rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen nichtselbständiger und freiberuflicher, unterrichtender Tätigkeit bei Vertretungs-Lehrkräften
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Beurteilung, ob Vertretungs-Lehrkräfte Einkünfte aus nichtselbständiger oder aus freiberuflicher, unterrichtender Tätigkeit beziehen, ist vor allem das Rechtsverhältnis von Bedeutung, aufgrund dessen die Tätigkeit geleistet wird. Deshalb ist die Ausgestaltung des der Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden.
2. Im Streitfall sprachen neben der Bezeichnung der Vertragsurkunde als „freier Mitarbeitervertrag” und der Bestimmung, nach der der freie Mitarbeiter verpflichtet sei, „seine Honorarbezüge aus freiberuflicher Tätigkeit selbst zu versteuern”, auch der fehlende Kündigungsschutz sowie die Möglichkeit der Vertretungs-Lehrkräfte, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, für eine freiberufliche Tätigkeit.
3. Aus R 19.2 LStR 2015 folgt nicht, dass nebenberufliche Lehrkräfte stets Arbeitnehmer sind, wenn sie mehr als sechs Wochenstunden an der betreffenden Schule unterrichten.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; LStDV § 1 Abs. 2; LStR 2015 R 19.2
Tenor
Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugs-beträge für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 vom 25. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2018 wird (ersatzlos) aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) über die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nach § 42d Einkommensteuergesetz [EStG] für Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag für Lohnsteuer für die Zeit von Januar 2012 bis Dezember 2013.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer (gemeinnützigen) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in C… an mehreren Standorten private Schulen (Grundschule, Oberschule, I. und II. Sekundarstufe, eine internationale Schule sowie eine C… D… Schule) sowie außerdem mehrere private Kindergärten. Es handelt sich um staatlich anerkannte Ersatzschulen. Die D… Schule ist ein Teil des internationalen und zweisprachigen Zweiges (E/G) der A… gGmbH. Der Unterricht erfolgt nach schulinternem Curriculum auf der Grundlage der C… Rahmenlehrpläne und nach Maßgabe der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (VO-GO). Als staatlich anerkannte Ersatzschule werden die bei dem Kläger erzielten Abschlüsse (BBR, MSA, Abitur) staatlich anerkannt.
Im verbliebenen Streitzeitraum (2012 und 2013) beschäftigte die Klägerin in ihren Schulen sowohl festangestellte Lehrkräfte als auch Vertretungs-Lehrkräfte. Die Klägerin behandelte die Vergütungen für die Vertretungs-Lehrkräfte, auch soweit diese durchschnittlich an mehr als sechs Wochenstunden Unterricht gaben, als Honorarzahlungen und unterwarf diese Beträge nicht der Lohnbesteuerung.
Hinsichtlich der vorliegend noch strittig gebliebenen Vergütungen für die Vertretungs-Lehrkräfte B. und E. schloss die Klägerin folgende freie Mitarbeiterverträge ab:
„Freier Mitarbeitervertrag |
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zwischen |
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A. gGmbH, F.-straße,C. |
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und |
Steuernummer: _________ |
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Herrn geb. Str. C. |
wird folgende Vereinbarung geschlossen: |
Der/die freie Mitarbeiter(in) verpflichtet sich, im Rahmen des nachfolgend genannten Schulzweiges in dem (den) vereinbarten Fach (Fächern) sowie dem bezeichneten Vertragszeitraum und Vertragsumfang Kenntnisse zu vermitteln, zuzüglich der üblichen Vor- und Nachbereitung (Korrektur von schriftlichen Arbeiten, Führung des Klassenbuches, etc.).
Schulzweig: |
D. Schule |
Fach/Fächer: |
ASA – |
Vertragsbeginn: |
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Vertragsende: |
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Anzahl der wöchentlichen Stunden: |
nach Vereinbarung |
Zeitliche Lage der Stunden: |
nach Vereinbarung |
- Der/die freie Mitarbeiter/in ist in der Regel und im Wesentlichen nicht für den Auftraggeber tätig.
Sämtliche Festlegungen, wie Anzahl und Lage der wöchentlichen Unterrichtszeiten und Zielvorgaben sind zwischen den Vertragsparteien bei bzw. vor Vertragsabschluss einvernehmlich getroffen worden. Etwa später erforderlich werdende Änderungen und Verlegungen der Unterrichtsstunden werden ausschließlich einvernehmlich vorgenommen.
Eine entsprechende Weisungsgebundenheit des/der freien Mitarbeiters/in besteht nicht. Der/die freie Mitarbeiterin ist unter Beachtung der Zielvorgaben in der Gestaltung der Inhalte und der von ihm/ihr gewählten didaktischen Vorgehensweise frei.
- Zwischen den Vertragsparteien wird ausdrücklich vereinbart, dass dieser Honorarvertrag auch während seiner Laufzeit beiderseitig am 15. eines Monats zum Monatsende kündbar ist. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt hiervon unberührt.
Der...