Entscheidungsstichwort (Thema)
Niederlassungsfreiheit. Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG). Selbständiger. Einkommensteuer. Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten. Versagung der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Getrennte Wohnorte der Ehegatten. Lohnersatzleistungen an den gebietsfremden Ehegatten. Einkünfte, die im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Ehegatten nicht besteuert werden
Normenkette
EGVtr Art. 52
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Art. 52 EG Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) verbietet es, dass einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen von dem Staat, in dem er wohnt, die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer mit seinem Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt und der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, mit der Begründung versagt wird, dieser habe in dem anderen Mitgliedstaat sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, wenn die Einkünfte, die der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat erzielt, dort nicht der Einkommensteuer unterliegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 2. September 2005, in dem Verfahren
Finanzamt Dinslaken
gegen
Gerold Meindl,
Beteiligte:
Christine Meindl-Berger,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, K. Schiemann und M. Ilešič (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Dinslaken (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Meindl wegen der Weigerung des Finanzamts, Herrn Meindl zusammen mit seiner Ehegattin, Frau Meindl-Berger, zu veranlagen.
Nationaler rechtlicher Rahmen
3 § 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung von 1997 (Einkommensteuergesetz 1997, im Folgenden: EStG 1997) lässt den nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten ein Wahlrecht, ob sie die Zusammenveranlagung nach § 26b EStG in Anspruch nehmen oder es bei der getrennten Veranlagung bewenden lassen wollen. Ein solches Wahlrecht besteht nach dieser Vorschrift jedoch nur dann, wenn beide Ehegatten unbeschränkt steuerpflichtig sind, d. h. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
4 Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1997 kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen unter Berücksichtigung der Einkünfte des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die Zusammenveranlagung durchgeführt werden. Obwohl diese Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, werden sie nach Maßgabe dieser Vorschrift als Rechengröße im Rahmen des § 26b verwendet. Genauer gesagt gehen sie in die Ermittlung des Satzes ein, der auf die Einkünfte des der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Ehegatten nach der sogenannten Splittingmethode Anwendung findet.
5 Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist zum einen, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist und der andere Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands, aber in einem Land der EU oder des EWR hat.
6 Zum andern ist eine Zusammenveranlagung nur dann möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Betrag von 24 000 DM nicht übersteigen.
7 Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 vollzieht sich die Ermittlung der Einkünfte der nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten in zwei Schritten. In einem ersten Schritt ist die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. In einem zweiten Schritt werden diese Welteinkünfte in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die ihr nicht unterliegen, aufgeteilt.
8 Bei der Ermittlung der Welteinkünfte werden sämtliche Einkünfte der Ehegatten unabhängig davon berücksichtigt, ob sie im Inland oder im Ausland erzielt wurden. § 1a Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 enthält keine spezielle Regelung, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, weshalb der Begriff der ...