Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Zusammenfassung
Unter Resilienz wird die Fähigkeit verstanden, sich angesichts andauernder Belastungen und Dauerstress oder plötzlicher Krisen und Traumata anzupassen und wieder zu erholen. Es geht um die Bewältigung krisenhafter Situationen. Im besten Fall entwickeln sich nach der erfolgreichen Bewältigung einer Krise sogar neue Fähigkeiten oder Erkenntnisse, sodass es zu einem Wachstum kommt.
Ursprünglich hat sich die Resilienzforschung vorwiegend mit der Frage befasst, wie sich Kinder trotz einer Risikobelastung zu reifen, gut integrierten und in ihren Rollen funktionierenden Erwachsenen entwickeln können. Danach wurde versucht, die in diesem Feld gewonnenen Erkenntnisse auch auf Erwachsene zu übertragen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Resilienz auch im späteren Lebensalter zu erarbeiten.
Dieser Ansatz ist besonders interessant in Zeiten, in denen am Arbeitsplatz über steigende Stressbelastungen berichtet wird. So bieten zurzeit immer mehr Firmen ihren Beschäftigten Seminare zur Förderung der individuellen Resilienz an. Diese Maßnahmen können allerdings nur einen begrenzten Effekt haben, wenn der systemische Aspekt außer Acht gelassen wird. Was hilft es, Mitarbeitern Methoden zur Förderung ihrer eigenen Widerstandsfähigkeit beizubringen, wenn weder die Führungskräfte, noch das gesamte Unternehmen sich mit diesem Thema befassen?
Wenn man Resilienzförderung am Arbeitsplatz also wirklich umfassend angehen will, sollte man sich mit dem Thema der Resilienz des gesamten Unternehmens oder der Organisation befassen – der organisationalen Resilienz. Es geht darum, wie die Organisation als Ganzes mit Krisen umgeht und diese bewältigt.
1 Was ist eine resiliente Organisation? Wie lässt sich organisationale Resilienz messen?
Schon bei der Frage, was genau die Resilienz eines einzelnen Menschen ausmacht, ist sich die Fachwelt nicht ganz einig. Geht es um die Bewältigung von Krisen und das Zurückfinden in die alte Form ("bouncing back")? Oder geht es sogar um das Wachsen an Krisen und das Entwickeln neuer Fähigkeiten oder Einsichten?
Ähnliche Fragen stellen sich auch bei der Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Verwaltungen. Möchte man die Frage eingrenzen auf die Bewältigung akuter Krisen? Oder sollte man die Sache eher langfristig betrachten und auch einbeziehen, wie Unternehmen über die Zeit hinweg mit Widrigkeiten aller Art umgehen? Gehört dann zur Resilienz eher der Umgang mit diesen Krisen, also das Krisenmanagement? Oder sollte man auch schon die Vorbereitung auf Krisen, also z. B. das Risk-Assessment und das Erstellen von Notfallplänen, mit als Teil der Resilienz betrachten?
Vorbereitung auf akute Krisen
Schon 1993 gab es auf das World Trade Center einen Bombenanschlag. Der größte Arbeitgeber im WTC – Morgan Stanley – befürchtete weitere Anschläge, weil das Gebäude als starkes Symbol wirkte. Es wurden detaillierte Pläne erstellt und Übungen durchgeführt.
Am 11.9.2001 verfügte die Firma über 3 Gebäude, in denen die Angestellten sich treffen und weiter arbeiten konnten. Bereits eine Minute, nachdem das erste Flugzeug in das Hochhaus gerast war, wurde damit begonnen, die 2.700 Angestellten zu evakuieren. Ihre Büros, die über 22 Stockwerke verteilt lagen, waren fast leer, als das zweite Flugzeug einschlug. So verloren nur 6 Angestellte ihr Leben. Da Morgan Stanley in mehrfache Computer- und Kommunikationssysteme investiert hatte, konnten die Beschäftigten schnell wieder die Arbeit aufnehmen.
In der heutigen Zeit, in der es oft um das schnelle Erwirtschaften eines Shareholder-Value geht, werden sicherlich eher kurzfristige Kriterien für eine organisationale Resilienz angelegt. So könnte man neben dem Bewältigen von Krisen auch gute Umsatzzahlen, ein schnelles Wachstum, das Erschließen neuer Märkte als Messgrößen für Resilienz nehmen. Hier wären vorwiegend betriebswirtschaftliche Kennzahlen gefragt.
Es lassen sich aber durchaus auch andere Messgrößen zur Bestimmung der Widerstandskraft einer Organisation festlegen, z. B. deren Lebensdauer, die Fluktuationszahlen beim Personal oder die Krankenstände. Hier legt man eine langfristige Betrachtung zugrunde, die ganz andere Kenngrößen in den Blick nimmt. Beispiele für sehr langlebige Organisationen sind z. B. die Kirchen, deren Resilienz sich sicherlich nicht am betriebswirtschaftlichen Erfolg messen lässt.
Stora Enso
Eines der am längsten existierenden Unternehmen ist Stora Enso. Es wurde bereits im Jahr 1288 in Schweden gegründet. Ca. 700 Jahre lang beschäftigte man sich bei Stora mit dem Abbau von Kupfer. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch die Bereiche Holzeinschlag und Papierproduktion dazu genommen. Heute ist Stora Enso das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt und einer der größten Papier- und Verpackungsmittelhersteller. 2012 wurde ein Umsatz von 10,81 Mrd. EUR erzielt.
Mögliche Messgrößen für organisationale Resilienz:
- Lebensdauer des Unternehmens,
- Anzahl von überstandenen Krisen,
- wirtschaftliches Wachstum, Umsatzzahlen ("Fortune 500", "Global 500"),
- Fluktuation des Personals,
- Loyalität,
- Krankheitsstand,
- Vorberei...