Grenzgängern und gebietsansässige Arbeitnehmer gleichbehandeln

Ein belgischer Grenzgänger verlor 2017 das luxemburgische Kindergeld für sein Pflegekind, da die luxemburgische Zukunftskasse CAE für die Zahlung des Kindergeldes ein direktes Verwandtschaftsverhältnis zum Grenzgänger voraussetzte. Dieser Entscheidung liegt die gesetzliche Unterscheidung zwischen inländischen Arbeitnehmern und dem Grenzgänger in Bezug auf deren Recht auf Familienleistungen zugrunde. Der EuGH sollte nun klären, ob dies eine unzulässige Diskriminierung darstellt.

Der Sachverhalt

Ein belgischer Arbeitnehmer arbeitet in Luxemburg und wohnt in Belgien. Als Grenzgänger unterliegt er der luxemburgischen Regelung über das Kindergeld und bezog es seit mehreren Jahren für ein in seinem Haushalt aufgrund gerichtlicher Entscheidung untergebrachtes Pflegekind. 2017 entzog ihm die Caisse pour l’avenir des enfants (CAE) de Luxembourg (Zukunftskasse Luxemburg) die Bezugsberechtigung für dieses Kindergeld. Sie ist nämlich der Auffassung, dass Kindergeld nur für solche Kinder zu zahlen sei, die zu dem Grenzgänger in einem direkten Verwandtschaftsverhältnis (eheliche, uneheliche oder Adoptivkinder) stünden. Aufgrund gerichtlicher Entscheidung untergebrachte Pflegekinder, die in Luxemburg wohnen, haben hingegen Anspruch auf ein solches Kindergeld, das an die natürliche oder juristische Person gezahlt wird, die das Sorgerecht für sie innehat.

Die luxemburgische Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) fragt sich, ob die Vorschriften des luxemburgischen Sozialgesetzbuchs durch die Anwendung unterschiedlicher Anspruchsvoraussetzungen je nachdem, ob der Arbeitnehmer gebietsansässig oder gebietsfremd ist, eine indirekte Diskriminierung darstellen.

Der EuGH sieht darin eine Ungleichbehandlung

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass Grenzgänger im Hinblick darauf, dass sie Steuern und Sozialabgaben im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staats beitragen. Deshalb müssen ihnen die Familienleistungen sowie die sozialen und steuerlichen Vergünstigungen unter den gleichen Bedingungen zugutekommen können wie inländischen Arbeitnehmern.

Nach Ansicht des Gerichtshofs führt eine Regelung wie die in Rede stehende zu einer Ungleichbehandlung und verstößt gegen das Unionsrecht.

Indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit

Die Regelung eines Mitgliedstaats, nach der gebietsfremde Arbeitnehmer im Unterschied zu gebietsansässigen eine soziale Vergünstigung für in ihrem Haushalt untergebrachte Pflegekinder, für die sie das Sorgerecht innehaben, die ihren gesetzlichen Wohnsitz bei ihnen haben und tatsächlich und dauerhaft bei ihnen wohnen, nicht erhalten können, stellt nämlich eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Der Umstand, dass die Entscheidung über die Unterbringung von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats als dem Aufnahmemitgliedstaat des betreffenden Arbeitnehmers erlassen wurde, kann auf diese Feststellung keinen Einfluss haben.

Ebensowenig kann es darauf ankommen, ob der Grenzgänger selbst für den Unterhalt des in seinem Haushalt untergebrachten Pflegekindes aufkommt, wenn diese Voraussetzung nicht ebenfalls auf einen gebietsansässigen Arbeitnehmer, bei dem ein Pflegekind untergebracht ist, angewendet wird.


Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 16. Mai 2024, C-27/23