BMF, Schreiben vom 15.6.2022, IV C 1 – S 2252/19/10028 :018 (DOK 2022/0615922), BStBl I 2022, 943
In seinen oben genannten Entscheidungen legt der BFH den Begriff der „Abspaltung” im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG typusorientiert aus. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich. Entscheidend sei bei einer ”Abspaltung” im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen ”zeitlichen und sachlichen Zusammenhang” mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.
Nach den Feststellungen des BFH liegen für die oben genannten Kapitalmaßnahmen die Voraussetzungen für eine „Abspaltung” im Sinne des § 20 Absatz 4a Satz 7 EStG vor. Hiernach ist § 20 Absatz 4a Satz 1 und 2 EStG entsprechend anzuwenden. Dabei treten die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile. Da die „alten” Anteile im Falle einer Abspaltung – anders als bspw. bei einem Anteilstausch im Rahmen einer Verschmelzung – nicht untergehen, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die „alten” und „jungen” Anteile aufzuteilen. Hierbei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abspaltung abzustellen. Es bestehen keine Bedenken, die Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Schlusskurse der „alten” und „jungen” Anteile am ersten Handelstag nach der Abspaltung vorzunehmen. Ein möglicher Bestandsschutz der „alten” Anteile, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, geht auf die „jungen” Anteile über.
Die depotführenden Stellen buchten für die „jungen” Anteile die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet.
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Abwicklung der vorgenannten Kapitalmaßnahmen Folgendes:
Die Urteilsgrundsätze des BFH sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und führen zu einer Minderung des bisher angesetzten steuerpflichtigen Kapitalertrags.
Von Seiten der depotführenden Stellen ist in diesem Zusammenhang nichts Weiteres zu veranlassen. Insbesondere erfolgt weder bei den „alten” noch bei den „jungen” Anteilen eine Korrektur der Anschaffungsdaten. § 43a Absatz 3 Satz 7 und § 20 Absatz 3a EStG sind nicht anzuwenden.
Die Folgewirkungen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung sind ausschließlich im Rahmen der Veranlagung der betroffenen Anleger zu beachten.
Die Prüfung und ggf. Erstattung der anlässlich der Kapitalmaßnahme einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgt gemäß § 32d Absatz 4 und 6 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch das zuständige Wohnsitzfinanzamt, sofern der Einkommensteuerbescheid des betreffenden Veranlagungszeitraums noch nicht bestandskräftig geworden ist. Bei einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid kann eine Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht mehr erfolgen.
Für die Besteuerung bei der Veräußerung der Anteile sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
I. Erwerb der „alten” Anteile vor dem 1. Januar 2009 (Fallgruppe 1)
Sofern die „alten” Anteile vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, unterliegen sowohl die „alten” Anteile als auch die „jungen” Anteile der Bestandsschutzregelung des § 52 Absatz 28 Satz 11 EStG.
Der im Rahmen der Veräußerung der „jungen” Anteile erzielte Gewinn unterliegt grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug, da die Anteile im Zeitpunkt der Einbuchung von den depotführenden Stellen als Neuanteile (Erwerb nach dem 31. Dezember 2008) behandelt wurden.
Der Gewinn aus der Veräußerung der „jungen” Anteile ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 32d Absatz 4 EStG im Rahmen der Veranlagung zu korrigieren. Im Falle eines im Steuerabzugsverfahren berücksichtigten Veräußerungsverlustes besteht eine Veranlagungspflicht nach § 32d Absatz 3 EStG.
II. Erwerb der ursprünglichen Anteile nach dem 31. Dezember 2008 (Fallgruppe 2)
Sofern die „alten” Anteile nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft wurden, sind die Anschaffungskosten der „alten” Anteile zum Zeitpunkt der Abspaltung auf die „alten” und „jungen” Anteile aufzuteilen (s. o.). Die auf Ebene der depotführenden Stellen vorhandenen Anschaffungskosten sind dementsprechend zu hoch, da sich die Verpflichtung zur Aufteilung der Anschaffungskosten erst aus der Beurteilung des BFH ergibt, dass es sich bei den Kapitalmaßnahmen um steuerneutrale Abspaltungen handelte. ...