rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme und Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei Beschäftigung illegaler Arbeitskräfte. Mitwirkungspflichten eines strafrechtlich Beschuldigten im Besteuerungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Das FA ist zur Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen zur Lohnsteuerhaftung auf der Grundlage einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige neben ordnungsgemäß gemeldeten Arbeitnehmern weitere polnische Arbeitnehmer illegal beschäftigt hat und er auch nach der Aufdeckung der Beschäftigung illegaler polnischer Arbeitskräfte seiner Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Mitwirkung bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht nachgekommen ist.
2. Die steuerlichen Mitwirkungspflichten des im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens Beschuldigten, der an einem parallel geführten Besteuerungsverfahren beteiligt ist, bleiben bestehen.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, § 162 Abs. 1-2, §§ 158, 393 Abs. 1; EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Strittig ist die Haftung für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum Januar 2006 bis Mai 2010.
Der Kläger ist Inhaber der Firma K., die als einzelkaufmännisches Unternehmen einen Schrotthandel und Kabelrecycling betreibt.
Nachdem das Hauptzollamt B. bei einer Überprüfung des Betriebes im Jahr 2010 Anhaltspunkte dafür festgestellt hatte, dass der Kläger über mehrere Jahre illegal polnische Arbeitnehmer ohne gültige Arbeitserlaubnis in seiner Firma beschäftigt hatte, wurde am 07. Mai 2010 gegen den Kläger ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Lohnsteuerhinterziehung eingeleitet. In der Zeit vom 15. November 2010 bis zum 06. Dezember 2010 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung statt. Nach den Feststellungen des Hauptzollamtes B. und der Betriebsprüfung lagen dem Großteil der auf dem Konto … (Wareneingang ohne Vorsteuer) gebuchten Schrotteinkäufe keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde. Zur Bezahlung der illegal beschäftigten Arbeitnehmer habe der Kläger Gelder verwendet, die er seinem Betrieb unter Vortäuschung von Schrotteinkäufen zuvor entzogen habe. Bei dem Großteil der Schrottverkäufer habe es sich um Personen gehandelt, die entweder erklärt hätten, keine Schrottverkäufe getätigt zu haben, oder um bereits verstorbene oder überhaupt nicht existente Personen. Auf Grundlage der beim Kläger sichergestellten Beweismittel konnte das Hauptzollamt das Arbeitsvolumen der „schwarz” beschäftigten polnischen Arbeitskräfte ab dem Jahr 2009 ermitteln, für die Jahre 2006 – 2008 schätzte das Hauptzollamt die Arbeitsstunden und das darauf entfallende Arbeitsentgelt der „schwarz” beschäftigten Arbeitnehmer. Ausgehend davon, dass es sich beim Kabelrecycling um eine handarbeitsintensive Tätigkeit handelt, ging das Hauptzollamt dabei davon aus, dass in der Regel nur in dem Umfang Altkabel angekauft wurden, wie diese durch das vorhandene Arbeitskräftepersonal bearbeitet werden konnten. Durch Abfrage der Geschäftspartner ermittelte das HZA, welche Mengen an Altkabeln der Kläger ab dem Jahr 2006 zum Recyceln bezogen hatte. Auf Basis dieser gelieferten Menge errechnete es ein Mindestarbeitsstundenvolumen, das zum Recyceln der entsprechenden Mengen notwendig war und aus der Differenz zwischen dem notwendigen Arbeitsstundenvolumen und dem Arbeitsstundenvolumen der offiziellen Mitarbeiter den Arbeitsanteil der „schwarz” beschäftigten Arbeitnehmer: Im Übrigen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 13. Dezember 2010 (Bl. 127 ff d. A. „LSt. 5/10”) und den Steuerbericht über die durchgeführte Fahndungsprüfung vom 08. Dezember 2010 Bl. 139 ff d. A. „LSt. 5/10”) sowie auf den Bericht des Hauptzollamtes B. im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 30. September 2010 (Bl. 144 ff d. A. „LSt. 5/10”) jeweils Bezug genommen.
Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung und des Hauptzollamtes erließ der Beklagte am 28. April 2011 ein Haftungsbescheid über Lohnsteuer für den Zeitraum Januar 2006 bis Mai 2010 in Höhe von 55.508,40 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 3.052,96 EUR.
Seinen hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger insbesondere damit, dass in seinem Unternehmen Schwarzarbeit nicht vorliege und – soweit kein Schrottaufkauf erfolgt sei – dieser auch nicht hätte weiterverarbeitet werden können.
Nachdem der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 10. Oktober 2012 zurückgewiesen hatte, hat der Kläger am 12. November 2012 Klage erhoben. Seinen zeitgleich gestellten Antrag auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung hat der Senat mit Beschluss vom 17. Juli 2013 (Az. 6 V 1170/12) abgelehnt.
Zur Begründung seiner Klage wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein Einspruchsvorbringen. Der Kläger beanstandet, dass zum Sachverhalt zwei Prüfberichte vorliegen würden, die – seiner Auffassung nach – inhaltlich voneinander abweichen würden. Die dem Haftung...