3.1 Verlängerung auf bis zu 10 Stunden
Rz. 7
Die werktägliche Arbeitszeit kann grundsätzlich auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, sodass sich bei 6 Werktagen pro Woche eine höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 60 Stunden ergibt. Diese Verlängerung bedarf arbeitszeitrechtlich keiner Rechtfertigung; insbesondere ist ohne Belang, warum und in welchem Umfang die Arbeitszeit verlängert wird und ob die Verlängerung voraussehbar oder regelmäßig erfolgt.
Rz. 8
Die Grenze von 10 Stunden ist eine Obergrenze, die grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Dies gilt selbst dann, wenn die Arbeitszeit in erheblichem Umfang aus Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst besteht; etwas anderes gilt nur in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG. Auch sind die weiteren in den §§ 7, 14, 15 ArbZG vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten zu beachten.
Rz. 9
Nach einer Entscheidung des EuGH von 2019, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die gesamte tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer gemessen werden kann, um den Schutzzweck der EU-Arbeitszeitrichtlinie umfassend zu gewährleisten. Nach jetziger Rechtslage besteht eine Aufzeichnungspflicht nur für die "über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit" (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Auch in einer aktuelleren Entscheidung des BAG wird betont, dass Arbeitgeber bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gesetzlich verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst. Zu einer ausführlichen Kommentierung der Entscheidungen des EuGH und des BAG sowie der daraus resultierenden Konsequenzen: s. Neumann-Redlin, § 16 ArbZG, Rz. 6.
Rz. 10
Verweigert ein Arbeitnehmer infolge struktureller Mängel bei der Dienstplangestaltung unmittelbar vor Ablauf der gesetzlich und tariflich zulässigen Höchstarbeitszeit seine Arbeitsleistung, durch die er die Höchstarbeitszeit überschreiten würde, so stellt diese Arbeitsverweigerung weder einen Grund zur außerordentlichen noch zu einer ordentlichen Kündigung dar. Verstößt die in einem Arbeitsvertrag getroffene Arbeitszeitregelung gegen § 3 ArbZG, so hat dies nach § 134 BGB nicht die Nichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung insgesamt, sondern deren Teilnichtigkeit zur Folge. Auch führt der Verstoß nicht zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs für Arbeitsleistungen oberhalb der zulässigen Höchstgrenze.
3.2 Ausgleich der verlängerten Arbeitszeiten
Rz. 11
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf nur auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Der Arbeitgeber hat also darauf zu achten, dass längere Arbeitszeiten an einzelnen Werktagen durch entsprechend kürzere Arbeitszeiten an anderen Werktagen ausgeglichen werden, und zwar konkret für jeden einzelnen Arbeitnehmer.
Nach § 7 Abs. 2a ArbZG kann jedoch in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung Abweichendes vereinbart werden. Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass es für die Unternehmen wesentlich praktikabler gewesen wäre, bei der Entstehung der Ausgleichspflicht nicht auf die werktägliche Arbeitszeit abzustellen, sondern vielmehr von der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden auszugehen, weil bei den tariflichen Wochenarbeitszeiten in diesem Fall viele Ausgleichspflichten von vornherein gar nicht entstehen würden. Den Tarifpartnern sollten über die derzeit eng definierten Ausnahmen hinaus größere Spielräume gegeben werden, die Arbeitszeit nach den Erfordernissen im Betrieb, aber auch nach den Wünschen der Arbeitnehmer flexibel zu gestalten.
3.2.1 Mögliche Ausgleichszeiträume
Rz. 12
Der Arbeitgeber hat ein Wahlrecht, ob er im Rahmen individual- bzw. kollektivrechtlicher Regelungen und aufgrund seines Weisungsrechts einen Ausgleichszeitraum von 6 Kalendermonaten oder von 24 Wochen festlegen will.
Rz. 13
Im Hinblick auf den Ausgleichszeitraum von 6 Kalendermonaten ist umstritten, ob es sich um Kalendermonate handelt oder um Zeitmonate i. S. d. § 188 BGB. Letztere Auffassung argume...