Bereitschaft zu inklusiver Unternehmenskultur durch ganzheitliche Diversity-Strategie
Für Arbeitgebende stellt sich neben der administrativen und verpflichtenden Umsetzung der gesetzlichen Regelungen vornehmlich die Frage der Bereitschaft, eine inklusivere Unternehmenskultur zu etablieren und zum Abbau von Diskriminierungen und Stigmatisierung von Mitarbeitenden beizutragen. Vom Ziel tatsächlich gelebter Vielfalt, Chancengerechtigkeit und inklusiven Unternehmenskultur ist die Arbeitswelt in Deutschland noch weit entfernt. Es geht hiermit also wie mit allen Vielfaltsdimensionen um tatsächlich gelebte Integration von gesellschaftlicher menschlicher Diversität. Daher ist Arbeitgebenden geraten, die Änderungen durch das SBGG in eine holistische Diversity-Strategie zu integrieren und Diversität als Kern von gesellschaftlicher Realität und Voraussetzung der eigenen unternehmerisch-ethischen sowie wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit zu verstehen.
Die nachfolgenden vorgeschlagenen Maßnahmen sind gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben, tragen jedoch erheblich zu einer inklusiven und respektvollen Arbeitsumgebung bei. Neben der Einhaltung rechtlicher Vorgaben geht es darum, eine Kultur des Respekts und der Wertschätzung zu schaffen.
3.1 Etablierung geschlechtergerechterer Sprache
Neben der Verwendung des richtigen Namens und Geschlechts von Mitarbeitenden sollten Arbeitgebende im Sinne einer inklusiveren Unternehmenskultur ganzheitlich auf die Verwendung geschlechtergerechterer Sprache (sog. Gendern) achten. Das beinhaltet die Anrede mit den Pronomen, mit denen die jeweiligen Mitarbeitenden angesprochen werden möchten (sie, er, mittels sog. Neopronomen wie they oder dey oder ganz ohne Pronomen) sowie die Verwendung geschlechtsneutraler oder genderinklusiver Begriffe.
Anredeformen
- Statt "Arbeitnehmer" (Plural) die inklusivere Alternative: "Arbeitnehmende" oder "Arbeitnehmer*innen" bzw. "Arbeitnehmer:innen" oder "Arbeitnehmer_innen"unter Verwendung von inklusiven Zeichen wie dem "*", ":", oder "_".
- Statt "Sehr geehrte Damen und Herren" die inklusivere Alternative: "Sehr geehrtes Team", "Sehr geehrte Mitarbeitenden", "Liebes Publikum", "Liebes Kollegium", "Liebe alle" oder "Hallo zusammen"
Hinweis: Um eine möglichst barrierearme Schreibweise zu gewährleisten, wird die Verwendung geschlechtsneutraler Begriffe oder die Nutzung des Asterisks "*" empfohlen.
3.2 Räumliche Anpassungen und geschlechtsneutrale Optionen
Das SBGG enthält keine Vorgaben zur Schaffung oder Anpassung von geschlechtsneutralen Toiletten sowie Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen, wie Umkleiden, in öffentlichen Einrichtungen oder am Arbeitsplatz. Damit verpasst das Gesetz die Chance, eine gesetzliche Verpflichtung dazu zu verankern und für mehr Klarheit im Rechtsverkehr zu sorgen. Damit obliegt die Handhabung zum Zutritt zu Veranstaltungen und Räumlichkeiten weiterhin den jeweiligen Unternehmen und verschiebt den Diskurs um Schutzräume für von Geschlechterdiskriminierung Betroffene auf diese Ebene. Das Arbeitsschutzrecht sieht bisher beispielsweise eine grundsätzliche Trennung von Toilettenräumen für Männer und Frauen vor bzw. die Verpflichtung zur Ermöglichung einer Trennung. Zu sogenannten Unisex-Toiletten äußert es sich nicht. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 AGG ergibt sich bereits, dass beispielsweise eine allgemeine Zurückweisung zum Zugang von Umkleideräumen von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und non-binären Personen rechtswidrig ist. Eine solche Zurückweisung wird aber bei Vorliegen von sachlichen Gründen in Einzelfällen weiterhin zulässig sein. Daher wird dringend empfohlen, geschlechtsneutrale Toiletten und Umkleideräume zu installieren, um den Bedürfnissen aller Mitarbeitenden gerecht zu werden. Obwohl dies bisher nicht gesetzlich verpflichtend ist, trägt es dazu bei, ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen und das Wohlbefinden von allen Mitarbeitenden zu fördern. Dabei sollten sich Arbeitgebende und Inhabende vergegenwärtigen, dass das zu Recht hohe Schutzbedürfnis für von geschlechterspezifischer Gewalt Betroffene neben cis Frauen insbesondere auch transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und non-binäre Personen inkludiert.
Geschlechtsneutrale Räumlichkeiten
Gut zugängliche geschlechtsneutrale Optionen können eingeführt werden (z. B. Toiletten) bei Beibehaltung getrennter Räumlichkeiten oder die Schaffung von Unisex-Sanitäranlagen mit spezifischen Einzelkabinen.
3.3 Geschlechtsspezifische Kleiderordnung
Im SBGG finden sich keine Aussagen zum Umgang mit geschlechterspezifischer Arbeits- und Dienstkleidung. Arbeitnehmende haben als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch darauf, selbst zu entscheiden, welche Kleidung sie tragen. Dem steht das berechtigte Interesse der Arbeitgebenden im Sinne einer Corporate Identity oder einheitlichen Uniform oder Dienstkleidung entgegen. Existiert eine geschlechterspezifische Kleiderordnung, hat das Unternehmen ohne sachlichen Grund kein Weisungsrecht da...