Rz. 3
Abweichungen von den Regelungen des § 11 ArbZG können nach § 12 Satz 1 nur durch Tarifvertrag oder durch Betriebs- und Dienstvereinbarungen aufgrund eines Tarifvertrags erfolgen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Abweichungen nicht einseitig, sondern als Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Tarif- oder Betriebspartnern erfolgen, deren entgegengesetzte Interessen sicherstellen, dass die Abweichungen nicht ohne sachlichen Grund und maßvoll erfolgen. Aus diesem Grund muss dabei auch kein erhöhter branchen- oder bereichsspezifischer Erforderlichkeitsmaßstab angelegt werden.
Rz. 4
Regelungen durch Betriebsvereinbarungen setzen bereits begrifflich die Anwendbarkeit des BetrVG und das Bestehen eines Betriebsrats voraus. Die Betriebsvereinbarungen müssen den Anforderungen des § 77 BetrVG entsprechen, bedürfen daher der Schriftform und müssen auf einem wirksamen Beschluss des Betriebsrats beruhen.
2.1 Verringerung der Anzahl der beschäftigungsfreien Sonntage (§ 12 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 5
§ 12 Satz 1 Nr. 1 ermöglicht es, für bestimmte Branchen eine Reduzierung der nach § 11 Abs. 1 ArbZG beschäftigungsfreien 15 Sonntage im Jahr vorzunehmen. Eine weitergehende Verringerung der beschäftigungsfreien Sonntage kann aber nur in außergewöhnlichen Fällen unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 ArbZG erfolgen.
Rz. 6
Nach § 12 Satz 1 Nr. 1 müssen Arbeitnehmern, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden, für Zwecke der Verteidigung, in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung sowie im Haushalt, in Verkehrsbetrieben sowie beim Transport und Kommissionieren von leichtverderblichen Waren im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 2 der Straßenverkehrsordnung beschäftigt werden, nicht 15, sondern nur mindestens 10 freie Sonntage im Jahr gewährt werden.
Rz. 7
Werden Arbeitnehmer im Rundfunk, in Theaterbetrieben, Orchestern sowie bei Schaustellungen eingesetzt, so kann die Zahl der arbeitsfreien Sonntage auf mindestens 8 im Jahr reduziert werden. Fraglich ist, ob diese Regelung auch auf andere Informationsmedien, die ebenfalls einen verfassungsrechtlich geschützten Informationsauftrag haben (wie etwa die Presse oder Online-Medien) entsprechend angewendet werden kann, da eine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung nicht erkennbar ist.
Rz. 8
Für Arbeitnehmer in Filmtheatern und in der Tierhaltung kann die Zahl der beschäftigungsfreien Sonntage sogar bis auf mindestens 6 Sonntage im Jahr verringert werden.
2.2 Abweichungen bei Ersatzruhetagen und Ausgleichszeitraum (§ 12 Satz 1 Nr. 2)
Rz. 9
Nach § 12 Satz 1 Nr. 2 können die Tarif-/Betriebspartner vereinbaren, dass Ersatzruhetage für alle oder auch nur für einen Teil der auf einen Werktag fallenden Feiertage wegfallen. Nr. 2 der Regelung gestattet ihnen, den Ausgleichszeitraum für die Gewährung eines Ersatzruhetages für Sonn- und Feiertagsarbeit abweichend von § 11 Abs. 3 ArbZG festzulegen.
Die Abweichungsmöglichkeiten in Nr. 2 sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass die in § 11 Abs. 3 ArbZG bestimmten Ausgleichszeiträume und die Gewährung von Ersatzruhetagen in einigen Bereichen nicht für alle Arbeitnehmer eingehalten werden können. Der Gesetzgeber beschränkte diese Regelungsmöglichkeit aber nicht auf bestimmte Branchen, sondern lässt tarifliche bzw. betriebliche Regelungen in allen Geschäftsbereichen zu. Typischerweise werden diese Abweichungsmöglichkeiten in Saison- und Kampagnebetrieben genutzt, bei denen es zu bestimmten Zeiten zu einer verstärkten Nachfrage und damit zu einem gesteigerten Beschäftigungsbedarf kommt.
Rz. 10
Nach ihrem Wortlaut findet die Vorschrift nur Anwendung auf Werkfeiertage. Fällt ein Feiertag dagegen auf einen Sonntag, so gestattet § 12 Satz 1 Nr. 2 den Wegfall des Ersatzruhetages nicht, dieser muss dem Arbeitnehmer vielmehr zwingend gewährt werden. Dabei können die Ersatzruhetage für alle oder auch nur für einen Teil der Werktagsfeiertage wegfallen.
Rz. 11
Die Regelung des § 12 Satz 1 Nr. 2 gestattet die von § 11 Abs. 3 ArbZG abweichende Festlegung des Ersatzruhetages durch Tarifvertrag bzw. durch eine durch Tarifvertrag zugelassene Betriebs-/Dienstvereinbarung. Diese Möglichkeit besteht gleichermaßen für Ersatzruhetage aufgrund einer Sonntagsbeschäftigung wie auch aufgrund einer Beschäftigung an einem Feiertag. Daher können die Tarifvertrags-/Betriebspartner sowohl den Ausgleichszeitraum von 2 Wochen für den Ersatzruhetag für eine Sonntagsbeschäftigung als auch den Zeitraum von 8 Wochen für die Gewährung des Ersatzruhetags für eine Feiertagsbeschäftigung modifizieren. Dabei kann vereinbart werden, dass für Arbeit an auf Werktage fallende Feiertage keine Ersatzruhetage oder diese nur zum Teil gewährt werden (BAG Urteil v. 8.12.2021, 10 AZR 641/19).
Auch können abweichende Ausgleichszeiträume für die Gewährung von Ersatzruhetagen festgelegt werden. Die Ausgleichszeiträume können dabei ...