt verändert hat, kommt der Candidate Journey eine besonders hohe Bedeutung zu. Entgegen der noch häufig vertretenen Auffassung, dass Recruiting allein die Aufgabe der Personalabteilung sei, sollte durch eine kandidatenzentrierte Denkweise deutlich werden, dass auch Beteiligte aus den Fachbereichen eine bedeutsame Aufgabe während des Prozesses übernehmen müss...