Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Arbeitszeitgestaltung. Anwendungsbereich. Abweichung. Tätigkeit von Pflegeeltern

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 31; Richtlinie 89/391/EWG Art. 2 Abs. 2; Richtlinie 2003/88/EG Art. 1 Abs. 3

 

Beteiligte

Sindicatul Familia Constanţa u.a

Sindicatul Familia Constanţa

Ustinia Cvas u. a

Direcţia Generală de Asistenţă Socială şi Protecţia Copilului Constanţa

 

Tenor

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit ist dahin auszulegen, dass die Pflegeelterntätigkeit, die darin besteht, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer öffentlichen Behörde ein Kind zu betreuen, in den eigenen Haushalt einzugliedern und die harmonische Entwicklung und die Erziehung dieses Kindes durchgängig zu gewährleisten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88 nicht umfasst ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Constanţa (Berufungsgericht Constanţa, Rumänien) mit Entscheidung vom 8. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2017, in dem Verfahren

Sindicatul Familia Constanţa,

Ustinia Cvas u. a.

gegen

Direcţia Generală de Asistenţă Socială şi Protecţia Copilului Constanţa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin C. Toader, des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič, E. Levits, L. Bay Larsen, M. Safjan, C. G. Fernlund, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, vertreten zunächst durch R. H. Radu, dann durch C.-R. Canţăr, O. C. Ichim und L. Liţu als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und T. Henze als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, C. Hödlmayr und A. Biolan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Nr. 1 und der Art. 5, 7 und 17 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Sindicatul Familia Constanţa (Gewerkschaft für Familiendienstleistungen von Constanţa, Rumänien), einer Gewerkschaft, und Pflegeeltern auf der einen Seite und der Direcţia Generală de Asistenţă Socială şi Protecţia Copilului Constanţa (Generaldirektion für soziale Unterstützung und den Schutz des Kindes, Constanţa, im Folgenden: Generaldirektion) auf der anderen Seite wegen einer Klage der Pflegeeltern auf Zahlung von zusätzlichen Gehaltsforderungen in Höhe von 100 % des Grundgehalts für die während wöchentlicher Ruhezeiten, des gesetzlichen Erholungsurlaubs und anderen arbeitsfreien Tagen ausgeübten Tätigkeiten sowie auf Zahlung einer Entschädigung, die der Entschädigung im Zusammenhang mit dem bezahlten Jahresurlaub in den Jahren 2012 bis 2015 entspricht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/391

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 89/391 lautet:

„(1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.

In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.”

Richtlinie 2003/88

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 1, 2, 4 und 5 der Richtlinie 2003/88 heißt es:

„(1) Die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, die Mindestvorschriften für Sicherhei...

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