Rz. 52
Sofern keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht, schreibt § 6 Abs. 5 vor, dass dem Arbeitnehmer Ausgleich für die Nachtarbeit in Form einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage oder durch angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren ist.
3.2.5.1 Voraussetzungen
Rz. 53
Neben der Voraussetzung, dass es sich um Arbeitnehmer handeln muss und Nachtarbeit i. S. v. § 2 Abs. 3 ArbZG geleistet wurde, ist erforderlich, dass keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht. Diese muss nicht ausdrücklich als Ausgleichsregelung gestaltet sein, sondern kann sich auch durch Auslegung ergeben. Sie kann auch stillschweigend in Form einer besonderen tariflichen Grundentgeltfindung oder durch einen besonderen Freizeitausgleich im Tarifvertrag geregelt sein.
Ein tarifvertraglicher Ausgleich kann insoweit nur dann gerichtlich überprüft werden, als dies nicht in die geschützte Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG eingreift. Einschlägige repräsentative Branchentarifverträge können eine Orientierungshilfe für die Angemessenheit bilden, diese jedoch nicht festlegen.
Eine entsprechende Regelung durch Betriebsvereinbarung unterliegt den gleichen Anforderungen wie eine vertragliche Regelung. Betriebsvereinbarungen haben aber anders als tarifvertragliche Regelungen keinen Vorrang.
3.2.5.2 Art
Rz. 54
Dem Arbeitgeber steht ein Wahlrecht bezüglich der Art des Ausgleichs nach § 262 BGB zu. Entgegen einer früher vertretenen Ansicht besteht keine Rangordnung zugunsten des Freizeitausgleichs.
Solange der Arbeitgeber keine Wahl getroffen hat, muss der Kläger Alternativklage erheben.
3.2.5.3 Umfang
Rz. 55
Der Umfang des Ausgleichs muss angemessen sein. Für den Entgeltzuschlag gilt, dass dieser entweder gesondert im Arbeitsvertrag geregelt werden kann, oder aber mittels erhöhtem Grundlohn. Im letzteren Fall müssen sich aus dem Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Grundlohn aufgrund der Nachtarbeit erhöht ist und einen Nachtarbeitszuschlag einschließt. Bezüglich des Umfangs ist die Art der Ausgleichsleistung unerheblich, der Wert muss sich grundsätzlich entsprechen.
Bezüglich des Mindestlohns steht insbesondere § 10 Abs. 1 ArbZG und § 24 Abs. 2 MiLoG in der Fassung vom 11.8.2014 einer Anhebung des Zuschlags nicht entgegen.Insbesondere die Angemessenheit eines Zuschlags in Höhe von 10 % oder eine Branchenausnahme für Zeitungszusteller kann dem gerade nicht entnommen werden. § 6 Abs. 5 ArbZG findet unverändert Anwendung.
Liegt der vereinbarte Grundlohn (unrechtmäßigerweise) unterhalb des Mindestlohns, ist der Zuschlag auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen.
Um Unklarheiten und Streitigkeiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, in den Arbeitsvertrag eine gesonderte Zuschlagsregelung ausdrücklich aufzunehmen ("Nachtzuschlag").
Rz. 56
Hinsichtlich der Höhe des Zuschlags ist stets der Einzelfall zu betrachten. Eine Orientierung – aber keine Bindung – kann dabei der einschlägige Branchentarifvertrag geben. Meist betragen die tariflichen Zuschläge 25 %. Dies ist i. d. R. angemessen, lässt jedoch nicht die Bestimmung des Arbeitgebers im Einzelfall entfallen. Nach der Rechtsprechung ist bei Ableistung von Dauernachtschicht i. d. R. ein Zuschlag von 30 % angemessen, während bei Nachtarbeit in Wechselschicht 25 % angemessen sind, wobei auch hier stets auf den Einzelfall abgestellt werden soll. Eine Anpassung der regelmäßig angemessenen Werte kommt in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorliegen, welche die Werte wegen der niedrigeren oder höheren Belastung als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Rein wirtschaftliche Erwägungen des Arbeitgebers sind nicht geeignet, eine Verringerung des Zuschlags zu begründen. Im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast liegt es am Arbeitnehmer, nachzuweisen, dass im Einzelfall ein höherer Zuschlag als die vorstehend genannten 25 % bzw. 30 % angemessen ist. Andererseits ist bei einem geringeren Ausgleich als üblich gegebenenfalls vom Arbeitgeber die Angemessenheit der Verringerung näher darzulegen.
Auch die Vermeidbarkeit der Dauernachtarbeit – insbesondere durch die mögliche Einführung eines Wechselschichtmodells – ist ein gewichtiger Punkt und bezüglich der Angemessenheit bzw. Höhe des Ausgleichsanspruchs entsprechend zu berücksichtigen. Dies wird regelmäßig zumindest einer Abweichung vom Regelsatz entgegenstehen. Ebenso kann aber auch eine Herabsetzung des Regelwerts in Betracht kommen, wenn durch die Nachtarbeit eine spürbar geringere Belastung als üblich vorliegt (beis...