Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Anerkennung von Berufsqualifikationen. Anerkennung von Ausbildungsnachweisen, die am Ende von sich teilweise überschneidenden Ausbildungszeiträumen erlangt wurden. Überprüfungsbefugnisse des Aufnahmemitgliedstaats

 

Normenkette

Richtlinie 2005/36/EG

 

Beteiligte

Preindl

Ministero della Salute

Hannes Preindl

 

Tenor

1. Die Art. 21, 22 und 24 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften das Erfordernis einer Vollzeitausbildung und das Verbot vorsehen, sich gleichzeitig für zwei Ausbildungen einzuschreiben, zur automatischen Anerkennung von Titeln verpflichten, die in einem anderen Mitgliedstaat am Ende von teilweise gleichzeitig absolvierten Ausbildungen erteilt wurden.

2. Art. 21 und Art. 22 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 sind dahin auszulegen, dass sie den Aufnahmemitgliedstaat daran hindern, zu überprüfen, dass die Voraussetzung, dass die Gesamtdauer, das Niveau und die Qualität der Ausbildungen auf Teilzeitbasis nicht geringer sind als bei einer Vollzeitausbildung, erfüllt ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2017, in dem Verfahren

Ministero della Salute

gegen

Hannes Preindl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Preindl, vertreten durch M. Schullian und C. Senoner, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
  • der spanischen Regierung, zunächst vertreten durch A. Gavela Llopis, dann durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 21, 22 und 24 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero della Salute (Gesundheitsministerium, Italien) (im Folgenden: Ministerium) und Herrn Hannes Preindl über die Weigerung des Ministeriums, einen von der zuständigen österreichischen Behörde ausgestellten Nachweis über die Ausbildung zum Arzt anzuerkennen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1 und 19 der Richtlinie 2005/36 heißt es:

„(1) Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c [EG] ist die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eines der Ziele der Europäischen Union. Dies bedeutet für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, als Selbstständige oder abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben. Ferner sieht Artikel 47 Absatz 1 [EG] vor, dass Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erlassen werden.

(19) Die Freizügigkeit und die gegenseitige Anerkennung der Ausbildungsnachweise der Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen, Apotheker und Architekten sollte sich auf den Grundsatz der automatischen Anerkennung der Ausbildungsnachweise im Zuge der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung stützen. Ferner sollte die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers vom Besitz eines bestimmten Ausbildungsnachweises abhängig gemacht werden, wodurch gewährleistet wird, dass die betreffenden Personen eine Ausbildung absolviert haben, die den festgelegten Mindestanforderungen genügt. Dieses System sollte durch eine Reihe erworbener Rechte ergänzt werden, auf die sich qualifizierte Berufsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen berufen können.”

Rz. 4

Art. 1 „Gegenstand”) dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat,...

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