2.1 Die Rolle des Nervensystems
Unser Nervensystem besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) für willkürlich gesteuerte Vorgänge (z. B. Bewegung) und dem vegetativen Nervensystem (VNS) für autonome Vorgänge (z. B. Atmung). Der innere Zustand von Anspannung und Entspannung kann nicht willkürlich gesteuert werden. Der Mensch kann lediglich indirekt den Sympathikus oder Parasympathikus als Teil des VNS aktivieren.
Eine Aktivierung des Sympathikus z. B. durch Stress führt zu Anspannung und Leistungsbereitschaft. Eine Aktivierung des Parasympathikus z. B. durch Entspannung führt hingegen zu Erholung und Regeneration.
2.2 Was ist Stress?
Der Begriff Stress kommt aus dem Englischen und bedeutet nichts anderes als Druck oder Spannung. Stress kann sowohl positiv (Eustress) als auch negativ (Disstress) sein. Insofern wird er auch unterschiedlich definiert: Hans Selye, bezeichnete in den 30er-Jahren Stress als "Die Würze des Lebens". Prof. Gert Kaluza definiert Stress hingegen mit "Jede Situation, die ein Mensch als überfordernd oder bedrohlich wahrnimmt". Beide haben Recht. Jeder empfindet Stress unterschiedlich. Was für den einen schon eine Überforderung bedeutet, ist für den anderen eine positive Herausforderung. Vereinfacht gesagt, bedeutet Stress die Aktivierung von Energie.
2.2.1 Was passiert, wenn der Körper in Stress gerät?
Der Herzschlag beschleunigt sich, die Muskeln spannen sich an, die Atmung wird flach und schnell, Energie wird bereitgestellt, das logische Denken wird blockiert, um Gefahrensituationen über den Instinkt zu begegnen. Die Stresshormone Adrenalin, Dopamin, Cortisol u. a. werden vom Körper ausgeschüttet und dadurch werden Energiereserven freigesetzt, die aber wiederum unser Immunsystem auf Dauer schwächen. Richtig dosierter Stress ermöglicht allerdings auch optimale Leistung.
Die Stressreaktion stellt ein uraltes Überlebensprogramm zur Vorbereitung auf "Kampf oder Flucht" dar. Heutzutage lassen sich Stressbelastungen z. B. am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr nicht durch Flucht oder Kampf lösen, sondern müssen anderweitig kompensiert werden, da sonst schwerwiegende Folgen auftreten können.
2.2.2 Was passiert, wenn der Körper nicht entspannen kann?
Negative Auswirkungen im beruflichen Umfeld können z. B. sein:
- die Verminderung der Gedächtnisleistung und Konzentration,
- Abnahme der Motivation,
- allgemeine Schwächung der Leistungsfähigkeit,
- Beeinträchtigung des Betriebsklimas,
- Steigerung der Fehlzeiten- und Krankheitstage.
Physische und psychische Folgen von fehlenden Entspannungsmöglichkeiten können u. a. sein:
- Abnahme der Erholungsfähigkeit und deren Folgen,
- Herz-Kreislaufstörungen bis hin zum Herzinfarkt,
- Anfälligkeit für Infektionskrankheiten,
- Muskelverspannungen und Spannungskopfschmerzen,
- Schlafstörungen,
- wachsende Konfliktbereitschaft,
- Angst und depressive Verstimmungen,
- Absinken des Selbstwertgefühls,
- zunehmend negative Einstellung zur Arbeit und zum Leben.
Wer langfristig im Zustand der Aktivierung gefangen ist, sollte mit Entspannung entgegenwirken, denn wer dauerhaft angespannt ist, befindet sich nicht im Gleichgewicht. Zu viel Anspannung bindet Energie, die dann an anderer Stelle fehlt.
Entspannung setzt hier regulierend, intensitätsverringernd und reaktionsorientiert an – wirkt also regenerativ auf die bereits eingetretene Stressreaktion. Weitere Möglichkeiten zur Belastungs- und Stressbewältigung sind z. B. die Reduzierung der Stressoren (Auslöser) oder auch die Kontrolle und Reflexion der individuellen Einstellung und Bewertung eines möglichen Stressors.
2.3 Wie funktioniert Entspannung?
2.3.1 Ziele und Mechanismus von Entspannung
Das Ziel von Entspannung ist es, durch die Aktivierung des Ruhesystems (Parasympathikus) Anspannung sowie allgemeine psychophysische Aktivierung zu reduzieren.
Entspannung ist ein Versenkungszustand und kann nicht willkürlich erreicht werden. Entspannung tritt ein durch "Geschehen lassen", Passivierung sowie Hingabe und sollte wie körperliches Training regelmäßig geübt werden.
Klassische Entspannungsmethoden, wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation, nutzen den psychophysischen Zusammenhang von mentaler und körperlicher Anspannung und versuchen diesen umzukehren (s. a. Tab. 1).
2.3.2 Wirkung von Entspannung (physisch, emotional, mental und behavioral)
Bei Entspannung wird die Atmung ruhiger. Das Herz schlägt langsamer und der Blutdruck wird gesenkt. Damit wirkt Entspannung unmittelbar entlastend auf das Herz-Kreislaufsystem. Die Muskelspannung (Tonus) lässt nach und dadurch werden Verspannungen vermindert oder nicht weiter aufgebaut. Stresshormone können ausgeschieden und vorhandene Schadstoffe im Körper abgebaut werden. Emotionen werden beruhigt. Ängste oder andere unangenehme Gefühle können durch die positive emotionale Wirkung von Entspannung durch positive Gefühle und angenehme Empfindungen überlagert werden. Das Verhalten ist ausgeglichen und weniger impulsiv.
Entspannung nicht vergessen!
Wer ausgleichend zum stressigen Alltag regelmäßig aktiv entspannt, tut seinem Körper und Geist etwas Gutes. Wer das Lebensprinzip Entspannung nicht achtet, verhält sich wie ein Formel-1-Pilot, der keinen Boxenstopp zum Reifenwechsel und auftanken macht – er bleibt irgendwann liegen und kommt nicht mehr vorwärts...