Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsveranlagung: Unterschriftserfordernis des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren – Insolvenzbeschlag bei Nachtragsverteilung, Massezugehörigkeit des aus (teilweise) pfändungsfreiem Arbeitslohn resultierenden Erstattungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
- Im Verbraucherinsolvenzverfahren und im anschließenden Nachtragsverteilungsverfahren kann durch die Abgabe einer nur von dem Schuldner, nicht aber von dem Treuhänder unterschriebenen Einkommensteuererklärung kein wirksamer Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG gestellt werden.
- Ein Einkommensteuererstattungsanspruch, für den der Rechtsgrund vor oder während des Insolvenzverfahrens gelegt worden ist, gehört auch dann in vollem Umfang zur Insolvenzmasse, wenn er im Zusammenhang mit pfändungsfreiem Arbeitslohn steht.
Normenkette
EStG § 25 Abs. 3 S. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; AO § 34 Abs. 3 Abs. 1, § 150 Abs. 1 S. 1; InsO § 35 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 80 Abs. 1, §§ 203, 313 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, ob ein Antrag auf Veranlagung in der Weise zu stellen ist, dass eine bereits von der Insolvenzschuldnerin eingereichte Einkommensteuererklärung vom Treuhänder zu unterschreiben ist.
Über das Vermögen der Schuldnerin war mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 28.2.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Aktenzeichen 511 IK 268/11). Am 6.3.2013 ging beim Finanzamt eine von der Schuldnerin unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 ein, mit der ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt wurden. Mit Schreiben vom 12.3.2013 forderte das Finanzamt den Kläger in seiner Eigenschaft als Treuhänder über das Vermögen der Schuldnerin auf, eine Kopie der letzten Seite des Mantelbogens dieser Erklärung unterschrieben zurückzusenden. Es handele sich, so das Finanzamt in der Folge, um einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung, der ohne Unterschrift als nicht gestellt gelte. Die Unterzeichnung durch den Treuhänder könne auch nicht die von ihm unter dem 28.6.2013 abgegebene „Negativerklärung” ersetzt werden, wonach ihm über die erklärten Einkünfte hinaus keine sonstigen von der Schuldnerin im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte bekannt geworden seien.
An dieser Auffassung hielt das Finanzamt auch fest, nachdem das Amtsgericht A mit Beschluss vom 29.5.2013 das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben, bezüglich etwaiger Einnahmen, unter anderem aus einer Einkommensteuererstattung für 2012, aber die Nachtragsverteilung angeordnet hatte.
Mit einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 23.7.2013 lehnte das Finanzamt die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung 2012 ab. Aufgrund der Nachtragsverteilung falle ein Steuererstattungsanspruch in die Insolvenzmasse, weshalb eine Erklärungspflicht den Treuhänder treffe.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit der hier wegen der Einzelheiten ihres Inhalts in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung vom 18.9.2013 als unbegründet zurück. Eine Pflichtveranlagung komme mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. Eine Antragsveranlagung könne nicht durchgeführt werden, weil ein Antrag in Gestalt einer nur von der Schuldnerin unterzeichneten Steuererklärung nicht ausreiche, sondern vielmehr eine Mitunterzeichnung durch den Kläger erforderlich sei. Der Kläger sei sogar aufgrund seiner Rechtsstellung als Treuhänder allein antragsberechtigt.
Ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehöre zur Insolvenzmasse und unterliege damit der Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO), wenn - wie im Streitfall - der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei. Infolge der Nachtragsverteilung behalte der Treuhänder die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der weiteren Folge, dass ihn auch die aus § 80 Abs. 1 ebenso, § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) abzuleitende Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen anstelle des Schuldners treffe. Für die Zugehörigkeit des Einkommensteuererstattungsanspruchs zur Masse unerheblich sei es, ob das Arbeitseinkommen, von dem die zur Erstattung führenden Lohnsteuerabzugsbeträge einbehalten worden seien, dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen und nur teilweise, nämlich in Höhe des pfändbaren Betrages, zur Masse gelangt seien.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass ein wirksamer Antrag auf Veranlagung vorliege. Der Treuhänder habe die steuerlichen Pflichten der Schuldnerin lediglich insoweit zu erfüllen, wie seine Verwaltung reiche. Die Insolvenzmasse sei aber aus der insolvenzfreien abhängigen Beschäftigung der Schuldnerin weder berechtigt noch verpflichtet. Nicht maßgeblich sei, dass eine Einkommensteuererstattung aufgrund der generellen Pfändbarkeit des Erstattungsanspruchs zur Insolvenzmasse zu zahlen wäre. Es sei unverhältnismäßig, vom Treuhä...