Entscheidungsstichwort (Thema)
Bahnhofsgelände mit Dienstgebäude als vom Arbeitgeber zugewiesene erste Tätigkeitsstätte eines Lok- bzw. Triebwagenführers unter Geltung des neuen Reisekostenrechts (ab Veranlagungszeitraum 2014)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist einem Lok- bzw. Triebwagenführer von seinem Arbeitgeber dienstrechtlich ein bestimmtes Bahnhofsgelände mit Dienstgebäude dauerhaft als erste Tätigkeitsstätte zugewiesen worden, so sind die Fahrtkosten von der Wohnung zu diesem Bahnhof lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten anzusetzen. Insoweit ist unter Geltung des neuen Reisekostenrechts ab dem Veranlagungszeitraum 2014 unerheblich, ob der Lok- bzw. Triebwagenfahrer regelmäßig in der Lok/dem Triebwagen sowie außerhalb des Betriebsgeländes und damit nicht typischerweise arbeitstäglich auf dem streitigen Bahnhof tätig ist (Ausführungen zur Zuweisung einer ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber und zur Dauerhaftigkeit dieser Zuweisung).
2. Als erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG kommt auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht, wenn der Arbeitnehmer dort zumindest in geringem Umfang arbeits- bzw. dienstrechtlich geschuldete Leistungen erbringen muss, die zu seinem Berufsbild gehören. Bei einem Lok- bzw. Triebwagenführer sind solche geringfügige, zum Berufsbild gehörigen Leistungen auf dem Bahnhofsgelände unter anderem die Entgegennahme dienstlicher Unterlagen (mit Schichtplan, Langsamfahrstellen und anderen Besonderheiten), der Weg zum Ablöseort oder zum Abstellplatz der Triebwagen, die Übernahme sowie die gelegentliche Inbetriebnahme des Triebwagens und diverse technische Prüfarbeiten (z.B. die Prüfung der Sicherheitsfahrschaltung, Bremsprobe auf dem Bahnhofsgelände, Durchführung einer Sichtkontrolle, Kontrolle des Öl- und Wasserstands und bei Bedarf eine Nachfüllung bei Abstellen des Triebwagens auf dem Bahnhofsgelände).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4 Sätze 1-2, Abs. 4 Sätze 1-3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Fahrten des Klägers zwischen der Wohnung und der betrieblichen Einrichtung, die er arbeitstäglich aufsuchte, um seiner Tätigkeit als Lok- bzw. Triebwagenführer nachzugehen, unter Geltung des neuen Reisekostenrechts nach Dienstreisegrundsätzen oder lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten anzusetzen sind.
Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bei der B. In der am 1. Juli 2015 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung machte der Kläger für seine arbeitstäglichen Fahrten von der Wohnung zum Bahnhof in Z, einfache Entfernung unstreitig 38 km, die Kosten nach Dienstreisegrundsätzen, nämlich für 220 Pkw-Fahrten mit einer Entfernung von 100 km (× 0,30 EUR) i.H.v. 6.600 EUR als Werbungskosten geltend.
Auf Nachfrage übersandte der Kläger dem Beklagten eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, der B., wonach die betriebliche Einrichtung in der Z. als erste Tätigkeitsstätte festgelegt wurde.
Mit Bescheid vom 22. September 2015 wurde der Kläger zur Einkommensteuer veranlagt, wobei die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte in Z. ausgehend von einer einfachen Entfernung von 38 km nur mit der Entfernungspauschale i.H.v. 2.508 EUR und nicht nach Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt wurden.
Dagegen legte der Kläger am 30. September 2015 Einspruch ein, weil er eine Fahrtätigkeit ausübe und der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit daher nicht in Z., sondern auf der Zugmaschine liege.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da das Reisekostenrecht ab dem Jahr 2014 neu geregelt worden sei und der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte den der regelmäßigen Arbeitsstätte ersetzt habe. Nunmehr seien die Fahrtkosten des Klägers steuerlich nicht mehr nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen, da der Kläger arbeitstäglich einen Sammelpunkt aufsuche, um seiner Tätigkeit nachzugehen.
Am 26. Januar 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Das Verfahren hat zwischenzeitlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Verfahren mit den Az. VI R 17/17 und VI R 27/17 geruht. Die Verfahren sind mittlerweile entschieden.
Der Kläger meint, er habe keine erste Tätigkeitsstätte in Z inne, denn er sei mit seiner Lokomotive bundesweit tätig. Er erbringe seine Tätigkeit außerhalb der Wohnung und außerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers. Die Fahrten von der Wohnung zum Bahnhof seien daher nach Reisekostengrundsätzen abzurechnen.
Nach Ergehen der Entscheidungen des BFH in den Verfahren mit den Az. VI R 17/17 und VI R 27/17 hat der Kläger im Schriftsatz vom 24. Februar 2020 vorgebracht, er habe in der Z. zu keiner Zeit eine A...