Umgang mit Geschlechts- und Namensänderungen am Arbeitsplatz
Das Personalwesen und das Arbeitsrecht haben sich im Grunde problemlos auf die Existenz eines dritten Geschlechts seit dem Beschluss des BVerfG vom 10. Oktober 2017 (Az. 1 BvR 2019/16) eingestellt. Freilich bleiben noch spezifische rechtliche Fragen. So prüft beispielsweise das Bundesarbeitsgericht aktuell, ob es eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) rechtfertigen kann, wenn eine Gebietskörperschaft eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte nur für Frauen ausschreibt und nicht für Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind (sogenanntes drittes Geschlecht).
Neues Gesetz für mehr Selbstbestimmung
Zum 1. November 2024 ist das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft getreten. Eine danach durchgeführte Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens hat nicht nur Auswirkungen auf das Privatleben von Menschen, sondern insbesondere auch auf das Arbeitsrecht und Personalabteilungen.
Das Gesetz erleichtert die Anpassung des Geschlechtseintrags und des Vornamens für trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Die bisherigen rechtlichen Hürden, wie die Einholung von zwei Sachverständigengutachten durch das Gericht und ein bisher gefordertes dreijähriges Zugehörigkeitsempfinden zu dem anderen Geschlecht, sind nicht mehr vonnöten.
Maßgeblich für eine Änderung ist nur mehr das persönliche Geschlechtsempfinden der betroffenen Person. Diese Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens kann durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt bewirkt werden. Besondere Vorgaben macht das Gesetz zu Erklärungen von Minderjährigen und Personen mit Betreuern. Ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche/medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche vornehmen kann, wird nicht durch das Gesetz geregelt. Auch ändert das Selbstbestimmungsgesetz nichts an der Vertragsfreiheit, am privaten Hausrecht und am AGG. Die Neuerungen bringen aber Herausforderungen und Chancen mit sich im Umgang mit Geschlechts- und Namensänderungen am Arbeitsplatz.
Selbstbestimmungsgesetz: Anpassungen vor und nach einer amtlichen Änderung
Vor einer amtlichen Änderung können Unternehmen als Teil einer respektvollen Unternehmenskultur mit der Person auf Wunsch die Kommunikation und Ansprache auf die bevorstehende Änderung hin anpassen. Dabei erfordert die interne Kommunikation Sensibilität und Fingerspitzengefühl.
Nach der amtlichen Änderung muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass die Personalakte und die Arbeitnehmerdaten entsprechend angepasst werden. Nach § 10 Abs. 2 SBGG kann die betroffene Person verlangen, dass Ausbildungs- und Arbeitsverträge, Zeugnisse und andere Leistungsnachweise, soweit diese Angaben zum Geschlecht oder zu dem Vornamen enthalten und zur Aushändigung an die Person bestimmt sind, mit dem geänderten Geschlechtseintrag und dem geänderten Vornamen neu ausgestellt werden, soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden kann. Dabei muss das veralte Originaldokument im Austausch für die neue Fassung dem Arbeitgeber zurückgegeben werden.
Umgang mit der Änderung in arbeitsrechtlichen Dokumenten
Für eine Namensänderung sollte beispielsweise bei Arbeitsverträgen ein Nachtrag ausreichend, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 NachwG, und eine Neuausstellung nicht notwendig sein. Bei einer Neuausstellung ist darauf zu achten, dass nicht nur die Anrede und der Vorname zu ändern ist, sondern auch grammatikalische Anpassungen in den Dokumenten vorzunehmen ist, beispielsweise kann "Arbeitnehmer" in "Arbeitnehmerin" geändert werden. Arbeitgebern ist ohnehin geraten, nur ein Musterarbeitsvertrag für alle Geschlechter zu erstellen, dies klarzustellen und hierbei durchgehend ein Geschlecht stellvertretend für alle sprachlich zu wählen.
Bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot
Neuausstellungen und Nachträge dürfen dabei nicht zu ungewollten Outings, auch im Kollegenkreis, führen; vielmehr gibt das SBGG der Person die Kontrolle über die eigene Identität. Aus diesem Grund ist das Offenbarungsverbot zu beachten: Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderung des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt.
