rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerlegung der Nichtwohnsitzfiktion des Natotruppenstatuts bei Fehlen eines festen Rückkehrwillens
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates seinen Wohnsitz im Inland, tritt die sog. Nichtwohnsitzfiktion nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält.
2. Gegen einen festen Rückkehrwillen spricht die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen, der Erwerb eines Grundstücks mit anschließendem Bau eines Einfamilienhauses, der Aufenthalt von 50 Jahren und das Verbleiben nach der Pensionierung im Inland.
3. Eine Rückkehr in das Heimatland nach Ablauf der Dienstzeit schließt es nicht aus, dass zunächst ein weiterer Verbleib im Inland in Betracht gezogen wurde; denn die Rückkehr kann auf einem nachträglich gefassten Entschluss beruhen.
4. Eine geerbete Wohnung in einer Altenwohnanlage in den USA ist kein zwingendes Indiz für das Bestehen eines Rückkehrwillens.
5. Der Erwerb eines Hauses im Zusammenhang mit der Rückkehr in die USA spricht dafür, dass die Rückkehr in die USA auf einem nachträglich gefassten Entschluss beruht.
6. Eine Bewerbung für eine Position im Entsendestaat kann ein Indiz für den maßgeblichen Rückkehrwillen sein. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige aufgrund seines hohen Alters nicht damit rechnen kann, bei der Ausschreibung zum Zuge zu kommen.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1 S. 1; AO § 8; NATOTrStat Art. X Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger in den Streitjahren 1998 bis 2002 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren.
Das Verfahren ist ein Folgeverfahren der Streitsache 7 K 98/06 betreffend Einkommensteuer 1991 bis 1997 (s. hierzu Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 2009, EFG 2010, 743).
Die Kläger sind Eheleute und wurden vom Beklagten (das Finanzamt – FA –) in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als … Ferner bezogen die Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen. Es handelte sich insoweit um Zinsen von amerikanischen Banken und um Erträge aus amerikanischen Wertpapieren und Investmentanteilen.
Der Kläger wurde im Jahre 1930 in den USA geboren und hat die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach dem Schulabschluss studierte der Kläger in den USA. Von Februar 1953 bis Februar 1955 leistete der Kläger den Wehrdienst. Er kam dabei nach der militärischen Grundausbildung im Oktober 1953 nach Deutschland und war als Soldat überwiegend in X stationiert. Während dieser Zeit lernte er die Klägerin kennen, die als Sekretärin bei den US-amerikanischen Militärbehörden beschäftigt war. Die Klägerin wurde 1927 in Y geboren und war deutsche Staatsangehörige. Im Jahr 1957 erwarb sie (zusätzlich) die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Am 17. Februar 1955 wurde der Kläger aus der Armee entlassen. Danach hielt sich der Kläger bis April 1955 als Tourist in Deutschland auf (vgl. Geburtsurkunde der Tochter T, FG-Akten 7 K 98/06 – Klageverfahren betr. 1991 bis 1997 –, Anlagenhefter, Anlagen 7/1 und 7/2 zum Schriftsatz der Kläger vom 29. September 2009).
Am 5. April 1955 heirateten die Kläger in ihrem damaligen Wohnort Y. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die in den Jahren 1956 und 1959 geboren wurden. Beide Töchter haben in Z amerikanische Schulen und ein amerikanisches College besucht. Die Töchter haben jeweils amerikanische Staatsbürger geheiratet. Die Familien der Töchter leben in den USA.
Am 11. April 1955 trat der Kläger als Büroangestellter („clerk”) in den Dienst der amerikanischen Armee in Z. Im April 1956 wurde er … befördert und als vorläufiger Laufbahnbeamter unter Anrechnung seiner bisherigen Dienstzeit in die Armee übernommen. Am 11. April 1958 erhielt der Kläger die endgültige Anstellung als Laufbahnbeamter im Dienstgrad GS 9. In der Folge absolvierte er eine sehr erfolgreiche Karriere als …. und wurde mehrfach befördert, zuletzt am 30. Mai 1976 zum Dienstgrad GS 14. Zum beruflichen Werdegang des Klägers wird ergänzend Bezug genommen auf S. 30 f des mit Schriftsatz der Kläger vom 29. September 2009 vorgelegten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. h.c. C. (FG-Akten FG-Akten 7 K 98/06, Anlagenhefter) sowie die Anlagen 3, 10, 12 bis 14 (FG-Akten 7 K 98/06).
Die Arbeitsstätte des Klägers befand sich zuerst in O und danach in Z beim Hauptquartier der US-Landstreitkräfte Europa. Der Kläger leitete dort das …. Der Kläger bewarb sich Anfang 1999 ohne Erfolg für eine höher bewertete Stelle (GS 15) … in M / USA. Nachdem er bei der Ausschreibung nicht in die engere Auswahl gekommen war, beanstandete er in der Folge das durchgeführte Auswahlverfahren. Auf den in der Verhandlung im Verfahren 7 K 98/06 (auszugsweise) vorgelegten Bescheid der Equal Employment Opportunity Commission wird Bezug genommen (s. FG-Akten 7 K 98/06 Bl. 354 f).
Die Kläger lebten zunächs...