Oliver Walle, Sarah Staut
Die gesetzlichen Grundlagen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung geben nicht die Art und Weise der Ermittlung der Belastungen und Beanspruchungen vor. Grundsätzlich werden 2 grundlegende Varianten unterschieden:
- die subjektive Beurteilung durch die Beschäftigten selbst,
- die objektive durch externe Personen.
Als extern gelten auch innerbetriebliche Akteure, wie Vorgesetzte, Betriebsrat, Betriebsarzt und Vertreter der Arbeitssicherheit. In der Praxis muss demnach entschieden werden, welche Methode für das betreffende Unternehmen geeignet ist bzw. was man in welchem Umfang wissen möchte. Zudem spielt auch die Präzisionsstufe eine Rolle – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Aufwands, der zu Beginn geklärt werden muss.
Schritt für Schritt vorgehen
Der Einstieg in die psychische Gefährdungsbeurteilung sollte Schritt für Schritt erfolgen, sodass das Unternehmen und die durchführenden Akteure nicht überfordert sind und der Analyseaufwand nicht die finanziellen Ressourcen für die Umsetzung zu stark mindert.
Für jede Methode existieren zwischenzeitlich zahlreiche Instrumente, sodass eher das Problem in der Auswahl liegt, weniger in der Frage des Angebots. Trotzdem sind Wissenschaftler und Arbeitsschutzexperten weiterhin gefordert, praxistaugliche Instrumente zu entwickeln, die auch von den betrieblichen Akteuren umgesetzt werden können. Nachfolgend die Darstellung der jeweiligen Methoden und Beispiele zu den dazugehörigen Instrumenten.
3.1 Subjektive Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung
Da die Gefährdungsbeurteilung mögliche gesundheitsbeeinträchtigende Belastungen der Beschäftigten prüft, bedeutet die subjektive Beurteilung letztlich die Wahrnehmung der Betroffenen selbst zu Belastungen und Beanspruchungen (vgl. Tab. 3). Fühlen sie sich einer Belastung, wie Zeitdruck, ausgesetzt, wäre dies die Feststellung, dass die Belastung vorhanden ist. Haben sie aufgrund dieser Belastung auch gesundheitliche Probleme, wäre dies dann die daraus resultierende Beanspruchung. Zugleich würde es aber auch bedeuten, dass es sich um eine Fehlbelastung handelt, bei der letztlich gemäß Arbeitsschutzgesetz seitens des Arbeitgebers zu handeln wäre.
Untersuchungsansätze |
Psychische Belastung (Arbeitsbedingungen) |
Psychische Beanspruchung (Wirkung auf den Beschäftigten) |
Akteure |
Ermittlung und Beurteilung durch die Mitarbeiter |
Ermittlung und Beurteilung durch die Mitarbeiter |
Methoden |
- fragebogengestützte Mitarbeiterbefragungen
- moderierte Gruppengespräche
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- fragebogengestützte Mitarbeiterbefragung
- Einzelgespräche
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Ermittlungsaspekte |
z. B. kognitive Belastung, Belastung aus sozialen Beziehungen (Betriebsklima, Personal) |
z. B. psychosomatische Beschwerden |
Tab. 3: Untersuchungsansätze für die subjektive Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung
3.2 Objektive Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung
Eine Beurteilung von außen stellt eine objektive Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung dar (vgl. Tab. 4). Sie wird i. d. R. zu Beginn einer Gefährdungsbeurteilung im Rahmen der Grobanalyse eingesetzt, d. h. als erste Orientierung über das Vorhandensein psychischer Belastungen und möglicher Fehlbelastungen. Die Durchführung erfolgt durch externe Personen, wie z. B. Arbeitsschutzexperten, Führungskräfte und Betriebsrat. Bei Bedarf können auch Psychologen und Gesundheitsberater hinzugezogen werden.
Untersuchungsansätze |
Psychische Belastung (Arbeitsbedingungen) |
Psychische Beanspruchung (Wirkung auf den Beschäftigten) |
Akteure |
Ermittlung und Beurteilung durch Externe |
Ermittlung und Beurteilung durch Externe |
Methoden |
- Leitfäden für Dokumentenanalysen
- Beobachtungsinterviews
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- arbeitsmedizinische Untersuchungen,
- Auswertung statistischer Daten über Fehlzeiten, Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen etc.
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Ermittlungsaspekte |
z. B. Belastung aus Arbeitsaufgabe, -organisation und -umgebung (kognitive Belastung) |
psychophysiologische Untersuchungen, z. B. Stresshormone, EKG |
Tab. 4: Untersuchungsansätze objektive Belastungs- und Beanspruchungsbeurteilung
3.3 Vor- und Nachteile der Methoden und Praxisrelevanz
Die klassische Gefährdungsbeurteilung nicht-psychischer Belastungen erfolgt i. d. R. auf Basis einer objektiven Belastungsbeurteilung unter Einsatz von Checklisten und Bewertungsinstrumenten, wie z. B. der Leitmerkmalmethode für das Heben und Tragen von Gegenständen, von Messinstrumenten bei den Arbeitsumgebungsbedingungen, z. B. Lärmmessung, sowie die Beurteilung anhand von Richtwerten.
Arbeitsschutzexperten würden auch bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung gerne Messinstrumente einsetzen, d. h., eine rein objektive Belastungsbeurteilung anhand definierter Kriterien und Richtwerte durchführen. Aus den vorangegangen Kapiteln ist allerdings bereits deutlich geworden, dass psychische Belastungen nicht einfach durch Messwerte abbildbar sind. Selbst wenn Werte ...