Dieses Kapitel hätte auch den Titel "Bitte nicht helfen! Es ist auch so schon schwer genug." tragen können. Es ist ein Buchtitel von Jürgen Hargens, den ich als Coach und Therapeut sehr schätze. Mit diesem "Selbsthilfebuch" bietet er viele nützliche und hilfreiche Gedanken für die eigene Veränderung an Und der Titel beschreibt eine sehr gelungene Haltung für Coaches. Denn es geht um den Coachee, und es geht darum ihr oder ihm zu helfen, den eigenen Weg zu entwickeln. Also nicht helfen. Aber sehen, erkennen unterstützen und machen lassen.
Welche Themen regelmäßig und häufiger im Coaching bearbeitet werden zeigt u.a. die Marktanalyse von C. Rauen, zuletzt 2024:
Abbildung: Rauen Coachingmarktanalyse 2024
Die Problemlösungsphase besteht aus fünf Etappen:
- Aktuelles bearbeiten
- Anknüpfen
- Ziel- und Problembearbeitung
- Maßnahmen präzisieren
- Rückblick und Festigung
Diese Etappen bzw. das Phasenmodell ist dabei keinesfalls linear, die Etappen können in einer anderen Reihenfolge durchlaufen werden, manche mehrfach, möglicherweise auch in Wiederholungen. Coaching ist selten linear. Und in einem klienten-zentrierten Prozess ist das auch weder gewünscht noch erwartbar.
6.2.1 Aktuelles Bearbeiten
Aktuelle Ereignisse, die ins Thema hineinspielen oder den Coachee beschäftigen, werden deswegen von guten Coaches immer mit einbezogen. Gerade bei Themen, die auch persönlich dominiert sind (z. B. Konflikte, Life-Balance und Führung) ist das Bearbeiten akuter „Events“ nicht nur notwendig, um „freie Bahn für die Arbeit an den Zielen“ zu haben. Oft ist es auch deshalb hilfreich, weil sich ja in diese Konstellationen die gleichen Mechanismen und Strukturen der Personen spiegeln und wieder finden lassen werden.
Wenn z. B. ein Führungsgespräch mit einem Mitarbeiter „schief gegangen ist“, dann ist das doch eine wundervolle Blaupause für die Betrachtung der Beziehung des gecoachten Teamleiters zu seinem Mitarbeiter und für die Gefühle des Coachees im Hinblick auf z. B. (Versagens-)Ängste oder den eigenen Umgang mit Aggression. Aktuelles hat also Vorrang. Und lässt sich oft mit den Coaching-Zielen verbinden.
Andersherum: tauchen im Business-Coaching gravierende persönliche Umstände auf (z. B. Drogenprobleme oder psychische Erkrankungen in der Familie), kann und werde ich die nicht ignorieren. Ein Fortschritt in den Business-Coaching-Zielen ist in solchen Momenten im Grunde weder sinnvoll noch realistisch. Viel mehr kann ich mich mit dem Coachee verständigen (der mir ja sein Vertrauen schenkte, mir seine private Situation schilderte) an diesen Themen zu arbeiten. Oder, falls das auf Grund der Ausbildung des Coaches nicht sinnvoll wäre, das Coaching auszusetzen, bis sich die private Situation geklärt hat.
Die Grenzen zwischen Coaching und Therapie können schwimmend sein. Gute Coaches haben da eine eigene gute Klärung und kennen vor allem ihre eigenen Grenzen.
6.2.2 Anknüpfen
Der Coach knüpft an die zum Schluss der Diagnosephase gestellten "Hausaufgaben" an und bespricht mit dem Coachee die gemachten Erfahrungen. Folgende Fragen ermöglichen ein konkretes Bild:
- Was haben Sie erfolgreich umgesetzt?
- Welche positiven / negativen Erfahrungen sind damit verbunden?
- Was waren die Gründe dafür, dass Sie die Aufgabe (nicht) umsetzen konnten?
- Wie ging es weiter?
- Wer oder was behinderte Sie?
- Welche anderen Maßnahmen konnten Sie noch ergreifen, um erfolgreich zu sein?
- Wen konnten Sie als Verbündeten gewinnen?
Der Coach achtet dabei besonders darauf, dass der Coachee stets die Verantwortung für seine Änderungen, Entscheidungen und Handlungen trägt. Das stärkt ihn im Sinne der Selbstwirksamkeit (. Und macht beiden Seiten Spaß.
Ebenso wichtig ist das regelmäßige Anknüpfen an die vereinbarten Ziele:
- Kommt der Coachee in deren Richtung?
- Was konnte sie oder er schon erreichen?
- Was wäre der nächste sinnvolle Schritt?
- Bleiben die Prioritäten der Ziele konstant oder gibt es Anpassungsbedarf?
Weiterhin konzentrieren sich Coach und Coachee auf die Ziel- und Themenbearbeitung.
Visualisierung
Es ist immer hilfreich, zusätzlich zum Gespräch auch Visualisierungen vorzunehmen. Sei es das Flipchart im Raum, das Whiteboard oder Miro im digitalen Setting, mitgebrachte Ausdrucke (z. B. mit den "Hausaufgaben" des Coachees) usw.
Das unterstützt lernen und Fortschritte und schafft ggf. ein kleines "Archiv" für später.
Das Besprechen vieler Bereiche und Perspektiven kann helfen, möglichst umfassend Situation und Wege zum Ziel zu beleuchten, eigene Haltungen und Glaubenssätze zu hinterfragen und Experimente für geänderte Verhaltensweisen zu planen.
6.2.3 Fragen zur Ziel- und Themenbearbeitung
Ist sich der Coachee über getroffene Entscheidungen unsicher, werden Alternativen besprochen. Wieder stehen dem Coach viele Fragen zur Verfügung, um den Coachee zur Klarheit zu führen.
Ausgangssituation
- Wie stehen Sie heute zum Thema?
- Was gehört aus Ihrer Sicht alles zur Situation?
- Was davon ist wesentlich, was weniger?
- Welche Zusammenhänge und Abhängigkeiten gibt es?
- Was is...