Falsch ausgelegter Minderheitenschutz bei der Betriebsratswahl
Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz, was für eine ausgewogene Besetzung sorgen und den Minderheitenschutz garantieren soll. Die Vorgaben im Betriebsverfassungsgesetz und die Regelungen in der Wahlordnung richtig auszulegen, ist bisweilen kompliziert. Im vorliegenden Fall lag der Wahlvorstand mit seiner Auslegung zum gesetzlich vorgesehen Minderheitenschutz falsch.
Der Fall: Wahlvorstand bevorzugt diverses Geschlecht
Im konkreten Fall standen in einem Betrieb Betriebsratswahlen an, um ein Gremium zu wählen, das aus sieben Mitarbeitenden bestehen sollte. Die Wählerliste für die anstehende Betriebsratswahl sah folgende wahlberechtigte Personen vor: 45 Personen weiblichen Geschlechts, 56 Personen männlichen Geschlechts und 17 Personen diversen Geschlechts.
Zur Wahl standen bei der Betriebsratswahl zwei Listen: Die erste Liste umfasste drei Kandidierende, wobei an erster und zweiter Stelle Männer und an dritter Stelle eine Frau stand. Die zweite Liste umfasste elf Personen, darunter an letzter Stelle eine Frau und auf den Plätzen zwei und drei Personen diversen Geschlechts.
Im Wahlausschreiben gab der Wahlvorstand an, dass sich mindestens eine Person der Minderheitengruppe divers unter den zu wählenden Betriebsratsmitgliedern befinden müsse. In seiner Niederschrift über das Wahlergebnis stellte er fest, dass wegen des gesetzlich vorgesehenen Schutzes des Minderheitengeschlechts aus Liste 1 zwei Männer und aus Liste 2 drei Männer und zwei Personen diversen Geschlechts gewählt worden seien. Kein Sitz ging an eine Frau - das weibliche Geschlecht wurde im Ergebnis nicht berücksichtigt.
ArbG Berlin: Unwirksame Betriebsratswahl wegen falscher Auslegung des Minderheitenschutzes
Das Arbeitsgericht Berlin erklärte die Wahl für unwirksam. Da ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und des Wahlverfahrens vorliege, müsse die Wahl wiederholt werden. In der Begründung wies das Gericht darauf hin, dass die Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz und der dazugehörigen Wahlordnung über den Minderheitenschutz nicht so ausgelegt werden dürften, dass gegebenenfalls nur das dritte Geschlecht hiervon profitiere, dagegen das im Verhältnis von Frauen und Männern in der Minderheit befindliche Geschlecht gar nicht mit Mindestsitzen berücksichtigt werde.
Dafür sprach aus Sicht der Richter die Entstehungsgeschichte des § 15 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz sowie die Gesetzessystematik. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den fehlerhaften Hinweis auf den zu wahrenden Minderheitenschutz im Wahlausschreiben anders ausgegangen wäre.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kann vom Betriebsrat Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Hinweis: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Mai 2024, Az. 36 BV 10794/23
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