Am 14.4.2024 beschloss der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag" (SBGG). Das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz tritt am 1.11.2024 in Kraft und ermöglicht die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens im Personenstandsregister für trans-, inter- und non-binärgeschlechtliche Menschen. Es löst nach 44 Jahren das bisherige und in weiten Teilen verfassungswidrige TSG ab und gilt damit als Meilenstein für die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt in Deutschland.
Das dort in § 1 SBGG genannte Ziel des Gesetzes ist die eigenverantwortliche Geschlechtszuordnung zur Stärkung der Selbstbestimmtheit von Betroffenen und die Verwirklichung des Rechts auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität. Das Gesetz erkennt damit an, dass Geschlechtsidentität ein zutiefst persönliches Merkmal ist und nicht durch Dritte beurteilt werden kann. Der Schritt zu einer Selbstbestimmung der eigenen geschlechtlichen Identität stärkt damit die Rechte von Menschen, die sich nicht im binären Geschlechtersystem (cis männlich/cis weiblich) verorten und verringert die bürokratischen Hürden zur rechtlichen Angleichung.
Im Folgenden erläutert werden die konkreten Anwendungsbereiche und Regelungen des SBGG:
2.1 Inhalt
2.1.1 Änderung des Geschlechtseintrags, Zuständigkeit und Anmeldung beim Standesamt
Regelungen vor dem SBGG
Bisher war es transidenten Personen möglich, den Geschlechtseintrag und/oder den Vornamen durch ein Verfahren über das TSG zu ändern. Das TSG geht dabei von einem binären Geschlechterverständnis aus, sodass das Verfahren bei non-binären Personen analog angewendet werden kann. Im Anschluss an den Beschluss des BVerfG zur sog. "Dritten Option" 2017 wurde über § 45b Abs. 1 Personenstandgesetz (PStG) die Möglichkeit für intergeschlechtliche Personen eingeführt, den Namen und Personenstand durch Abgabe einer Erklärung beim zuständigen Standesamt zu ändern. Non-binäre Personen sind nach einem restriktiven, rein auf biologische Merkmale fußendem Verständnis nach hiervon nicht erfasst.
Das neue SBGG trifft indes keine Unterscheidung zwischen binär oder non-binär, transidenten oder intergeschlechtlichen Menschen und will die bisherigen Gesetzesnormen vereinheitlichen. Erklärungsberechtigt sind neben Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit auch Menschen aus dem Ausland mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, Aufenthaltserlaubnis oder Blauer Karte der EU. Vom Anwendungsbereich des SBGG hingegen ausgenommen bleiben Geflüchtete, Staatenlose und Personen ohne dauerhaften Aufenthaltstitel.
Nach bisher geltenden Regelungen des TSG müssen Betroffene ein amtsgerichtliches Verfahren unter Einholung zweier psychologischer Fachgutachten durchlaufen. Statt stigmatisierender, kosten- und zeitaufwendiger Gerichtsverfahren nach § 2 i. V. m. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 9 Abs. 3 TSG genügt gemäß § 2 SBGG nunmehr die Abgabe einer einfachen Formular-Erklärung bei dem zuständigen Standesamt.
Vorherige Regelungen
Standesämter sind auch im Verfahren nach § 45b PStG zuständig. Voraussetzung hierbei ist daneben das Einholen einer ärztlichen Bescheinigung zur vorliegenden "Variante der Geschlechtsentwicklung".
2.1.2 Abgabe der Erklärung zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen
Inhalt der Formular-Erklärung ist die Änderung der Angabe des eigenen Geschlechts im deutschen Personenstandsregister. Mögliche Angaben sind männlich, weiblich, divers oder keine Angabe. Mit der Erklärung versichert die erklärungsberechtigte Person, dass der gewählte Geschlechtseintrag bzw. die Streichung des Geschlechtseintrags der eigenen Geschlechtsidentität am besten entspricht. Durch die Erklärung soll ferner das Bewusstsein über die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen versichert werden.
Neben der Änderung des Geschlechtseintrags kann gemäß § 2 Abs. 3 SBGG auch der Vorname geändert werden. Dies ist aber kein Muss, wenn der Vorname bzw. die Vornamen bereits dem gewählten Geschlecht entspricht bzw. entsprechen.
Vorherige Regelungen
Nicht vorgesehen ist hingegen die bisher im Verfahren des TSG ("kleine Lösung") und § 45b PSTG vorgesehene Option, die Vornamen isoliert vom Geschlechtseintrag zu ändern. Auch die Änderung von geschlechterspezifischen Nachnamen ist vom Regelungsbereich des Gesetzes nicht erfasst. Hier bleibt es bei der Voraussetzung eines wichtigen Grundes gemäß §§ 3 Abs. 1 i. V. m. 11c Namensänderungsgesetz.
2.1.3 Anmeldefrist
Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen ist von der erklärungsberechtigten Person 3 Monate vor der Erklärung bei dem zuständigen Standesamt schriftlich oder mündlich anzumelden. Erst nach Verstreichen dieser 3-Monatsfrist kann die Erklärung erfolgen und die Änderung rechtliche Wirkung entfalten. Das heißt, es können neue Ausweis- und andere Dokumente beantragt werden.
Wird die Erklärung nicht innerhalb von 6 Monaten nach der Anmeldung abgegeben, wird die Anmeldung gegenstandslos...