EuGH: Urlaub darf sich nicht nachteilig auf die Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen auswirken
Der EuGH hatte im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des BAG unlängst über die Auslegung des Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu entscheiden.
Berücksichtigung von Urlaub bei Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen war fraglich
Dem BAG ging es bei seinem Vorabentscheidungsverfahren um die Frage, ob das EU-Recht einer tarifvertraglichen Regelung entgegenstehe, nach der nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, nicht hingegen genommener bezahlter Jahresurlaub, bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen berücksichtigt werden.
Manteltarifvertrag berücksichtigte nur tatsächlich geleistete Stunden
Der in Rede stehende Manteltarifvertrag für Zeitarbeit sah für Monate mit 23 Arbeitstagen ab einer geleisteten Arbeitszeit von mehr als 184 Stunden die Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 25 Prozent vor.
Der auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 72,32 EUR klagende Leiharbeiter hatte im August 2017 an 13 Tagen insgesamt 121,75 Stunden gearbeitet und für die verbleibenden zehn Arbeitstage bezahlten Jahresurlaub genommen, der wiederum 84,7 Arbeitsstunden entsprach. Unter Berücksichtigung des Jahresurlaubs hätte der Kläger die Schwelle zum Mehrarbeitszuschlag erreicht.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch im Berufungsverfahren später das Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen.
BAG: nach Tarifregelung nur tatsächlich geleistete Stunden relevant
Nach Auffassung des in der Revisionsinstanz mit der Angelegenheit befassten BAG waren vom Wortlaut der tariflichen Regelung her bei der Berechnung des Mehrarbeitszuschlags nur tatsächlich erbrachte Stunden anzurechnen, nicht hingegen Urlaubszeiten. Auch der Zweck des Mehrarbeitszuschlags, so das BAG, bestehe letztlich darin, einen Ausgleich für eine besondere Arbeitsbelastung zu gewähren, die während des bezahlten Jahresurlaubs nicht auftrete.
Aber Zweifel an Vereinbarkeit mit EU-Recht
Das BAG hatte jedoch Zweifel an der Vereinbarung der tariflichen Regelung mit EU-Recht, da die Tarifregelung einen Anreiz für Arbeitnehmer begründen könne, den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht in Anspruch zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürften Arbeitnehmer jedoch nicht davon abgehalten werden, ihren Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub geltend zu machen.
EuGH: Tarifregelung kann Urlaubsanspruch entgegenstehen
Der EuGH entschied nun, dass die tarifvertragliche Regelung dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entgegenstehen könne, da sie Arbeitnehmer davon abhalten könne, in Monaten, in denen sie Überstunden erbracht hätten, Urlaub zu nehmen. Es sei nun Sache des BAG, dies im vorliegenden Fall zu prüfen.
Ziel des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub sei, dass der Arbeitnehmer Zeit zur Erholung habe, um seine Sicherheit und seine Gesundheit zu schützen. Jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die Arbeitnehmer davon abhalten könne, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstoße gegen dieses Ziel.
(EuGH v. 13.01.2022, C-514/20)
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