OFD Karlsruhe, Verfügung vom 28.4.2023, S 0224 (§ 89 Karte 2)
1 Gebührenpflicht
Gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 AO werden für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft i.S. des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO Gebühren nach § 89 Abs. 4 bis 6 erhoben.
2 Anzahl der (gebührenpflichtigen) Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
Es handelt sich jeweils um einen Antrag, soweit sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht (AEAO zu § 89, Nr. 4.1.2).
Schritt 1
Gemäß BFH-Urteil vom 27.11.2019 (II R 24/17, BStBl II 2020 S. 528) enthält eine auf Auskunft gerichtete Eingabe – mindestens – so viele Anträge, wie nach dem Inhalt der Eingabe Steuerpflichtige von der Bindungswirkung der Auskunft erfasst sein sollen. In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, inwieweit der oder die Antragsteller die Finanzbehörde(n) darum ersucht haben, den oder die Sachverhalte bezogen auf welche Steuerpflichtigen steuerlich zu beurteilen (vgl. Ausführungen unter 2.1).
In Ausnahmefällen ermöglicht § 89 Abs. 2 Satz 6 AO i.V. mit der Steuerauskunftsverordnung (StAuskV) eine gemeinschaftliche Antragstellung zu einem „genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalt” durch mehrere Antragstellerinnen / Antragsteller (vgl. AO-Kartei BW, Karte 1 zu § 89, Tz. 5 und die nachfolgenden Ausführungen hier unter 2.2).
Schritt 2
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob lediglich einer oder mehrere „genau bestimmte, noch nicht verwirklichten Sachverhalte” i.S. von § 89 Abs. 2 Satz 1 AO in einem eingereichten Schriftstück bezogen auf einen Steuerpflichtigen vorgetragen wurden (vgl. Ausführungen unter 2.3).
Ergeben sich hiernach mehrere Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, werden formal mehrere Auskunftsverfahren durchgeführt.
Für die Bearbeitung jedes einzelnen Antrags auf verbindliche Auskunft i.S. des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO ist gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 AO eine eigene Gebühr festzusetzen.
2.1 Für welche und wieviele Steuerpflichtige ist die Auskunft verbindlich und wieviele Gebühren löst dies aus?
Der Antragsteller muss gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV in seinem Antrag auf verbindliche Auskunft sein (eigenes) besonderes steuerliches Interesse am Antrag auf verbindliche Auskunft darlegen. Der Antragsteller und der Steuerpflichtige (§ 33 Abs. 1 AO), auf den sich ein „genau bestimmter, noch nicht verwirklichter Sachverhalt”, der von der Finanzbehörde steuerlich beurteilt werden soll, bezieht, sind im Regelfall identisch.
Eine dritte Person kann bei berechtigtem Interesse in den Fällen des § 1 Abs. 3 StAuskV eine verbindliche Auskunft über die steuerliche Beurteilung eines „genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalts” für einen im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existierenden Steuerpflichtigen beantragen. Soweit in derartigen Fällen der Antragsteller die steuerliche Beurteilung des Sachverhalts sowohl für sich selbst als auch für einen bei Antragstellung noch nicht existierenden Steuerpflichtigen beantragt, liegen zwei (gebührenpflichtige) Anträge auf verbindliche Auskunft vor (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019, II R 24/17, a.a.O.).
Werden in einem Schriftstück mehrere Antragsteller(innen) aufgelistet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StAuskV) und legen diese jeweils ihr eigenes besonderes steuerliches Interesse an der steuerlichen Beurteilung dar (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAuskV), hat formal jede(r) der Antragsteller(innen) für sich einen eigenen Antrag auf verbindliche Auskunft gestellt. Daran ändert sich im Regelfall (Ausnahmen vgl. 2.2) auch nichts, wenn alle diese Steuerpflichtigen an der geplanten Durchführung des vorgetragenen „genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalts” in gleicher Weise beteiligt sind und sich die gleichen Rechtsfolgen ergeben. Die Finanzbehörden nehmen grundsätzlich keine einheitliche steuerliche Beurteilung vor, sondern haben die steuerliche Beurteilung des Sachverhalts bezogen auf jedes einzelne Steuerrechtssubjekt vorzunehmen und jedem einzelnen Antragsteller eine individuelle verbindliche Auskunft zu erteilen.
2.2 Ausnahme: Antragstellung von mehreren Antragstellern als Personenmehrheit gemäß § 1 Abs. 2 StAuskV
Sofern mehrere Antragsteller (mit jeweils eigenem steuerlichen Interesse) aufgrund der Regelungen der StAuskV zur Antragstellung als Personenmehrheit berechtigt sind und daher die verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt werden kann, ist für die Bearbeitung eines derartigen gemeinsamen Antrags gem. § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nur eine Gebühr zu erheben. In diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr.
Sofern Personenmehrheiten jedoch mehrere „genau bestimmte, noch nicht verwirklichte Sachverhalte” der Finanzbehörde zur steuerlichen Beurteilung vorlegen (vgl. 2.3), liegen mehrere Anträge der Personenmehrheit auf verbindliche Auskunft i.S. des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO vor, für welche jeweils eine gesonderte Gebühr zu erheben ist.
2.3 Genau bestimmter, noch nicht verwirklichter Sachverhal...