rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht eines Arbeitgeber-Kindergartenzuschusses für über sechs Jahre altes Kind. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein Kind „schulpflichtig” im Sinne von § 3 Nr. 33 EStG ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen landesrechtlichen Schulgesetz.
2. Soweit eine zur Auslegung von § 3 Nr. 33 EStG erlassene Verwaltungsanweisung (hier: Abschn. 21a Abs. 3 S. 2 LStR 1998, Abstellen auf die Vollendung des 6. Lebensjahres des Kindes) dem Landesrecht entgegensteht, ist ihr nicht zu folgen.
3. Im Streitfall: Schulpflicht des schon sechs Jahre alten Kindes nach Schulgesetz Baden-Württemberg ab August des Streitjahres, daher Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 33 EStG des für die Zeit von Januar bis Juli des Streitjahres gezahlten Arbeitgeberzuschusses zu den Kindergarten-Kosten der Mutter.
Normenkette
EStG 1998 § 3 Nr. 33; LStR 1998 Abschn. 21a Abs. 3 S. 2; Schulgesetz Baden-Württemberg § 73
Tenor
1. Der Einkommensteueränderungsbescheid vom 13. Februar 2003 wird geändert. Die Einkommensteuer 1998 wird auf 10.460 DM herabgesetzt.
Dies entspricht 5.348,09 EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Das Finanzamt trägt 9/10, die Kläger 1/10 der Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist für die Kläger hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für sie festgesetzten Kostenerstattung leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Streuerfreiheit eines vom Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlten Zuschusses zu den Kosten der Betreuung eines Kindes in einem Kindergarten.
Die Kläger sind vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Die Klägerin ist in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten teilzeitbeschäftigt. Im Streitjahr 1998 zahlte der Prozessbevollmächtigte für den am 30. August 1991 geborenen Sohn Martin der Kläger einen Zuschuss i.H.v. 880 DM für dessen Betreuung in einem Kindergarten. Der Zuschuss wurde vom Arbeitgeber als nicht steuerpflichtig behandelt und demzufolge im Einkommensteuerbescheid 1998 der Kläger nicht als Arbeitslohn berücksichtigt.
Bei einer im Jahr 2003 beim Prozessbevollmächtigten durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde der für die Zeit von Januar 1998 bis August 1998 bezahlte Arbeitgeberzuschuss nach § 3 Nr. 33 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. Abschnitt 21 a der Lohnsteuer-Richtlinien als steuerpflichtiger Arbeitslohn beurteilt, weil das Kind das 6. Lebensjahr bereits im Jahr 1997 vollendet hatte. In dem im Anschluss an die Außenprüfung am 13. Februar 2003 nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid wurden die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit demnach um 880 DM erhöht.
Zur Begründung der am 21. Februar 2003 erhobenen Sprungklage gemäß § 45 Finanzgerichtsordnung (FGO) lassen die Kläger folgendes vortragen: Gemäß § 3 Nr. 33 EStG sei als Voraussetzung für die steuerfreie Erstattung des Kindergartenbeitrags zu ermitteln, ob das Kind schulpflichtig sei oder nicht. Eine Auslegung auf das 6. Lebensjahr des Kindes, weil dies in den Richtlinien missverständlich dargestellt zu sein scheine, entspreche nicht dem Steuergesetzestext. Die Richtlinien entsprächen zwar fast dem Wortlaut des Schulgesetzes. Durch Satzumstellung werde der Richtlinienregelung nun aber ein ganz anderer Sinn gegeben. Im ersten Satz des Abschnitts 21 a der Lohnsteuerrichtlinien werde auch die Schulpflicht als Kriterium für die Steuerfreiheit der zusätzlichen Leistung genannt. Im folgenden werde die Schulpflicht nur beschrieben. Da die Richtlinien jedoch eine gesetzliche Vorschrift nicht ersetzen könnten, sei für die Feststellung der Schulpflicht in jedem Fall § 73 des Schulgesetzes maßgeblich. Eine weitere Auslegung, z.B. auf das 6. Lebensjahr des Kindes, sei durch den Gesetzestext nicht gedeckt. Wäre im Übrigen das 6. Lebensjahr maßgeblich, so wären alle Eltern von Kindern benachteiligt, die im zweiten Halbjahr geboren worden seien, weil dann der Kindergartenbeitrag nicht erstattbar wäre. Die Sprungklage erscheine geboten, da im Anschluss an die Lohnsteuer-Außenprüfung bei einer Erörterung der Prüfungsfeststellungen mit dem Vorsteher des FA Einigkeit darüber bestanden habe, dass eine gerichtliche Klärung der Streitfrage notwendig sei. Um Zustimmung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO werde deshalb gebeten.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteueränderungsbescheid 1998 vom 13. Februar 2003 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat der Sprungklage am 19. März 2003 zugestimmt und auf das Klagevorbringen wie folgt erwidert: Abschnitt 21 a Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien stelle als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung im Sinne von Artikel 108 Abs. 7 Grundgesetz eine gleichmäßige Auslegung und Anwendung von § 3 Nr. 33 EStG durch die Finanzämter sicher. Diese der Finanzverwaltung bindend vorgegebene Richtlinie knüpfe für...