Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Bereits mit Aufnahme mündlicher oder schriftlicher Vorverhandlungen zwischen Arbeitgeber und künftigem Arbeitnehmer über einen Arbeitsvertrag entstehen für beide Seiten bestimmte vorvertragliche Pflichten. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Arbeitsvertrag später zustande kommt oder nicht. Aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis der "culpa in contrahendo" resultieren Sorgfaltspflichten, deren Verletzung Schadensersatzpflichten auslösen können. Auch können die Inhalte der Vorverhandlungen zur Auslegung des später geschlossenen Arbeitsvertrags herangezogen werden. Ein Anspruch auf Einstellung entsteht dadurch grundsätzlich nicht. Darüber hinaus geht der Abschluss eines Vorvertrags, um so die gegenseitige Bindung und Verpflichtung zum Abschluss des eigentlichen Arbeitsvertrags zu begründen. Ein wirksamer Vorvertrag setzt voraus, dass sich die Parteien mit beiderseitigem Bindungswillen über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben und der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrags (hier: Arbeitsvertrags) zumindest bestimmbar ist.
Im Verhältnis zu einem öffentlichen Arbeitgeber kann ein Bewerbungsverfahrensanspruch entstehen. Art. 33 GG garantiert jedem Stellenbewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Eine spezialgesetzliche Konkretisierung dieser Pflichten findet sich im AGG, welches auch Diskriminierungen bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses erfasst. So besteht unter Umständen ein Anspruch eines Menschen mit Behinderung auf Einladung zu einem Auswahlgespräch.
Der (zukünftige) Arbeitgeber hat den Bewerbungsprozess so zu organisieren, dass die für den Bewerbungsprozess relevanten Informationen in den Bewerbungsunterlagen erfasst und berücksichtigt werden. Allerdings kann sich ein Mensch mit Behinderung ohne Schwerbehinderung nicht auf Verfahrensverstöße des Arbeitgebers aus dem Recht der Schwerbehinderten im Einstellungsverfahren berufen. Die Verletzung der Pflicht eines öffentlichen Arbeitgebers nach § 165 SGB IX (bis 31.12.2017: § 82 Satz 2 SGB IX), schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet die (widerlegbare) Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung aufgrund der Behinderung. Auf eine formale Bewerbung kommt es für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG nicht an.
Gleiches gilt auch für ein Unterlassen der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung oder die Nichtberücksichtigung eines Hinweises auf die Schwerbehinderteneigenschaft in den Bewerbungsunterlagen. Ein unmittelbarer Entschädigungsanspruch folgt daraus jedoch nicht. In diesem Fall ist der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG berechtigt, die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers ohne Behinderung zu verweigern.
Jedoch muss die Bewerbung innerhalb der Bewerbungsfrist eingegangen sein. Zu beachten sind ebenfalls die spezialgesetzlichen Vorgaben des Datenschutzes nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Nach § 26 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Besonders sensible Daten unterliegen dabei nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO einem erhöhten Schutz. Dazu gehören Angaben über "die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen", genetische und biometrische Daten sowie sonstige Gesundheitsdaten, Daten zum Sexualleben oder zur sexuellen Orientierung. Zur Verarbeitung dieser Daten ist die Einwilligung des Betroffenen erforderlich.
Relevante Ausnahmen bestehen für den Bereich des Arbeitsrechts in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b und h DSGVO, z. B. im Hinblick auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit oder die Einhaltung der Arbeitgeberpflichten bei der Einstellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten. Soweit der zukünftige Arbeitgeber Daten erhebt, hat er die gesetzlichen Vorgaben zu beachten:
- Die Datenverarbeitung bedarf einer gesetzlichen Grundlage.
- Es bedarf der Einwilligung der Betroffenen.
- Die Einwilligung muss den gesetzlichen Anforderungen genügen – dies erfordert eine umfassende und detaillierte Aufklärung über den Zweck sowie die Art und Weise der Datenverarbeitung – eine bestimmte Form ist nicht erforderlich.
- Die Einwilligung muss freiwillig erfolgt sein.