Selbstbestimmungsgesetz: Diskreter Umgang mit der Änderung
Darüber hinaus ist auch ein vertraulicher Umgang mit den früheren geschlechtsspezifischen Daten zu gewährleisten. Arbeitgeber und die betroffene Person sollten sich dazu abstimmen, in welchem Umfang eine Offenlegung erfolgen soll und wo nicht. Zu beachten ist auch, dass der Arbeitgeber neben seiner Fürsorgepflicht auch verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts oder sexuellen Identität zu treffen (§§ 12 Abs. 1, 1 AGG). Um einen effektiven Schutz dahingehend zu gewährleisten, müssen aber gegebenenfalls weitere Personen (z. B. die bzw. der Vorgesetze) Kenntnis haben.
Sanitärräume und Arbeitskleidung
Das SBGG hat keine speziellen Anforderungen an die Anpassung von Toiletten- oder Umkleideräumen. Es gelten weiterhin nur die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung beziehungsweise in der betrieblichen Praxis die technischen Regeln für Arbeitsstätten, die grundsätzlich ab zehn Beschäftigten getrennte Sanitärräume für männliche und weibliche Personen vorsehen. Es empfiehlt sich jedoch für ein inklusives Arbeitsumfeld eine offene Regelung, die es ermöglicht, allen gerecht zu werden. Unternehmen könnten zum Beispiel Unisex-Toiletten einrichten oder bereits vorhandene, barrierefreie Toiletten als Unisex-Räume kennzeichnen. Rechtlich zwingend ist das aber nicht.
Ähnliches dürfte auch in Bezug auf Kleiderordnungen gelten. In vielen Branchen ist es üblich, dass es nach Geschlechtern getrennte spezifische Kleidervorgaben gibt. Auch hier können Anpassungen notwendig sein. Sinnvoll erscheint hier vielleicht eine (möglichst) geschlechtsneutrale Kleiderordnung, die komplizierte Einzelregelungen vermeidet. Alternativ sollte intersexuellen Menschen die Wahl zwischen den für Männern und den für Frauen ausgesuchten Kleidervorgaben gelassen werden. In Bezug auf die Kleiderordnung ist allerdings in jedem Fall das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu beachten.
Geschlechtsspezifische Wahlvorgaben und Quotensysteme
Wenn für die Besetzung von Gremien oder Organen durch Gesetz eine Mindestanzahl oder ein Mindestanteil an Mitgliedern weiblichen und männlichen Geschlechts vorgesehen ist, so ist das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht zum Zeitpunkt der Besetzung maßgeblich (§ 7 Abs. 1 SBGG). So bleibt das Geschlecht, das bei Beginn der Amtsperiode eingetragen war, für die Dauer dieser Amtszeit relevant.
Eine solche geschlechtsbezogene Regel kennt beispielsweise das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für die Zusammensetzung des Beunsixriebsrats. Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Auch wenn das Wort "Geschlecht" auslegungsoffen auch ein weites Geschlechterverständnis zulässt, geht das Betriebsverfassungsgesetz ausweislich der Gesetzesbegründung von einem binären Geschlechterverständnis aus, womit die Quotenvorgabe nicht für diverse Arbeitnehmer, sondern nur für das weibliche und männliche Geschlecht gilt. Das ist einhellige Meinung im Arbeitsrecht.
Es ist aber zu empfehlen, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Mitwirkung bei der Aufstellung der Wählerliste darauf hinweist, wenn eine Person auf der Wählerliste erscheint oder gegen eine Wählerliste Einspruch erhoben hat, die dem Arbeitgeber angezeigt hat, dass sie den Geschlechtseintrag divers gewählt hat. Das wiederum ist keine Neuerung durch das SBGG, sondern schon heute gelebte Betriebspraxis und galt insbesondere schon bei den turnusgemäßen Betriebsratswahlen 2022.
Chancen für ein offenes Arbeitsumfeld
Das Selbstbestimmungsgesetz stellt für Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar, eröffnet aber auch Chancen, ein inklusiveres und offenes Arbeitsumfeld zu fördern. Unternehmen sollten frühzeitig auf die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Änderungen eingehen und gleichzeitig eine Kultur der Akzeptanz und Wertschätzung fördern. Durch klare Prozesse, gegebenenfalls auch Schulungen und einem sensiblen Umgang mit persönlichen Daten tragen Arbeitgeber dazu bei, dass Mitarbeitende sich im Einklang mit ihrem Geschlecht sicher und respektiert fühlen. Damit der Arbeitgeber entsprechend reagieren und auch seine Fürsorgepflicht wahrnehmen kann, sollten ihn betroffene Personen möglichst frühzeitig informieren und den Kreis der Vertraulichkeit von Beginn an festlegen.
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