Der Fall: Sonntagsarbeit im Möbelhaus-Online-Service möglich?
Die Klägerin vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände im Internet. In Deutschland beschäftigt sie 1.635 Arbeitnehmer, wovon 215 im Kundenservice tätig sind. Der Kundenservice wird gegenwärtig an Sonn- und Feiertagen vor allem durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und in Irland erbracht. Die Klägerin hat nun beantragt, ihr ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im deutschen Homeoffice zu bewilligen. Das hierfür zuständige Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit lehnte dieses ab, weil die Klägerin die gesetzlich schon zulässigen Betriebszeiten nicht weitgehend ausnutze, was aber Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung sei.
Hiergegen hatte die Klägerin Klage erhoben. Sie meint, der Begriff der weitgehenden Ausnutzung der Betriebszeiten müsse im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Online-Handel, so verstanden werden, dass nur betriebswirtschaftlich sinnvolle Zeiten - in ihrem Fall seien das 90 Stunden pro Woche - angesetzt würden. Diese würde sie aber bereits weitgehend ausnutzen. Es sei dagegen nicht sinnvoll, telefonischen Kundenservice nachts anzubieten, weil es dafür keine Nachfrage gebe. Ihre Kunden seien es zudem gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Sei dies nicht mehr der Fall, würden die Kunden zu Konkurrenten abwandern. Damit sei auch ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt.
VG: Keine Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.04.2023, Az. 4 K 311/22). Die Klägerin könne die von ihr begehrte Ausnahmebewilligung nicht verlangen. Zwar erlaube das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsbeschäftigungen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt sei und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden könne.
Im vorliegenden Fall fehle es aber bereits an einer weitgehenden Ausnutzung der zulässigen Betriebszeit, die grundsätzlich 144 Stunden betrage. Dies sei bei der wöchentlichen Betriebszeit der Klägerin von 90 Stunden, was nur etwa 63 % entspreche, nicht der Fall. Insoweit sei der Wortlaut des ArbZG eindeutig. Ein solches Verständnis stehe auch im Einklang mit dessen Sinn und Zweck sowie der Systematik.
Die Bestimmung des ArbZG sei eine Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe. Ausnahmen hiervon seien nur in besonderen Fällen gestattet.
Im Übrigen sei es der Klägerin ohne Weiteres zumutbar, telefonische Auskünfte nur an Werktagen zu erteilen, zumal ihre Kunden Käufe durchgehend tätigen könnten. Auf die Frage der Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit komme es daher gar nicht an.
Wichtig für die Praxis
Die Versuche, das Verbot der Sonntagsarbeit insbesondere im Bereich der „New Economy“, so z.B. im Online-Handel, zu umgehen, sind vielfältig. Anbieter, die nicht nach deutschem Recht agieren (müssen), haben hier möglicherweise Wettbewerbsvorteile, wenn sie ihre Dienstleistungen an 7 Tagen in der Woche anbieten können. Insbesondere im Online-Handel, der ja im Prinzip ohne Personal vollzeitig möglich ist, wird diese Frage dann relevant, wenn es um den Verkauf beratungsintensiver Produkte geht, da dann eine rein technische Abwicklung nicht mehr möglich ist. Das VG Berlin schlägt hier Pflöcke ein und macht deutlich, dass der Wandel des Handels in einigen Bereichen keine Veränderung der Sichtweise der Aufsichtsbehörden mit sich bringen wird, wenn es um den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe geht.