Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Steuerbarkeit einer Entschädigungszahlung
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung einer pauschalen Entschädigung zur Abgeltung möglicherweise durch eine Umbau- und Sanierungsmaßnahme an einem Gebäude verletzter Urheberrechte eines Architekten führt bei dessen Erben, der die Vereinbarung getroffen hat und selbst kein Freiberufler ist, zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 8 Abs. 1, § 24 Nr. 2; UrhG § 2 Nr. 4, §§ 14, 97; BGB § 1922
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerbarkeit einer Entschädigungszahlung.
Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin des 2009 verstorbenen Architekten ... Dieser wurde von der Stadt A mit dem Entwurf und der künstlerischen Oberleitung für den Bau des B Theaters A beauftragt. Das Theater wurde 1966 fertiggestellt.
Die Stadt A beschloss im Jahr 2015 das Theater umzubauen und zu sanieren. Sie beauftragte dafür ein Architekturbüro. Zwischen der Stadt A und der Klägerin war streitig, ob und inwieweit das Urheberrecht des Vaters der Klägerin durch den geplanten Umbau verletzt wird und ob das Einverständnis der Klägerin für die Umsetzung der Planung erforderlich ist. Die Klägerin hat Ende 2017 den Umbau- und Sanierungsplänen widersprochen.
Vor diesem Hintergrund schlossen die Stadt A und die Klägerin im Mai 2018 eine Vereinbarung. Deren Ziffer 1 lautet wie folgt:
"Frau C erhält von der Stadt A zwecks Abgeltung sämtlicher durch die Umsetzung der Sanierungs-, Modernisierungs- und Erweiterungsbeschlüsse aus den Jahren 2015 und 2018 sowie sämtlicher damit in Zusammenhang stehender Maßnahmen in Bezug auf die Modernisierung, Sanierung und Erweiterung des B Theaters möglicherweise verletzter Urheberrechte eine pauschale Entschädigungszahlung i.H.v. ... €. Mit dieser Zahlung sind alle Rechte und Ansprüche von Frau C oder ihrer Erben in dem o.g. Zusammenhang abgegolten. Frau C verzichtet gegenüber der Stadt A und gegenüber von dieser beauftragten Dritten sowie mit dieser im Zusammenhang stehenden Dritten auf die Geltendmachung aller Rechte und Ansprüche, die der Umsetzung der Sanierungs-, Modernisierung- und Erweiterungsbeschlüsse aus den Jahren 2015 und 2018 sowie sämtlicher damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen in Bezug auf diese Modernisierung, Sanierung und Erweiterung des B Theaters A entgegenstehen bzw. entgegenstehen könnten. Der Schadensersatzanspruch stellt einen Nettobetrag dar, bei dem nach dem Verständnis der Parteien keinerlei Steuer anfällt. Sollten die Finanzbehörden wider Erwarten eine andere Beurteilung vornehmen, so stellt die Stadt A Frau C von sämtlichen etwaigen diesbezüglichen Ansprüchen der Finanzbehörden frei."
Der Beklagte erfuhr durch eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes A aus dem Juli 2020 von der Vereinbarung und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 17. August 2020 mit, dass die Entschädigungszahlung der Stadt A den Tatbestand der Einkünfteerzielung im Sinne des § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 EStG erfülle. Die Einkünfte seien gewerblich. Der Abzug von Betriebsausgaben sei möglich. Es werde um Stellungnahme und gegebenenfalls die Übersendung einer Gewinnermittlung gebeten.
Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie die Zahlung erst Anfang 2019 erhalten und den Oberbürgermeister der Stadt A um eine Stellungnahme gebeten habe. Dieser stellte sich mit Schreiben vom 14. September 2020 auf den Standpunkt, dass durch die streitgegenständliche Entschädigungszahlung kein Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt sei.
Mit Bescheid vom 24. November 2020 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Einkommensteuer 2019 auf ... € fest. Dabei wurde die streitgegenständliche Entschädigungszahlung von ... € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt.
Die Klägerin legte dagegen am 20. Dezember 2020 Einspruch ein, den sie damit begründete, dass die pauschale Entschädigung von ... € nicht als gewerbliche Einkünfte erfasst werden könne. Zu steuerpflichtigen Einkünften gehöre nur der Schadensersatz, der als Ausgleich für den Verlust steuerbare Einnahmen im Rahmen eines Leistungsaustausches gewährt werde. Ein solcher liege hier nicht vor.
Mit Entscheidung vom 9. März 2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 9. April 2021 Klage erhoben. Die streitgegenständliche Entschädigung sei nicht als gewerbliche Einkünfte zu erfassen. Zu den steuerpflichtigen Einkünften gehöre nur der Schadensersatz, der als Ausgleich für den Verlust steuerbare Einnahmen im Rahmen eines Leistungsaustausches gewährt werde. Ein Leistungsaustausch liege aber gerade nicht vor, wenn der Eingriff gegen oder ohne den Willen des Geschädigten vorgenommen werde. Werde eine Entschädigung wegen einer möglichen Urheberrechtsverletzung gezahlt, liege gerade keine Einwilligung des Geschädigten vor. Eine Entschädigung im Sinne von § 97 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sei nicht steuerbar. Die Entschädigung sei nicht als Betriebseinnahme des Erblassers ...