Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensausübung bei der Freistellung vom Steuerabzug für beschränkt steuerpflichtige Künstler
Leitsatz (redaktionell)
Die Ablehnung der Freistellung vom Steuerabzug für die beschränkt steuerpflichtigen Mitglieder einer Tanzgruppe ist ermessensfehlerhaft, soweit sie auf die Unterscheidung zwischen der künstlerischen Gemeinschaftsleistung einer Kulturvereinigung und der künstlerischen Darbietung eines solistisch besetzten Ensembles i.S.d. BMF-Schreibens vom 20.07.1983, BStBl I 1983, 382, gestützt wird.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 7, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte gemäß § 50 Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) 1999 verpflichtet ist, einen Steuerabzugsbetrag im Sinne des § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des Artikel 1 Nr. 54 Buchstabe a des Gesetzes vom 24.03.1999 ganz oder teilweise zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Entscheidung des Beklagten den Erlass der gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG einzubehaltende Einkommensteuer für die Auftritte der Klägerin in Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom…abzulehnen, ist ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.
Die Erlassentscheidung gemäß § 50 Abs. 7 EStG ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung, die gemäß § 102 FGO grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt. Die Erlassentscheidung darf vom Finanzgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie rechtswidrig ist, weil die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dabei darf das Finanzgericht nicht die allein maßgeblichen Verwaltungserwägungen durch eigene Erwägungen ersetzen. Für die gerichtliche Prüfung sind diejenigen tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensausübung bekannt waren oder bekannt sein mussten (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183,21, BStBl II 1997, 642). Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise gemäß § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduktion auf Null BFH-Urteil vom 25. November 1997 IX R 28/96, BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550).
Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind die Einkünfte der Mitglieder der Klägerin aus den Tanzveranstaltungen beschränkt steuerpflichtig. Steuerschuldner sind die Mitglieder des Ensemble. Auch wenn - wie im Streitfall - die Vereinbarung über die künstlerische Auftritte im Inland mit einer Künstlergruppe abgeschlossen wurde, besteht die Besonderheit, dass diese zivilrechtlich zwar Gläubiger der Vergütung im Sinne des § 50 a Abs. 5 Satz 2 EStG ist, nach der Systematik der EStG aber nicht beschränkt steuerpflichtig sein kann (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 1995 I B 200/94, BFH/NV 1996, 311). Gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, die Einkünfte durch die Ausübung einer Tätigkeit als Künstler erzielen, im Wege des Steuerabzuges erhoben. Für das Honorar des Schweizer Tanzensembles war somit grundsätzlich die Einkommensteuer durch Steuerabzug zu erheben.
Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Klägerin steht gemäß Art. 17 DBA Deutschland-Schweiz für die fünf Tänzer der Bundesrepublik Deutschland zu. Zwar wurden die Veranstaltungen auch mit öffentlichen Mitteln des Ansässigkeitsstaates gefördert. Diese Mittel erreichten jedoch keinen „erheblichen Umfang” im Sinne des Art. 17 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz, da sie weniger als 1/3 der Gesamtmittel ausmachten (vgl. Kempermann in Flick-Wassermeyer-Wingert-Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 17 Tz. 16). Ob für die Einkünfte des Technikers das Besteuerungsrecht gemäß Art. 14 DBA Deutschland-Schweiz der Schweiz zusteht, kann der Senat im Streitfall dahinstehen lassen, da der Steuerabzug im Sinne des § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG gemäß § 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG unabhängig davon durchzuführen wäre.
Gemäß § 50 Abs. 7 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragen Finanzbehörden mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder mit einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig ist.
Wann ein Erlass aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist, ergibt sich weder aus § 50 Abs. 7 EStG noch aus § 34 c Abs. 5 EStG, der das gleiche Tatbestandsmerkmal verwendet. Aus der Entstehungsgeschichte von § 50 Abs. 7 EStG lässt sich ableiten, dass volkswirtschaftlic...