Rz. 12
Nach dem Eingangssatz des § 10 stehen die dort aufgeführten Ausnahmetatbestände alle unter dem Vorbehalt, dass die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Diese Einschränkung galt früher nur für einen Teil der nach § 105c Abs. 1 Nr. 3, 4 GewO zulässigen Arbeiten und wurde nun auf alle Ausnahmetatbestände erstreckt. In Rechtsprechung und Literatur ist man sich darüber einig, dass für die Frage der Beurteilung der Unaufschiebbarkeit der Tätigkeiten auf die zu § 105c Abs. 1 Nr. 3, 4 GewO entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden kann, da der Gesetzgeber die Erweiterung in Kenntnis der durch Lehre und Rechtsprechung erfolgten Auslegung des § 105c Abs. 1 Nr. 3, 4 GewO durchgeführt hat.
Dabei ist aber zu beachten, dass die Anforderungen an die Verschiebbarkeit der Tätigkeiten nicht bei allen Fallgruppen gleich hoch sein können. Künstlerische oder sportliche Aktivitäten ließen sich immer auch an einem anderen Tag durchführen, trotzdem nahm der Gesetzgeber diese Gruppe in den Ausnahmekatalog des § 10 Abs. 1 auf. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass mit der Aufnahme in den Katalog bereits eine Vorentscheidung für die Zulässigkeit dieser Tätigkeiten auch an Sonn- und Feiertagen getroffen wurde. Daher muss die Frage der Unaufschiebbarkeit für jede Fallgruppe des § 10 Abs. 1 einzeln unter Berücksichtigung der Gründe für die Ausnahmeregelung bestimmt werden. Maßgeblich sind also letztlich die konkreten betrieblichen Verhältnisse im Einzelfall, unter denen die Arbeiten verrichtet werden. Dabei muss eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Betriebs und der Beeinträchtigung der Sonn- und Feiertagsruhe vorgenommen werden. Arbeitgeber in Produktionsbetrieben müssen sich dabei nicht auf Verfahrenstechniken verweisen lassen, die Sonn- und Feiertagsarbeit vermeiden. Aufgrund der großen Bedeutung der Sonn- und Feiertagsruhe müssen aber die allgemein gebräuchlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Sonn- und Feiertagsarbeit ausgeschöpft werden,
Rz. 13
Als Gründe für eine Unaufschiebbarkeit der Arbeiten kommen technische und sonstige Gründe in Betracht.
Bei technischen Gründen liegt die Notwendigkeit der Ausübung der Arbeiten auf der Hand. Streitig ist aber, ob auch aus anderen Gründen eine Unaufschiebbarkeit der Arbeiten angenommen werden kann. Nach einer Auffassung soll Sonn- und Feiertagsarbeit nur bei technischer Unmöglichkeit der Verlegung der Arbeiten auf einen Werktag zulässig sein.
Dagegen ist die herrschende Meinung zurecht der Auffassung, dass eine Unaufschiebbarkeit der Ausübung der Tätigkeiten auch gegeben ist, wenn die Vornahme dieser Arbeiten an Werktagen für den Betrieb unverhältnismäßige wirtschaftliche oder soziale Nachteile zur Folge hätte. Hierunter fallen etwa erhebliche Produktionseinschränkungen oder drohende massive Erhöhungen der Produktionskosten, während die bloße Verbesserung der Rentabilität und Erhöhung der Gewinne hierfür nicht genügen kann.
Dagegen sind Arbeiten nicht zulässig, die ohne Gefährdung des Betriebszwecks mit für den Arbeitgeber zumutbaren Gestaltungsmitteln auf einen Werktag verschoben werden können.
Rz. 14
Auch ist darauf zu achten, dass jeweils nur die erforderliche Zahl an Arbeitnehmern mit den Aufgaben betraut wird.
Rz. 15
Ein streikbedingter Arbeitsrückstand und dadurch anfallende Nacharbeiten allein reichen für die Darlegung der Notwendigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit nicht aus.
Berücksichtigungsfähige Nachteile sind dabei nur solche, die unbeteiligten Dritten entstehen. Da das in Art. 9 Abs. 3 GG verankerte Streikrecht erlaubt, der Allgemeinheit die negativen Folgen eines Streiks zuzumuten, sind die wirtschaftlichen Nachteile des Arbeitgebers nicht berücksichtigungsfähig, solange der Streik andauert und rechtmäßig ist. Ist der Streik beendet oder rechtswidrig, sollen drohende Arbeitgeberschäden die Anordnung von Sonntagsarbeit rechtfertigen können.