Zusammenfassung
Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist eine gewählte Vertretung für die besonderen Interessen der schwerbehinderten sowie ihnen gleichgestellten Menschen mit Behinderungen in den Betrieben der Privatwirtschaft und in den Verwaltungen des öffentlichen Dienstes. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über alle wesentlichen Aspekte, die Rechtsstellung und das Wahlverfahren, die Aufgaben und Rechte der SBV und über die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberbeauftragten.
Mit Inkrafttreten von Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) zum 30.12.2016 sind die Rechte der SBV deutlich erweitert worden. So sah vor allen Dingen § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX seit dem 30.12.2016 vor, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne die Beteiligung der SBV ausspricht, unwirksam ist.
Seit 1.1.2018 sind aufgrund des Art. 1 BTHG die Inhalte des SGB IX komplett neu strukturiert worden. Die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht) sind nun in §§ 151 ff. SGB IX enthalten. Die Vorschriften zur Wahl der SBV befinden sich in § 177 SGB IX (zuvor: § 94 SGB IX). Dieser Beitrag basiert auf der seit dem 1.1.2018 geltenden Rechtslage, sofern nicht ausdrücklich auf eine ältere Fassung (a. F.) verwiesen wird. Das SGB IX ist durch Art. 6 Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 vom 22.12.2023 teilweise geändert worden. Diese Änderungen betreffen vornehmlich die Regelungen zur Ausgleichsabgabe durch den Arbeitgeber für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz sowie die Regelungen über den Mehrbedarf für Grundsicherungsempfänger. Die Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung bestehen unverändert fort.
Nach wie vor gelten für die SBV auch teilweise noch Bestimmungen des BetrVG oder der Personalvertretungsgesetze entsprechend. Auch die Regelungen in der Wahlordnung der Schwerbehindertenvertretung (SchwbWO) – in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen vom 18.3.2022 gelten weiterhin.
1 Aufgabe
1.1 Allgemeines
Nach § 178 Abs. 1 SGB IX hat die SBV die Eingliederung arbeitsuchender schwerbehinderter Menschen in den Betrieb zu fördern, ihre Interessen zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen. Die SBV hat insbesondere darauf zu achten, dass die geltenden Bestimmungen, die dem Schutz schwerbehinderter Menschen dienen, eingehalten werden. Weitere Aufgabe ist es, Maßnahmen, die den Schwerbehinderten dienen, bei den zuständigen Stellen zu beantragen sowie Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegenzunehmen und ggf. mit dem Arbeitgeber im Wege der Verhandlung auf eine Erledigung hinzuwirken.
1.2 Integrationsteam
Die SBV hat nach § 182 Abs. 1 SGB IX mit dem ebenfalls für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zuständigen Betriebsrat und dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers eng zusammenzuarbeiten. Diese 3 zur Zusammenarbeit verpflichteten Stellen werden deshalb auch als "Helfergruppe" oder moderner als "Integrationsteam" bezeichnet. Diese innerbetrieblichen Helfer sind nach § 182 Abs. 2 SGB IX zur weiteren Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Stellen verpflichtet. Dazu zählen insbesondere die Versorgungsämter (oder die nach dem jeweiligen Landesrecht für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen anderen Behörden), die Krankenversicherungen, Unfallversicherungsträger, Rentenversicherungen und Arbeitsschutzbehörden. Ferner sind die Mitglieder der SBV nach § 182 Abs. 2 SGB IX Verbindungsleute zur Bundesagentur für Arbeit, zu den von den Arbeitsagenturen beauftragten Integrationsfachdiensten und zum Integrationsamt.
1.3 Aufgabenkatalog
Zu den gesetzlichen Aufgaben der SBV gehört nach § 178 Abs. 1 Satz 2 SGB IX vor allem:
- Darüber zu wachen, dass die zugunsten der schwerbehinderten Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 SGB IX obliegende Mindestbeschäftigung von schwerbehinderten Menschen und die nach §§ 164–167 SGB IX bestehenden besonderen arbeitsrechtlichen Pflichten erfüllt werden.
- Maßnahmen, insbesondere auch solche präventiver Natur, die den schwerbehinderten Menschen dienen, bei den zuständigen Stellen zu beantragen, z. B. bei den Integrationsämtern auf eine behindertengerechte Ausstattung der Arbeitsplätze hinzuwirken.
- Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegenzunehmen und auf ihre Erledigung durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber hinzuwirken.
- Beschäftigte bei Anträgen an die Versorgungsverwaltung, das Integrationsamt sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Arbeitsagentur zu unterstützen.