"Das richtige Maß an Belastung hält den Rücken gesund." So lautet die Kernbotschaft der Präventionskampagne zur Reduzierung von MSE der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Auf diese Weise kann sowohl beruflichen Überlastungen als auch Unterforderungen, z. B. durch Bewegungsmangel, begegnet werden.
Hinter dieser Kernbotschaft steht ein aus der Arbeitswissenschaft bekanntes Belastungs- und Beanspruchungs-Konzept. Das Konzept geht zurück auf die deutschen Arbeitsphysiologen Rohmert und Rutenfranz und hat seinen Ursprung in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen beruflichen Tätigkeiten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Vor diesem Hintergrund gilt es als Basismodell zur Erklärung, wie annähernd gleiche Arbeitsanforderungen zu individuell unterschiedlichen Reaktionen einzelner Beschäftigten führen können.
Die Unterscheidung von Belastung und Beanspruchung stellt sich dabei wie folgt dar:
- Belastung: Bei der Belastung handelt es sich ausschließlich um objektive, von außen her auf den Menschen einwirkende Größen und Faktoren, wobei deren Auswirkung im Menschen oder auf den Menschen unberücksichtigt bleibt.
- Beanspruchung: Im Gegensatz dazu kennzeichnet die Beanspruchung gerade diese Auswirkungen, die dadurch unterschiedlich sind, dass die konkreten und objektiven Belastungen auf unterschiedliche individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen treffen. Dies entspricht letztlich der natürlichen Gegebenheit, dass ein und dieselbe Belastung bei unterschiedlichen Menschen auch entsprechend ihrer unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten eine unterschiedliche Beanspruchung hervorruft.
Maßgebend für die Anwendung des Belastungs-Beanspruchungs-Konzeptes sind i. W. 2 Bedingungen:
- Der Mensch ist einer Belastung nicht passiv ausgesetzt, sondern er reagiert, um die Beanspruchung zu verringern. So kann er z. B. die Vorgehensweise bei der Ausführung einer Tätigkeit optimieren oder sich funktionell an die Aufgabe anpassen. Darüber hinaus kann durch ein Training beteiligter Muskeln und Strukturen die Fähigkeit zur Anpassung verbessert und damit die Beanspruchung individuell optimiert werden.
- Das Muskel-Skelett-System lebt von Belastungen und den daraus resultierenden Beanspruchungen. Von daher benötigen alle körperlichen Strukturen, wie Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder und Gelenkknorpel, immer wieder Belastungsanforderungen, um sie zu erhalten oder zu fördern. Dieses Prinzip für ein dynamisch-physiologisches Gleichgewicht wird in erster Linie durch die U-Kurve des Zusammenhangs zwischen Belastung und Beanspruchung beschrieben (Abb. 1).
Abb. 1: Zusammenhang Belastung und Beanspruchung als U-Kurve
Auf der einen Seite können die Beschäftigten folglich Belastungen ausgesetzt sein, die ihre individuelle Leistungsfähigkeit überschreiten, wie dies z. B. durch das Heben und Tragen zu schwerer Lasten der Fall sein kann. Die Beschäftigten wären also überfordert. Auf der anderen Seite können die vorherrschenden Arbeitsbedingungen die Beschäftigten aber auch körperlich oder geistig unterfordern, wie dies z. B. bei Beschäftigten an Bildschirmarbeitsplätzen oder bei Tätigkeiten mit monotonen Arbeitsaufgaben der Fall sein kann.
Entsprechend besteht die Herausforderung letztlich darin, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Beschäftigten weder über- noch unterfordert sind und somit in ihrem persönlichen Optimalbereich der Beanspruchung arbeiten können. Im Rahmen der Ergonomie und Rückengesundheit gilt es darüber hinaus, auch der Frage nachzugehen, wie letztlich der Beschäftigte selbst dazu beitragen kann, Fehlbelastungen durch sein Verhalten (z. B. Optimierung der Haltung bei der Arbeit) zu reduzieren bzw. zu vermeiden.