1.1 Begriff der Ruhezeit
Rz. 1
Begrifflich ist Ruhezeit der arbeitsfreie Zeitraum zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und dem Beginn der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw. zwischen 2 Schichten desselben Arbeitnehmers. § 5 legt diesen Zeitraum mit mindestens 11 Stunden fest. Arbeitsunterbrechungen innerhalb der täglichen Arbeitszeiten sind in Abgrenzung hierzu Ruhepausen (vgl. § 4 ArbZG).
Für Jugendliche gilt anstelle des § 5 ArbZG die Sonderregelung in § 13 JArbSchG. Danach dürfen Jugendliche nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit nicht vor Ablauf einer ununterbrochenen Freizeit von mindestens 12 Stunden beschäftigt werden.
Nach § 4 Abs. 2 MuSchG muss der Arbeitgeber schwangeren oder stillenden Frauen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewähren. Das entspricht § 5 Abs. 1 ArbZG; die Ausnahmetatbestände in § 5 Abs. 2 und 3 gelten für diesen Personenkreis hingegen nicht.
Rz. 2
Zweck der Ruhezeit ist es, dem Arbeitnehmer Zeit zum Ausruhen und zur Erholung von der Arbeit zu verschaffen. Der Arbeitnehmer muss in der Lage sein, sich in seinem familiären und sozialen Umfeld aufzuhalten und frei über die Zeit verfügen zu können, ohne in Anspruch genommen zu werden. Materiell setzt Ruhezeit also voraus, dass der Arbeitnehmer innerhalb dieser Zeit nicht in einem Umfang beansprucht wird, der eine Einstufung als Arbeitszeit erfordert. Arbeitszeit und Ruhezeit sind danach als gegensätzliche Begriffe anzusehen, da sie einander ausschließen; Zwischenstufen wie früher für den Bereitschaftsdienst werden nicht anerkannt. Der Arbeitgeber muss demnach die Arbeitszeit so regeln, dass die im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers erforderliche Ruhezeit gesichert ist. Zu berücksichtigen sind dabei auch Betriebsratstätigkeiten, weil sie die Ruhezeit in vergleichbarer Weise unterbrechen wie die Erbringung von Arbeitsleistung. Um Übermüdung und Überlastung des Arbeitnehmers durch die Kumulierung aufeinander folgender Arbeitsperioden zu verhindern, muss sich die Ruhezeit unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen. Mit dem Zweck der Ruhezeit ist es mithin unvereinbar, wenn der Arbeitnehmer während der Ruhezeit auch nur kurzfristig zur Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft herangezogen wird.
Rz. 3
Umstritten war, ob Zeiten des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft in die Ruhezeit fallen dürfen. Der Bereitschaftsdienst wurde in der Vergangenheit arbeitszeitrechtlich nicht als Arbeitszeit angesehen. In der Folge der Rechtsprechung des EuGH zum ärztlichen Bereitschaftsdienst wurde mit dem Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 das ArbZG dahingehend geändert, dass nunmehr auch der Bereitschaftsdienst – verstanden als persönliche Anwesenheit am Arbeitsplatz unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme – als Arbeitszeit einzustufen ist. Zeiten der Rufbereitschaft sind arbeitszeitrechtlich keine Arbeitszeiten und deshalb Ruhezeiten, solange der Arbeitnehmer nicht tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Der EuGH betont diesbezüglich die Möglichkeit der Ärzte, in Zeiten der Rufbereitschaft, in denen sie zwar ständig erreichbar, aber nicht anwesend sein müssen, freier über ihre Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen zu können.
Rz. 4
Durch welche arbeitsvertragliche Arbeitszeitgestaltung der Arbeitgeber gewährleistet, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit die Ruhezeit einhält, schreibt § 5 ihm nicht vor. Die Ruhezeit kann also auch durch eine Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht eingehalten werden, etwa durch die Gewährung eines tariflichen Freizeitausgleichs. Auch arbeitsfreie Zeiten – wie Urlaubstage, arbeitsfreie Sonn- und Feiertage oder sonstige Tage der Freistellung von der Arbeit – sind als Ruhezeit anzurechnen. Zu beachten ist jedoch, dass § 11 Abs. 4 ArbZG den Arbeitgeber verpflichtet, die Sonn- oder Feiertagsruhe unmittelbar in Verbindung mit einer Ruhezeit nach § 5 zu gewähren.
Rz. 5
Das Freisein von jeglicher Pflicht ist nicht Voraussetzung der Ruhezeit, sodass der Arbeitnehmer während der Ruhezeit Nebenpflichten (etwa Melde- bzw. Unterlassungspflichten oder einem Wettbewerbsverbot) unterliegen kann. Wegezeiten von der Wohnung zur Betriebsstätte und zurück werden auf die Ruhezeit angerechnet, da der Arbeitnehmer hier üblicherweise keine Arbeitsleistung erbringt. Etwas anderes gilt für vom Arbeitgeber angeordnete Fahrten vom Betriebssitz zu einer auswärtigen Arbeitsstätte, die der Arbeitszeit zuzurechnen sind.