Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalauszahlung einer Rente nicht ermäßigt zu besteuern. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 25/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kapitalauszahlung aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung führt auch bei einer Einmalzahlung zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 5 EStG, wenn die Beitragszahlungen tatsächlich nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt waren.
2. Als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt, auch Einmalzahlungen von Direktversicherungen. Dabei besteht bei Alterseinkünften die Tätigkeit in der früheren Leistung von Beiträgen.
3. Jedoch ist der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 34 EStG auf solche Einkünfte beschränkt, die von den laufenden Einkünften des Steuerpflichtigen abgrenzbar sind und sich daher als außerordentlich darstellen.
4. Hierfür ist maßgeblich, ob das Kapitalwahlrecht bei Direktversicherungen nur in atypischen Einzelfällen tatsächlich ausgeübt wird. Dafür muss statistisches Material ausgewertet werden, worüber Organisationen wie die zentrale Stelle nach § 81 EStG, Verbraucherschutzzentralen und Verbände der Anbieter möglicherweise verfügen.
5. In Ermangelung entsprechender Statistiken oder bei unergiebigen Nachfragen bei den genannten Stellen ist nach den Regeln der Feststellungslast zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu entscheiden, da dieser für das Vorliegen einer Außerordentlichkeit die Feststellungslast trägt.
6. Wenn der Steuerpflichtige ein Wahlrecht hatte, ob er eine lebenslange Rente oder eine einmalige Kapitalauszahlung in Anspruch nehmen möchte, ist eine atypische Fallgestaltung nicht gegeben.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4, §§ 81, 3 Nr. 63
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kapitalauszahlung einer Rente nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist.
Die Klägerin vereinbarte mit ihrem damaligen Arbeitgeber, Herrn Rechtsanwalt H., einen Teil ihres Gehalts in Höhe von monatlich 208 € ab dem 1.4.2005 in einen Anspruch auf Versicherungsschutz in Form von Beiträgen zu einer Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) nach den steuerlichen Vorschriften des § 3 Nr. 63 EStG umzuwandeln.
Daraufhin schloss Herr H. als Versicherungsnehmer für die Klägerin als versicherte Person bei der L.-AG (im Folgenden: Versicherung) zum 1.4.2005 eine Direktversicherung (…) mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Dementsprechend sollte ab dem 1.4.2019 eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden. Auf Antrag sollte eine einmalige Kapitalauszahlung möglich sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin beim Beklagten eingereichten Unterlagen zu der Versicherung Bezug genommen.
Die Vereinbarungen wurden während der Dauer des Vertrags entsprechend durchgeführt und die Beiträge als nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei behandelt. Zum 1.4.2019 machte die Klägerin von ihrem Kapitalwahlrecht Gebrauch, woraufhin ihr die Versicherung im Streitjahr einen Betrag i.H.v. 44.529 € auszahlte.
Diesen Betrag behandelte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid für 2019 als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und unterwarf ihn dem regulären Steuersatz. Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG für die Einmalzahlung begehrte, blieb erfolglos.
Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass der Gesetzeswortlaut von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt sei. Ein weiteres Tatbestandsmerkmal der Atypik sei im Gesetz nicht enthalten und werde auch für die übrigen Tatbestände des § 34 Abs. 2 Nrn. 1-3 EStG nicht gefordert. Auch der Zweck des Gesetzes sei erfüllt, denn es sei eine Zusammenballung von Einkünften eingetreten. Die Intention des Gesetzgebers, die eigenständige Altersversorgung zu fördern, würde ins Gegenteil verkehrt, wenn die Auszahlung mit dem vollen Steuersatz besteuert würde und zusätzlich Krankenversicherungsbeiträge anfielen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in früherer Rechtsprechung auf die vertraglichen Vereinbarungen zum Kapitalwahlrecht abgestellt habe, könne dies keine Rolle spielen, denn jede Vertragsänderung sei legitim, sodass eine Atypik niemals entstehen könne. Die aktuelle BFH-Rechtsprechung, wonach auf statistische Auswertungen abzustellen sei, führe dazu, dass der Steuerpflichtige bei Ausübung seines Kapitalwahlrechts die steuerlichen Auswirkungen noch nicht abschätzen könne. Ein solches Gesetz widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit. Unklar bleibe auch, wie das rechtliche Entscheidungssystem bei brauchbarer Datengrundlage ausgesehen hätte. Insbesondere sei auch zu berücksichtigen, dass eine Teilauszahlung des Kapitals und eine teilweise Rentenzahlung in Betracht kommen. Schließlich lasse sich nicht erklären, wie der erste Steuerpflichtige, der von einem Kap...