Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslohn aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm
Leitsatz (redaktionell)
1) Veräußerungserlöse aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen aus einem Mitarbeiterprogramm, die allein den Mitarbeitern des Konzerns offen stehen, die der Mitarbeiter im Falle des Ausscheidens aus dem Unternehmen zurückzugeben hat und die für die Teilnehmer Renditechancen mit sich bringen, die weit über den üblichen Renditechancen liegen, sind steuerpflichtiger Arbeitslohn.
2) Eine befristete, lediglich mittelbare "Gesellschafterstellung", bei der alle gesellschaftsrechtlichen Mitbestimmungsrechte und jegliche Verfügungen über den Gesellschaftsanteil effektiv ausgeschlossen sind, begründet kein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen.
Normenkette
EStG § 23; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 01.03.2016; Aktenzeichen VI B 97/15) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Erlös des Klägers aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als steuerpflichtiger Arbeitslohn oder als steuerfreier Spekulationsgewinn zu qualifizieren ist.
Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus unselbständiger Beschäftigung aus einem Anstellungsverhältnis bei der T E GmbH.
Die T E GmbH war Teil des international tätigen Konzerns T. Im August 2004 erwarb der Finanzinvestor K sämtliche Anteile an der Konzernobergesellschaft. Die Anteile wurden in der L Ltd., einer zu diesem Zweck errichteten Gesellschaft britischen Rechts, gehalten.
Der Gesellschaftsvertrag der L Ltd., der dem Finanzgericht allein in einer deutschen Übersetzung vorliegt, sieht vor, dass Gesellschaftsanteile der Kategorie A bis D bestehen. Während die A- und B-Anteile Stimm- und Dividendenbezugsrechte gewähren, ist dies bei den C- und D-Anteilen nicht der Fall. Die Anteile der Kategorien C und D sollten Mitarbeitern des Unternehmens im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms angeboten werden. Für den Fall eines Börsengangs bzw. Verkaufs der Unternehmensanteile ist in Ziffer 6.4 des Gesellschaftsvertrages der L Ltd. eine Auskehrung des Gesellschaftskapitals nach einem bestimmten Schlüssel vorgesehen. Der Aufteilungsschlüssel war derart ausgestaltet, dass eine eventuelle Wertsteigerung der Anteile zunächst auf die vom Finanzinvestor gehaltenen Anteile der Kategorien A und B entfiel. Soweit nach Befriedigung der A- und B-Anteile ein darüberhinausgehender Wertzuwachs erzielt worden war, profitierten davon überproportional hoch die C- und D-Anteile. In dem Gesellschaftsvertrag der L Ltd. sind die Rahmenbedingungen für ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm festgelegt. Hierzu ist unter anderem in Ziffer 8.11 des Gesellschaftsvertrags der L Ltd. vorgesehen, dass Gesellschaftsanteile im Rahmen eines Beteiligungsprogramms auf Mitarbeiter des Unternehmens übertragen werden dürfen. Im Falle eines Ausscheidens aus dem Unternehmen waren die Mitarbeiter gesellschaftsvertraglich verpflichtet, die Gesellschaftsanteile zurück zu übertragen (vgl. Ziffer 11.1 ff. des Gesellschaftsvertrages). In Ziffer 10.2 des Gesellschaftsvertrages ist vorgesehen, dass im Falle einer Veräußerung von mehr als 50% der Anteile an der L Ltd. durch K, die übrigen Gesellschafter aufgefordert werden können, ihre Anteile zum selben Preis an den Erwerber zu veräußern („drag along”-Klausel).
In November 2004 wurde ausgewählten leitenden Angestellten aller T-Konzerngesellschaften der Erwerb von Gesellschaftsanteilen an der L Ltd. angeboten. Der Inhalt des Angebotsschreibens, welches gleichlautend an die teilnahmeberechtigten Angestellten der deutschen Konzerngesellschaft ergangen ist, wird nachfolgend auszugsweise widergegeben:
„Das Unternehmen freut sich, Ihnen bestätigen zu können, dass ein Beteiligungsplan erarbeitet wurde, nach dem unsere führenden Mitarbeiter im Laufe der kommenden drei Jahre Aktien des Unternehmens erwerben können. Es steht eine beschränkte Anzahl Aktien zur Verfügung und Sie gehören zum ausgewählten Kreis der Mitarbeiter, die eine Beteiligung erwerben können.
Nach dem Aktienbeteiligungsplan wird den Mitarbeitern in wichtigen Positionen des Unternehmens eine bestimmte Anzahl von Aktien je Jahr (in den kommenden drei Jahren) zugeteilt. […]. Die Zuteilungen erfolgen ausschließlich, wenn Sie im kommenden Jahr weiterhin Ihre jetzige Position innehaben und zu 100% Ihre vereinbarten Ziele erreichen. Wenn Sie ein besseres Ergebnis als vereinbart erzielen (wie in ihrer Jahresbewertung veranschlagt), wird Ihre Zuteilung je nach Ihrer spezifischen Bewertung um bis zu 20% erhöht. […]
Der Plan ist darauf ausgerichtet, die Mitarbeiter mit der besten Leistung für das Unternehmen zu belohnen. Eine weitere Tranche von Aktien wird im April 2006 in Abhängigkeit von Position und Leistung im Jahr 2005 zugeteilt. Im April 2007 wird eine dritte und letzte Trance von Aktien in Abhängigkeit von Position und veranschlagter Leistung im Jahr 2006...